Magic Moshroom: The Dillinger Escape Plan
Das letzte Interview
Billy Rymer und Ben Weinman von The Dillinger Escape Plan im Backstage München
Metalheads verabschieden sich: The Dillinger Escape Plan offenbaren im letzten Interview mit M94.5 vor ihrem Aus ihre Zweifel und Ängste.
Eine Metal-Ära geht zu Ende. Die Ära von The Dillinger Escape Plan. Die Mathcore-Band, ursprünglich aus New Jersey, USA, dreht mit ihrer Abschiedstour zum letzten Mal ihre Runden um den Globus. Eine Band, die definitiv fehlen wird in der harten Musikwelt, immerhin sind sie schon immer durch ihren besonderen Stil – musikalisch sowie bei ihren Live-Shows – hervorgestochen. Doch so traurig es auch ist, wenn eine Band aufhört, The Dillinger Escape Plan haben den Entschluss gerade aus den richtigen Gründen gefasst: Aufhören solange man noch kreativ, inspiriert und vor allem gut ist – am Höhepunkt aufhören, bevor man fällt und uninteressant wird.
Trotz ihrem momentanen Höheflug und ihrem aktuellen Album Dissociation, das im Oktober 2016 kurz nach der Bekanntgabe ihrer Auflösung erschienen ist, genießen The Dillinger Escape Plan lieber den Augenblick, als allzu sentimental zu werden. Klar, holt einen das irgendwann ein, aber gerade bei ihrer Abschiedstour scheint das Aus doch noch in weiter Ferne zu liegen.
Bei ihrem allerletzten Konzert in München in der Backstage Halle, haben sie ihrem Ruf eine der besten und vor allem krassesten Live-Bands der harten Musikszene zu sein, alle Ehre gemacht. Dass sie mal von der Decke taumeln und währenddessen weiterhin in die Saiten schrammeln oder „Balcony Diving“ statt Stage Diving machen, war man gewohnt. Im Backstage wurde aber sogar Miley Cyrus’ Wrecking Ball-Szene nachgestellt, indem Gitarrist Ben Weinman kurzerhand auf eine Diskokugel geklettert ist und plötzlich kopfüber hinunter hing. Nicht zu vergessen: ohne einen falschen Ton anzuspielen!
Vor ihrem unvergesslichen Konzert in München hat sich der M94.5 Magic Moshroom zum allerletzten Interview mit dem einzig übriggebliebenen Gründungsmitglied und Gitarristen Ben Weinman und Schlagzeuger Billy Rymer getroffen.
Ehrlich und unverändert
Ihr habt euer vorerst letztes Album Dissociation im Oktober 2016 veröffentlicht. Damit habt ihr eine andere Richtung eurer Musik eingeschlagen. Es ist aber auch schon vom Titel her eine Anspielung und schöne Art um sich zu verabschieden. Ben, du meintest doch einmal, dass man im Alter die Art Musik zu machen anders angeht – ehrlicher und dass man mehr in sich hineingeht. Hattet ihr denn mal Angst zu ehrlich zu sein und alles so zu offenbaren?
[01:38]
Ben: Ich denke, jeder in der Band holt für sich etwas anderes aus dem Musikmachen heraus. Ich bin einfach sehr ehrlich, ich bin einfach ich. Wir haben auch schon untereinander geredet, ob es komisch ist, so persönliche Sachen auf Instagram zu posten und so weiter... Aber ich bin im Grunde immer noch derselbe, der ich 1997 war, als ich diese Band gegründet habe – zumindest bezüglich meiner Sichtweise und Werte. Natürlich habe ich mich emotional weiterentwickelt, durch den Life-Crash-Kurs mit dieser Band sozusagen, aber ich bin immernoch derselbe Typ wie damals. Ich bin immer echt, weil ich auch herausgefunden habe, dass ich mich oder etwas anderes nicht verkaufen könnte, an das ich nicht wirklich glaube. Ich hätte niemals in einer Pop-Band sein können oder Songs schreiben können, die einem bestimmten Trend folgen, wenn ich es auch nur versucht hätte. Darin hätte ich schrecklich versagt. Ich habe nie die Scheu, ehrlich zu sein. Ich habe eher Angst davor, dass ich irgendwann nichts mehr aus Ehrlichkeit erschaffen könnte. Und deshalb ist es auch eine gute Zeit für uns um aufzuhören, weil wir eben noch inspiriert sind und wir das, was wir erschaffen immer noch ehrlich meinen.
