M94.5-Filmkritik
Zwietracht und Schafseuche
Zwei Brüder, die seit 40 Jahren kein Wort mehr miteinander gewechselt haben und ihre Schafe: Wer sind da wohl die "Sturen Böcke"?
Die Geschichte des Films "Sture Böcke" ist schlicht und unspektakulär: Die beiden Brüder Gummi und Kiddi sind seit langer Zeit verfeindet, obwohl sie Tür an Tür in einem einsamen Ort im Norden Islands wohnen. Wenn sie kommunizieren müssen, dann schicken sie den Hund, der dem anderen die Botschaft überbringt. Sie sind Schafhirten, ihre Tiere sind wie ihre Kinder – sie werden sogar in der Badewanne gewaschen.
Viel mehr passiert im anspruchslosen Leben der Brüder nicht. Einzig der alljährlich stattfindende Wettbewerb um die besten Schafe Islands bringt Abwechslung: Gummis und Kiddis Schafe sind immer die Besten, der Konkurrenzkampf zwischen den beiden ist enorm.
In der Not vereint
Eines Tages bricht unter den Schafen die extrem ansteckende und gefährliche „Traberkrankheit“ aus. Um die Seuche einzudämmen, wollen die Tierärzte alle Schafe im Tal töten lassen – eine existenzbedrohende Maßnahme für alle Züchter. Gummi erschießt nicht alle seine Schafe, sondern versteckt einen Teil, um sie vor dem Tod zu bewahren. Um sie zu retten, müssen sich die beiden Brüder zusammenraufen.
„Sture Böcke“ ist nicht nur die Geschichte von Schafhirten und Tierseuche, sondern erzählt vielmehr von der Überwindung der Familienstreitigkeiten, der Annäherung und Versöhnung der beiden Brüder. Die Rettung der Schafe ist hier der Katalysator.
Feinfühlige Bilder und leiser Humor
Die Geschichte ist zwar relativ karg, doch die subtilen Bilder überzeugen: Die beiden Brüder mit ihren Norweger-Pullis und ihrem Zottelhaar sind die wirklichen „Sturen Böcke“ des Films. Aber auch die dokumentarischen Landschaftsaufnahmen Islands geben dem Film Charakter.
Dezent komische Szenen bleiben einem in Erinnerung: Als Gummi seinen betrunkenen Bruder ohnmächtig im Schnee draußen findet, ihn mit der Traktorschaufel zum nächsten Krankenhaus transportiert und ihn dort vor der Eingangstür ablädt. Oder aber die rührende Szene, in der sich Gummi an Weihnachten festlich herausputzt und alleine seinen Braten verspeist.
Zweitweise eine harte Geduldsprobe
Wer von dem Film offensichtlichen Witz erwartet, wird von „Sture Böcke“ enttäuscht sein. Es ist ein Film der leisen Töne. Die Geduld des Zuschauers wird durch ausschweifende Alltagsbeschreibungen und wenig Handlung zeitweise doch ziemlich auf die Probe gestellt. Man muss sich auf den Film einlassen und darf sich keine lustige Actionkomödie erwarten. Einzig gegen Ende kippt diese stoische Erzählweise und der Film überrascht mit einem relativ actionreichen Schluss.
Die Tragikomödie „Sture Böcke“ von Grímur Hákonarson ist Cannes-Gewinner des Hauptpreises der Sektion „un certain regard“. In München ist der Film im Arena Filmtheater und im Maxim Kino zu sehen.