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So waren The Jesus & Mary Chain in der Theaterfabrik

Eine herrliche Zumutung

Autor(en): Bruno Wolf am Montag, 16. Oktober 2017
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Quelle: M94.5

The Jesus & Mary Chain

Proto-Shoegaze vom Feinsten! Die schottische Kultband hat nichts verlernt. Dass die Theaterfabrik bei dem Schalldruck noch steht, ist eigentlich ein Wunder.

„Ich glaub' deine Kopfhörer sind kaputt. Ich hör da nur Rauschen." Da will man seinen Freunden einen kleinen Meilenstein der Rock-Geschichte zeigen und dann kommt so eine Reaktion. Naja, zugegeben: „Psychocandy", das Debüt-Album der schottischen Band The Jesus & Mary Chain macht es dem Hörer nicht gerade leicht. Auf den meisten Songs sind die eigentlich eingängigen Pop-Melodien nämlich unter einer dicken Schicht aus Gitarrenfeedback begraben. Mehr als 30 Jahre ist es nun schon her, dass diese Platte erschienen ist und umso glücklicher durfte man sich schätzen, die Band noch einmal live erleben zu können.

Ein Abend ganz im Zeichen der 80er

Der Support hat stilistisch sehr gut gepasst: Cold Cave aus Los Angeles haben mit Industrial-Beats, Synthie-Flächen und einem Sänger der ganz passabel Robert Smith imitiert, ihren hausgemachten Mix aus Darkwave und Post-Punk zum Besten gegeben. Leider hat die statische und auch sehr spärliche Beleuchtung das ohnehin schon gefährlich in Richtung Monotonie kippende Set noch ein bisschen weniger spannend gemacht. Sicher, das war gewollt, es heißt ja nicht ohne Grund „Dark(!)wave". Aber wenn einem erst nach dem dritten Song auffällt, dass das keine Drum-Machine ist, die für den Rhythmus sorgt, sondern dass da ein Schlagzeuger hinter dem ganzen Nebel versteckt ist, läuft doch irgendwas verkehrt.

Mehr Reizüberlastung als Reizüberflutung

Aber man ist ja sowieso für den Main-Act da. Der lässt sich zwar ein bisschen Zeit, aber wenn er dann da ist, ist die Reizüberlastung perfekt. Die Power-Chords von „Amputation", der ersten Single des neuen Albums „Damage and Joy" dröhnen mit brachialer Gewalt aus den Boxen, während einem das Stroboskop gänzlich die Orientierung raubt. Ein bisschen alt sind sie alle geworden, das fällt sofort auf, auch wenn man wegen des Nebels nur wenig mehr erkennen kann als bei der Vorband. Dennoch klingt die Stimme von Sänger Jim Reid noch immer wie auf den Aufnahmen. Es grenzt generell an ein Wunder, dass man den Gesang bei all dem Lärm so gut verstehen konnte, da haben sich die Tontechniker auf jeden Fall ein großes Lob verdient.

Jenseits der Grenze des Zumutbaren

Proto-Shoegaze. So wird die Musik von The Jesus & Mary Chain gerne mal bezeichnet und das was den Sound von Bands wie My Bloody Valentine oder Slowdive so faszinierend macht ist auch bei diesem Konzert zu spüren. Irgendwann, wenn die ohnehin schon ohrenbetäubende Lautstärke die Grenze des Zumutbaren weit hinter sich lässt und William Reid auf seiner Gitarre ein noch lauter kreischendes Riff zum besten gibt, kommt der Moment in dem man sich entweder denkt: „Was für 'ne Scheiße, den Tinnitus werd ich nie wieder los!" oder aber man kommt einer Extase nah, die ganze ohne psychoaktive Substanzen auskommt. Das Publikum fand es jedenfalls großartig und die gute Stimmung hat die Band auch gleich ermuntert zwei Zugaben zu spielen. Das Klingeln in den Ohren, das man unweigerlich in den nächsten paar Tagen noch hören wird, war es definitiv wert.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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