Samstag 16 Uhr. Muffatwerk. Der Innenhof der Münchner Konzertlocation füllt sich mit einem Meer aus Caps und Sprühdosen. Hier und da tummeln sich kleine Grüppchen - einer am Beatboxen, die anderen versuchen mehr schlecht als recht ein paar zusammenhängende Reimketten zu kreieren. Es herrscht eine angenehm-familiäre Stimmung auf dem Living Hip Hop Festival am 25. April 2015 in München.

Dann im Backstage-Bereich der Künstler. Das Schild an der Tür verrät mir: Samy Deluxe, Afrob und Denyo teilen sich einen Backstage-Raum. Als ich den Raum betrete, bin ich von der lockeren Stimmung angesteckt. Absolute Beginner-Mitglied Denyo chillt zusammen mit Symbiz und Tropf. Sie trinken Kaffee, ratschen und checken ihre Facebook-Accounts.

Denyos mittlerweile viertes Studioalbum #Derbe produzierte er zusammen mit dem Berliner Global Bass-Duo Symbiz. Nach seinem SingerSongwriter-Ausflug Suchen & Finden schlägt #Derbe ein komplett gegensätzliches Soundbild an: Futuristisch, basslastig, zeitlupig, innovativ. Und genau deswegen für die alten "hängengebliebenen" Beginner-Fans ungewohnt.

M94.5: Das Global Bass Duo Symbiz hat für Dich die Beats geliefert...
Denyo: Nein! Das stimmt so nicht! [empört spielend und gleichzeitig grinsend]

M94.5: Stimmt das nicht?
Denyo: Nein! Nein, da will ich was darstellen! [Tropf lacht im Hintergrund] Nein, quatsch, es war so gewesen: Symbiz, die geilsten Jungs, haben ihr Studio in Berlin-Kreuzberg. Ich hab die schon vor 3-4 Jahren gediggt. Einfach weil ich wissen wollte: Wer macht so einen Sound in Deutschland und zwar in geil? Dann bin ich auf Symbiz gestoßen. Die Jungs hab ich jetzt auch sofort weggesignt, also alle Konkurrenten aufgepasst: Die Jungs sind schon unter Vertrag! Ich hab sie am Start, die bringen wir jetzt weltweit raus. Da geht einiges. Pech gehabt, Leude! Mit Chris von Symbiz, das ist so der Sounddesigner, hab ich an meiner Platte gearbeitet. Es lief dann so ab, dass ich Skizzen vorher gebaut, Sachen schon komponiert und arrangiert habe, und mit Chris dann zusammen das Sounddesign gemacht hab. Wobei ich zugeben muss, dass wirklich der letzte, geniale Feinschliff und die letzte geile Idee tatsächlich von Symbiz ist. Und das ist auch das, weshalb ich die Jungs so feiere und so liebe.

M94.5: Es war dann so, dass Dein Album erstmal als EP geplant war. Dann wurde es aber doch zu einem Album mit relativ viel Zeitlupen-Sound - auch beim Song "Derbe" an sich. Wie ist das entstanden? Kann man beschreiben, was das für ein Prozess war, dass Ihr diesen Style bedient habt?
Denyo: Das ist eine schöne, nerdige Frage. Ich hoffe, da sind genug Nerds da draußen, die jetzt Bock haben, sich das genau anzuhören, wie das bei mir so abgelaufen ist. Es war so, dass ich mich gefragt habe: Wie kann ich... Rap - das ist ja Musik für Kids. Eher. Und auch von Kids. Damals, als wir Bambule gemacht haben, waren wir auch Kids. Dann hab ich mir selber irgendwann die Frage gestellt: Kann es vielleicht sein, dass Hip Hop mittlerweile simpler gestrickt ist als ich? Bin ich zu erwachsen für Hip Hop? Kann ich mich noch irgendwie darüber ausdrücken? Dann hab ich über die Jahre durch tagtägliches Training und Arbeiten an Beats und an Raps gemerkt: Ja, es geht, aber ich muss es auf meine ganz eigene Art und Weise machen. Sprich: Weg von allen Klischees, weg von Allem, was es schon gab. Ich hab versucht über diese Zeitlupe und dieses fast schon Monotone meiner Stimme mehr Aufmerksamkeit geben zu können, also eine größere Bühne geben zu können und auch durch die Art und Weise wie ich geflext hab und wie ich gereimt hab: Einfach mehr Metaphern, mehr Inhalt in die einzelnen Zeilen legen zu können. Es ist also nicht nur Sounddesign, sondern auch Textdesign. Das Textdesign ist so, dass es ziemlich viel Platz braucht und dementsprechend sind die Beats relativ reduziert. Dafür muss jedes einzelne Element, jedes einzelne Instrument doppelt so geil gemixt sein und sich doppelt so geil anhören.

M94.5: In einem Interview hast Du mal gesagt, dass in Deinem Album mehr Bambule drinnen ist als man denkt. Kannst Du das vielleicht ausführen?
Denyo: Das liegt daran, dass wir damals schon extrem viel Pioniergeist hatten. Kuck mal, die paar Leute, die jetzt sagen "Oh Mann, Soundmäßig und so, was soll denn das? Das ist ja gar nicht so wie früher..." - ey, früher haben wir auch nicht Sound gemacht wie früher! Früher haben wir den Sound gemacht, der der Shit war. Wir hatten relativen Pioniergeist und haben versucht, Neues und Freshes zu machen. Und das hab ich jetzt auch gemacht. Das ist auch das, was mich als Musiker auszeichnet finde ich und was mir als Musiker Spaß macht: Neue Wege zu gehen. Dementsprechend steckt da Pioniergeist und Abenteuerlust und Mut und auch Qualität in Sachen Texte mehr Bambule drin als die Leute, die empört "Autotuuune!" schreien, sich bewusst machen können.

Interview: Vanessa Patrick