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Filmkritik

Von wahren und falschen Helden

Autor(en): Nicole Metz am Donnerstag, 19. November 2015
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Quelle: © Allstar/Roadside Attractions

Danny (Jeremy Irvine) bei den Stonewall-Aufständen

Roland Emmerich ist zwar für Katastrophen-Filme bekannt, doch mit Stonewall liefert er eine Katastrophe der anderen Art.

Würde Roland Emmerichs neuester Film anstatt Stonewall “Die Biographie des Danny W.” heißen, wäre es wohl kein allzu schlechter Film. Ginge man ohne geschichtliche Vorkenntnisse in den Film, wäre Stonewall wohl nicht so katastrophal. Würde es sich bei Stonewall einfach nur um einen Film über fiktionale Ereignisse handeln, wäre Emmerichs neuer Film wohl keine komplette Katastrophe...

Doch die Realität sieht eher so aus: Stonewall will eine Hommage an eines der geschichtsträchtigsten Ereignisse der LGBT-Community sein, ist in Wahrheit aber so seicht, melodramatisch und fast schon geschichtsverfälschend, dass es geradezu beleidigend ist.

Unruhen in der Christopher Street

Der Titel Stonewall weist auf die Unruhen und gewalttätigen Konflikte zwischen Mitgliedern der LGBT-Community und Polizeibeamten in New York in der Nacht vom 27. zum 28. Juni 1969 hin. Das Stonewall Inn, eine Bar mit homosexuellem und Transgender-Publikum, wurde zum Mittelpunkt des Aufstands: Zum ersten Mal in der Geschichte widersetzte sich eine große Anzahl von LGBT-Personen der Verhaftung, was einen Wendepunkt der Lesben- und Schwulenbewegung darstellen sollte. Noch heute wird beim Christopher Street Day bzw. der Gay Pride Parade an diesen bedeutungsvollen Widerstand erinnert.

Danny, der Held

So viel zu den geschichtlichen Ereignissen - wer allerdings erwartet, in Stonewall mehr zu diesen namensgebenden Geschehnissen zu erfahren, der wird enttäuscht werden. Anstatt die wahren Helden der Geschichte in den Mittelpunkt zu stellen, die meisten davon People of Colour, Transgender-Personen oder Drag-Queens, erfindet Emmerich kurzerhand seinen eigenen Helden: Danny, ein junger Kerl aus Indiana, der daheim rausgeschmissen wurde und schließlich in der Schwulen- und Lesbenszene New Yorks landet.

Weiß, männlich und gutaussehend - so soll Danny laut Aussagen des Regisseurs die Masse ansprechen und auch Personen, die nicht der LGBT-Community angehören, ins Kino locken. Doch betreibt Emmerich mit dieser Entscheidung nicht nur „Whitewashing“, er degradiert auch zentrale Figuren des Aufstands, wie die Trans-Frau Marsha P. Johnson oder die Drag-Queen Sylvia Rivera, zu Randfiguren, die nur dazu da sind, die Geschichte um den schönen Danny auszuschmücken.

Coming-of-Age statt echter Geschichte

Dabei ist Jeremy Irvine als Danny durchaus charmant und charismatisch. Doch seine Coming-of-Age-Geschichte ist erstens nichts, was man nicht schon gesehen hat und zweitens auch teilwiese lachhaft klischeehaft und melodramatisch. Über die wahren Hintergründe der Stonewall-Aufstände und vor allem deren Nachwirkungen erfährt man wenig.

Die Unruhen wirken vielmehr so, als seien sie nur ein interessanter Hintergrund für die Geschichte von Danny und nehmen nur einen winzigen Teil der an sich schon recht konfusen Erzählsituation ein.

Während Dannys Schicksal mit gebührendem Ernst erzählt wird, werden die restlichen Charaktere auf Stereotypen reduziert, die oft nur für ein paar Lacher gut sind. Die Charaktere und das Setting wirken insgesamt mehr wie nachträgliche, nebensächliche Einfälle statt wichtiger Parts der Geschehnisse.

Das bewegende Ende

Die emotionale Schlagkraft, die dem Film als Ganzes fehlt, hat das Ende zu bieten. Doch das liegt nicht etwa an filmischen Ereignissen, sondern an einem Postskript, das Details über die wahren Geschehnisse, die Errungenschaften der Aktivisten und die anhaltenden politischen Ereignisse preisgibt. Doch dass dieser kleine Anhang mehr berührt als der Film selbst, sollte eigentlich schon alles sagen.

In den U.S.A hat Stonewall zu großen Debatten geführt. Es gibt eine Petition mit über 24.000 Unterschriften, die zum Boykott des Films aufruft. Wieder andere Stimmen sind gegen den Boykott und betonen, wie wichtig solch ein Film (nicht nur) für die LGBT-Community ist.

In der Tat sind Filme über Stonewall und generell mit und über LGBT-Personen wichtig, doch haben sowohl die Ereignisse, als auch das Publikum etwas Besseres als Emmerichs Stonewall verdient.

"Stonewall" läuft ab Donnerstag, den 19.11.2015 in den deutschen Kinos.

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