Wie man in den Wald hinein lächelt, so schallt es heraus
Auch nach dem Tode Loriots schallt noch immer ein überwältigendes Echo rings aus den teutonischen Wäldern und Redaktionen heraus. Die Reaktionen auf den Verlust des größten deutschen Humoristen sind so vielfältig wie sein Werk selbst. Eine Nachruf-Umschau.
„Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus“ - um sich an Hand dieses Sprichwortes mit den Nachrufen auf Vicco von Bülow alias Loriot an das Phänomen heranzutasten, das sie besingen, muss zunächst eine grundlegende Änderung vollzogen werden.
Denn Loriot „ruft“ nicht. Er lächelt. Und zwar auf eine feinsinnige, schlitzohrige Art und Weise und von einem moosgrünen Gründerzeitsofa aus.
Das Echo auf sein Leben und Werk, das die Nachricht von seinem Tode auslöste, sucht seinesgleichen. Fernsehprogramme wurden umgestellt, seitenweise Feuilletons gefüllt, Radiosendungen ausgestrahlt und Loriots Werke tausendfach gegoogelt und geyoutubed.
Um zu verstehen, was dieser Mann, den immerhin 92% der Deutschen kennen, bedeutete, ist ein Blick quer durch die Nachrufe hilfreich. Denn: Wie man in den Wald lächelt, so schallt es heraus.
Ein vielstimmiges Echo auf Loriots vielseitiges Werk
Momentan schallt es da nämlich wirklich aus jedem Winkel der teutonischen Wälder, immer wieder stolpert man über Schlagzeilen im Stil von „Deutschland trauert“. Loriot also als ein Mann, der ein ganzes Land bewegt hat und bewegt. Hat er es geschafft, das „typisch Deutsche“ zu treffen - das irgendwo zwischen anerkannter Herstellungsqualität „Made in Germany“ und Sandburgen an italienischen Stränden liegt?
Laut einem Online-Artikel der Abendzeitung waren es vor allem die gezeichneten Figuren mit den Knollennasen, mit denen sich die Deutschen gerne identifizieren: „Sein Knollennasenmann gehört zum deutschen Kulturgut wie Bratwurst und Brandenburger Tor.“
So wie Herr Müller-Lüdenscheid und Doktor Klöbner, zwei Herren im Bad, die sich nackt und eingezwängt in einer Badewanne gegenüber sitzen und dennoch mit größter Förmlichkeit auf ihrer überlegenen beruflichen Stellung beharren - Typisch deutsch!
Auch die BILD räumt Loriot auf ihrer Homepage einen Platz in der Walhalla der größten Deutschen Dichter und Denker frei: „Der Goethe des Lächelns ist tot. Jodeln wir in memoriam: 'Holeri du dödel di – diri diri dudel dö'“
Das Faszinierende daran ist, dass wahrscheinlich fast jeder diesen Text tatsächlich mitjodeln könnte, denn mit Evelyn Hamann hat halb Deutschland sein Jodeldiplom abgelegt. Überhaupt werden Loriots Sketche ständig zitiert und nachgestellt. Ach? Ach was. Ja, genau diese kleinen Wörtchen sind zu einem allgemein-deutschen Vokabular des Humors geworden.
„Das größte Lob wird sein und immer bleiben, dass dieser Mann des Adels sich verpflichtet hat, das ganze Volk zum Lachen zu bringen, mit den Zutaten, die den „ernsthaften“ Humor so wertvoll machen: Komik, Menschlichkeit, Schadenfreude (aber frei von Zynismus) und die Achtung vor den Menschen – sowie eine überaus präzise Arbeitsweise, die falschen Tönen und jedwedem Faschistoiden nicht den Hauch einer Chance lässt“ - so Ottfried Fischer in der SZ vom 24. August 2011. Das ganze Volk zum Lachen zu bringen, durch alle Alters- und Bevölkerungsschichten hindurch ist ihm gelungen, so sehr, dass der Spiegel ihn zu einer eigenen Sprache erhebt in dem Artikel „Sprechen sie Loriot?“
Das hat Loriot Goethe voraus, denn: "Was ist schon Goethes "Erlkönig" gegen Loriots "Lottogewinner"? [...] Loriot musste Humor haben für den Rest der Deutschen. Jetzt haben wir gar keinen mehr. Robert Gernhardt ist ja auch schon tot. Jetzt werden wir auf absehbare Zeit nur noch fleißig sein, den Euro retten und die Umwelt.“ schreibt an gleicher Stelle Ralf Husmann, der Erfinder von „Stromberg“ und „Dr. Psycho“.
Seine pessimistische Meinung teilt dabei Christoph Waltz der wie Otti Fischer in der SZ vom 24. August zitiert wird: „Es ist für mich vollkommen ausgeschlossen, mich zum Verlust der letzten Hoffnung für den deutschen Humor in ein paar Sätzen zu äußern. Bitte um Nachsicht.“
Bei der Frage, welches Talent Loriot so groß gemacht hat, dass er ohne Scham als Inkarnation des „deutschen Humors“ gehandelt werden kann, taucht immer wieder sein ausgeprägter Perfektionismus auf: „Stets musste man jedoch zugestehen, dass in der Kunst, den Mechanismus des Komischen am Schnurren zu halten und am Ende ebenso ruhig wie haargenau die krönende Pointe zu setzen, an Loriot niemand heranreichte.“ (SZ, 24. August 2011, S. 3)
Diese Exaktheit und Perfektion betraf Loriots Arbeit genauso wie sein Äußeres und sein Auftreten, was den Focus sogar zu folgendem Politikum bewog: „Rein äußerlich hätte der Posten des Bundespräsidenten wohl eher zu Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow gepasst als der Job eines Komikers und TV-Unterhalters.“
Loriot Werk hat tatsächlich auch eine politische Dimension: In der Zeit des geteilten Deutschland waren es Opa Hoppenstedt und der Lottogewinner Erwin Lindemann der die Menschen in Ost und West gleichermaßen zum Lachen brachte – der Film Ödipussi lief als erster Film exakt gleichzeitig in Ost und West an.
Geografische Grenzen vermochte Loriot ohne Probleme zu überwinden. Doch kann er sich auch dem Lauf der Zeit widersetzen? Beate Kayser spricht ihm diese Fähigkeit auf der Homepage der TZ jedenfalls zu: „Das beweist, dass Loriot alterslos ist, „unkaputtbar“. Der Zahn der Zeit nagt an keinem Satz, keinem Bild, keiner Zeichnung von seiner Hand. Er ist generationenfest.“
Wie sehr das zutrifft, kann wohl jeder aus seiner eigenen Erfahrung bestätigen. Meine Oma – heute 90 Jahre alt – liebt Loriot, als Kind haben wir bei ihr immer die alten VHS-Videos angeschaut.
Für mich ist Loriot schon immer alt gewesen, einerseits weil ich ihn eben so mit meiner Oma verbinde und andererseits weil entweder er selbst oder seine Filme für mich eben auch schon immer alt aussahen. Deswegen kann Loriot auch garnicht sterben. Ehrlich gesagt sitzt er immer noch auf seinem moosgrünen Gründerzeitsofa und lächelt ins Land hinein.
Und dafür – da sind sich alle Nachrufe in sämtlichen Medien einig – sind wir ihm sehr dankbar.