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Zwischen Drill und Sehnsucht

Autor(en): Tanja Schreiner am Mittwoch, 27. Februar 2013
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Quelle: polyband

Disziplin, unermütlicher Kampfgeist und Leistung. Die Shaolin Tagou ist Chinas größte Kung-Fu-Schule. Und für viele Kinder außerdem der Weg aus der Armut.  

5:40 Uhr: Aufstehen, zum Training!

7:40 Uhr: Frühstück!

8:50: Weiter trainieren!

12:00: Mittagessen!

12:20: Unterricht!

18:20 Uhr: Ab in den Schlafsaal!

20:30 Uhr: Licht aus!

Fliegen lernen

Xin Chenxi wollte fliegen lernen. Mit sieben Jahren ist sie deshalb an die Shaolin Tagou gekommen - Chinas größte Kung-Fu-Schule. 26.000 Schüler werden hier zu Chinas Elite der Kampfkunst erzogen. Disziplin, unermütlicher Kampfgeist und Leistung sind die wichtigsten Werte, die an der Shaolin Tagou vermittelt werden. Jeden Tag steht ein straffer Zeitplan auf der Tagesordnung. Hartes Training, Unterricht, manchmal dürfen die Kinder auch kurz spielen.

Der Dokumentarfilm „Drachenmädchen“ erzählt die persönlichen Geschichten von drei Mädchen, die um der Armut zu entkommen von morgens bis abends kämpfen lernen. Was einige zu Hochleistungen antreibt, bringt andere in die Verzweiflung. Viele sind dem Druck an der Shaolin Tagou nicht gewachsen. Doch oft haben sie keine andere Wahl. Ihre Eltern sind arm, arbeiten so viel, dass sie keine Zeit haben sich um ihre Kinder zu kümmern. Sie wünschen sich ein besseres Leben für ihre Kinder – und Kung Fu ist die Chance dafür.

Kindheit bedeutet Feiertage

„Kindheit bedeutet: Kinder haben Feiertage, an den Feiertagen ist man glücklicher“, erzählt die 9-Jährige Xin Chinxi. Sie ist im Eliteteam der Schule und trainiert sehr hart. Ihren Vater, Melonenverkäufer in einem kleinen Dorf, 1.400 km entfernt von der Schule, sieht sie nur einmal im Jahr. Wenn sie den ersten Platz im jährlichen Wettbewerb gewinnt, verspricht er ihr, dann würde er sie besuchen kommen. Xin Chinxi liebt die Schule über alles, auch wenn sie ihren Vater vermisst und sich den Alltag weniger strikt vorgestellt hatte.

Die 15-jährige Chen Xi ist ein schüchternes Mädchen, das nicht viel spricht. Sie fühlt sich eingesperrt in der Schule, wie in einem Vogelkäfig, und hat oft Heimweh. Beim Training ist sie schwächer als ihre Mitschülerinnen. Wenn die anderen nachts schlafen, und sie niemand sieht, weint sie oft. Öffentlich zu weinen ist an der Shaolin Tagou nicht gerne gesehen. „Tränen sind Ausdruck von Unfähigkeit. Weinen bringt nichts, man muss sich mutig der Situation stellen“, erkärt die jüngere Xin Chinxi.

Kämpfen oder aufgeben?

Aber was tut man, wenn man dem Druck nicht gewachsen ist, immer schwächer als die anderen, davon träumt dass jeder Tag der Letzte ist? Weiter kämpfen oder aufgeben? Huang Luolan ist 17. Sie ist ein störrisches Kind, hat ihren eigenen Kopf. Eineinhalb Jahre hat sie es in „der Hölle“, der Shaolin Tagou, ausgehalten. Dann ist sie geflohen, zu ihrem Vater nach Shanghai, wo sie jetzt den ganzen Tag am Computer spielt. Aber ihr Vater weiß nichts mit ihr anzufangen und schickt sie zurück auf die Schule. Er wollte Huang Luolan eigentlich gar nicht. Eine Frau auf dem Markt hatte seiner Frau das ausgesetzte Baby einfach in die Arme gedrückt. „Wenn du keinen Sohn bekommst, dann hast du im vorigen Leben gesündigt“, erzählt Huang.

Trainer und Eltern-Ersatz

Nicht nur für die Kinder ist das Leben an der Shaolin Tagou Schule hart. Sogar einige Trainer halten es nicht mehr aus und fliehen. So auch Huangs Trainer. Ein Leben außerhalt der Kung-Fu-Schule zu haben, seine Familie regelmäßig zu sehen, ist eigentlich unmöglich. Neben der Trainer-Position sind sie außerdem noch Ersatz-Eltern für ihre Schüler. Dass sie sich um mehr als zehn Kinder kümmern muss, während die leiblichen Eltern schon mit einem Kind überfordert sind, beklagt Trainerin Zhou Jin Ji. Bei den strikten Regeln an der Schule kommt es deshalb auch nicht selten vor, dass die Kinder mit Stöcken geschlagen werden.

Gänsehaut und Begeisterung

„Drachenmädchen“ ist ein unglaublich beeindruckender aber gleichzeitig beängstigender Film über Chinas größte Kung-Fu-Schule. Er entführt in eine ferne Welt und zeigt eine Vorstellung von Kindheit, die man sich in Europa nicht vorstellen kann. Regisseur Inigo Westmeier ist ein sehr intimer Blick in das Leben dreier chinesischer Mädchen, die nicht unterschiedlicher sein könnten, gelungen. Er zeigt einerseits die Faszination der Kung-Fu-Schule aber blickt auch kritisch auf den dort herrschenden Drill und Leistungsdrang. Gänsehaut, Mitgefühl, Begeisterung – der Film wirft den Zuschauer durch alle Gefühlslagen und lässt ihn nachdenklich zurück.

„Chen Xi fasst zusammen, was ich mit meinem Film sagen will: „Die Kinder heute sind sehr einsam. Klar, die Arbeit ist wichtig, aber Kinder sind noch wichtiger.“ (Inigo Westermeier).

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