S. Carey live im Ampere
Ein Hauch von Utopie
Mit seinem dritten Album beweist S. Carey endgültig, dass er mehr ist als „nur“ der Sidekick in Bon Iver. Und ihr könnt euch davon live überzeugen.
In Europa spielt die Maßeinheit Acre eher eine untergeordnete Rolle. Deswegen mag der ein oder andere mit dem Albumtitel Hundred Acres relativ wenig anfangen können. Kurz gesagt entsprechen hundert Acre fast 57 Fußballfeldern. Bleibt also nur noch die Frage, was S. Carey den Hörern damit sagen will.
Glücklicherweise hat Carey ein großes Mitteilungsbedürfnis und erklärt seine Intentionen in einem Brief an seine Fans: Jede Familie, jede Person bräuchte doch einfach nur ein paar Acre, einen schönen Garten und vielleicht ein paar Tiere. Krankenversicherung für jeden sollte es geben und Bildung sollte frei sein. Fast automatisch würde eine Gesellschaft entstehen, die von Liebe und Respekt dominiert ist.
Hundert Acre? Vielleicht ein bisschen viel. Aber naja, es ist nun mal auch Poesie – eine kleine Hyperbel eben. Und das passt doch zu der fast Hippie-mäßigen Philosophie des Mannes aus Wisconsin, der uns einfach seine kleine Utopie vorzeichnen will. Und niemand will ihm das Träumen verbieten.
Zwischen Mensch und Natur
Allerdings singt Carey auf dem Album nicht immer nur von utopischen Träumereien wie in dem Titeltrack, sondern wird vor allem auch sehr persönlich. Besonders die Thematik des Todes scheint für ihn immer wichtiger zu werden. So erzählt er von der Fehlgeburt seiner Frau in „Fool's Gold“, der Unausweichlichkeit des Todes in „Hideout“ und dem immer näher rückenden Tod seines Vaters in „Meadow Song“.
Neben den düsteren, ernsten Passagen widmet sich Carey dann aber doch seinem Lieblingsmotiv: der Natur. Ob der Yellowstone National Park, die Goldkieferwälder im Hochland von Arizona oder eine beliebige Wüste, letztendlich gibt es für jede Situation den richtigen Rückzugsort. Alles in allem sind die Texte von S. Carey um einiges direkter und einfach nicht so kryptisch wie die seines Bon Iver-Counterparts Justin Vernon.
Im Minimalismus liegt die Kraft
Mit einer klassischen Ausbildung als Schlagwerker ist es wenig verwunderlich, dass auf die Percussion in Careys Musik besonders viel Wert gelegt wird. Zusammen mit der Tatsache, dass Carey zusätzlich noch Multiinstrumentalist ist und fast alle Instrumente selber einspielt, ist es schlicht spannend zu beobachten, wie in seinen Kompositionen durch die kleinsten Veränderungen in der Rhythmik die größten Bedeutungen entstehen können.
Auch wenn – oder vielleicht sogar weil – Hundred Acres noch ein bisschen minimalistischer gehalten ist als die beiden Vorgänger, ist weiterhin eine beeindruckende Live-Performance von S. Carey zu erwarten. Wer also einen Teil der Genialität von Bon Iver genießen will und sich nach der Intimität ihrer früheren Konzerten sehnt, ist auf Careys aktuellen Tour genau richtig aufgehoben. Musikalisch und textlich ist ein Stückchen Utopie garantiert.
am 24.09.2018
Einlass: 19 Uhr
Beginn: 20 Uhr
VVK: 20 € zzgl. Gebühren