Billy: Außerdem hatten wir eine gute Menge an Druck und Kritik beim Musikmachen, das es etwas erschwert wurde, auch wirklich an uns und unsere Musik zu glauben und vor allem daran, dass wir auch ein ehrliches und qualitatives Album rausbringen würden.
Ben: Gerade bei uns zweien war das so, weil der ganze Schreibprozess ja bei uns startet. Billy und ich schreiben die Musik bevor irgendjemand in der Band etwas davon hört. Wir verbringen Monate zusammen und schreiben Musik. Dann hoffen wir, dass sie die anderen inspiriert, dass sie dann eben auch etwas dazu beitragen können. Aber ja, es gab bestimmt einige Zweifel von unserer Seite des Camps aus.
Ist Dissociation gut genug?
[03:18]
Ben: Wir dachten uns: „Vielleicht ist es nicht richtig oder gut genug.“ Wir beide konnten diese Zweifel aber nicht ganz nachvollziehen, wir haben das Album geliebt! Und letzten Endes sieht’s so aus als wäre es eines jeden Lieblingsalbum geworden.
Billy: Wir haben uns auch gefragt, ob wir es wirklich so lieben...
Ben: Ja, und ich erinnere mich noch daran, als Billy und ich in mein Kellerstudio gegangen sind und das Album gespielt haben. Da haben wir einfach angefangen, den kompletten Keller auseinander zu nehmen. Wir sind so aufgekratzt geworden und wussten nicht, was die anderen hatten, weil bis dahin, war es unserer Meinung nach schon ein großartiges Album. Aber es war bestimmt eines der stressigsten Alben, die wir gemacht haben.
Billy: Rückblickend ist Dissociation auf jeden Fall das Album, auf das ich am stolzesten bin, wenn es darum geht, was ich musikalisch erschaffen habe. Wir haben dem Schreibprozess einfach vertraut.
Ben: Außerdem gibt es niemanden, der ein Dillinger-Album besser machen könnte, als wir selbst. Das ist auch wirklich das Einzige in meinem Leben, wo ich mir sicher bin, dass ich es gut kann.
„Ich schaffe es nicht, die Lyrics zu lesen.“ – Ben Weinman
[06:28]
Billy: Um ehrlich zu sein, haben mich die Lyrics auf dem letzten Album Dissociation am meisten getroffen – in dieser Band und im Vergleich zu allen anderen musikalischen Projekten, wo ich dabei war. Ich denke Greg hat damit wirklich ein neues Level erreicht.
Ben: Ich kann die Lyrics jetzt nicht lesen. Ich werde sie bestimmt irgendwann lesen, wenn das alles hier vorbei ist, aber momentan schaffe ich das nicht. Greg und ich haben so eine besondere Verbindung und kreative Beziehung zueinander – richtig verrückt, wie zum Beispiel von Steve Tyler und Joe Perry. Wir lieben und hassen einander und pushen uns gegenseitig.
Manchmal scheint scheint es zwar, als würde die Welt versuchen, The Dillinger Escape Plan aufzuhalten, aber sie gehen ihren Weg bis zum Ende. Und auch, wenn es in Zukunft keine neuen Songs mehr von den Mathcore-Pionieren geben wird, ihre Musik wird auch in Zukunft noch so einige Abriss-Metal-Partys verursachen. Bis zum Ende sind es aber noch einige Monate, auf denen The Dillinger Escape Plan um den Globus touren – mit einer atemberaubenden Live-Show, bei der man keine Angst vor blauen Flecken haben sollte.
Einzigartig – Ehrlich – The Dillinger Escape Plan
1997 – † 2017/18
15. Jun 2017 um 12:48 Uhr
Die einschneidensten Momente und noch vieles mehr von Ben Weinman und Billy Rymer von The Dillinger Escape Plan könnt ihr euch noch im kompletten Interview online in der M94.5 Mediathek auf English anhören, oder zu Beginn des Artikels.