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Protomartyr im Interview

Fiktion durch Distanz

Autor(en): Bruno Wolf am Dienstag, 24. April 2018
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Quelle: M94.5

Protomartyr v.l.n.r.: Alex Leonard, Joe Casey, Greg Ahee

Im April haben Protomartyr im Strom gespielt. Vor der Showhaben wir uns mit Sänger Joe Casey unterhalten: über ihr neues Album, Detroit und Boote.

 

Hi, wie geht's euch? Hattet ihr ein bisschen Zeit, etwas von der Stadt zu sehen?

Gut, danke! Das ist das zweite Mal, dass wir in München spielen und wir hätten sogar früher schon mal hier spielen sollen, als wir das erste Mal auf Europatour waren – aber das Konzert wurde dann aus mangelndem Interesse abgesagt...

Oh nein..

Wir hatten dann Zeit und konnten ein bisschen in der Stadt rumlaufen, aber an einem Tag wie heute kommen wir einfach in die Location, machen den Soundcheck, spielen die Show und fahren am nächsten morgen weiter. Deshalb sieht man von den Städten selten etwas. Aber als das Konzert abgesagt wurde, haben wir uns, glaube ich, das erste Mal einen der Transformers-Filme angeschaut (lacht). München macht aber wirklich einen schönen Eindruck.

Ihr seid ja aus Detroit – beeinflusst dieser Ort euch als Band? Seht ihr euch als eine Band, die an ihr Umfeld gekoppelt ist? Hätte es Protomartyr irgendwo anders auch geben können?

Was toll an Detroit ist, ist die Musikszene – also zumindest die, in der wir sind. Ich meine es gibt ja jede Menge verschiedene Szenen in Detroit, aber man konnte immer recht einfach in Bars spielen und es ging auch nie so sehr darum, Erfolg zu haben, sondern es war immer eher eine Möglichkeit um sich ausdrücken zu können. Und weil in der Stadt auch immer noch sehr günstig leben kann, kann man es sich auch leisten in einer Band zu spielen und gleichzeitig einen Job zu haben und damit über die Runden zu kommen. Außerdem hat fast jedes Haus einen Keller oder eine Garage in der man üben kann. Das alles hat uns als Band wirklich sehr geholfen – dass Detroit eine musikalische Stadt ist und dabei auch eine günstige, musikalische Stadt.

Ja, das ist hier in München leider etwas anders, da muss man sich einen Proberaum ja mit mindestens drei anderen Bands teilen um sich das leisten zu können...

Ich bin auch überrascht, dass es immer noch Bands in New York oder San Francisco gibt, wo die Mieten so extrem hoch sind und die Räume dafür so klein – das ist das tolle an Detroit, dass da so viel Platz ist.

Relatives In Descent euer aktuelles Album – fühlt sich in gewisser Weise größer an, als eure früheren Alben, auch in Sachen Produktion. War das euer Ziel, so eine Art Statement zu setzen? Wie war bei dem Album eure Herangehensweise?

Wenn es „größer" klingt, wie du sagst, dann liegt das eventuell daran, dass wir auf jeden Fall mit mehr Ambitionen an die Sache herangegangen sind und auch „größere" Songs schreiben wollten. Außerdem hatten wir auch einfach mehr Zeit als zwischen den früheren Alben. Die haben wir alle recht schnell hintereinander veröffentlicht, vielleicht zu schnell. Aber dieses Mal hatten wir die Zeit, die Songs richtig zu auszuarbeiten. Auf der anderen Seite wollten wir auch einfach mal einen anderen Produzenten ausprobieren um sehen, wie das unseren Sound beeinflusst. Sonny Diperri hat es mit uns produziert und er war offen für unsere Ideen. Er hat dann dafür gesorgt, das klanglich umzusetzen. Man kann schon einfach dasitzen und sagen: „Das soll jetzt richtig fett klingen!" Aber viele Produzenten wären nicht in der Lage, genau zu wissen wo man hin will.

A Private Understanding, der erste Song auf dem neuen Album fängt textlich mit einem Vorbehalt an – du sagst, dass nicht du es bist, der spricht, sondern eher eine Art Figur. Findest du, dass diese Distanz es einfacher macht, Gedanken, Ideen und Meinungen zu übermitteln?

Ja. Auf dem vorherigen Album habe ich viel über persönliche Dinge in meinem Leben gesagt und jede Frage in jedem Interview wollte mehr aus mir herausziehen, darüber was die Songs denn nun bedeuten. Und das ist auch in Ordnung, ich werde auch weiterhin persönliche Songs schreiben, das ist ja auch wichtig. Aber ich wollte auch mal etwas mit mehr Distanz schreiben, etwas das mehr Fiktion ist. Das war der Sinn hinter dieser ersten Zeile, dass nur weil ich das singe, es nicht unbedingt auch meine Meinung oder das, wofür ich stehe oder woran ich glaube ist.

Die Release Party für Relatives In Descent hat ein bisschen für Aufsehen gesorgt – das lag wohl daran, dass sie auf einem Boot stattgefunden hat. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, das zu machen?

Es war eine dumme Idee (lacht). Wir haben uns schon lange gedacht, dass es toll wäre mal auf dem Boblo-Boat zu spielen. Das ist ein recht bekanntes Schiff in Detroit, mit dem man früher auf eine Insel mit einem Freizeitpark fahren konnte. Allerdings ist es schon seit Jahren nicht mehr in Benutzung. Wir haben dann eine Freundin von uns, die sich in Detroit um unser Booking kümmert, gefragt, ob das nicht irgendwie möglich wäre auf dem Boblo-Boat zu spielen und sie hat sich das angeschaut. Aber es war dann leider nicht mehr see- beziehungsweise flusstüchtig. Also haben wir uns einfach nach einem ähnlichen Boot umgeschaut und, ja, wir fanden einfach, dass es eine gute Idee war. Selbst wenn die Leute uns nicht mögen, würden sie kommen um die anderen Bands zu sehen und weil es auf einem Boot ist (lacht).

Das war auch wirklich ein tolles Line-Up!

Ja, das waren eigentlich alles Freunde von uns. Mit Metz haben wir schon zusammen getourt, mit den Preoccupations touren wir hoffentlich noch und Tyvek ist ja auch ein Band aus Detroit. Das hat viel ausgemacht, dass wir die Bands alle kannten und es dann wirklich eine Party für alle war und nicht nur für uns.

Was hört ihr denn im Moment für Musik? Irgendwelche Lieblingsalben?

Oh je... Was höre ich denn gerade? Das jetzt bestimmt eine dumme Antwort, aber ich höre im Moment eigentlich gar nichts. Auf Tour mag ich einfach Ruhe um ein bisschen zu lesen.

Greg Ahee: Cardi B, das neue Cardi B Album (alle lachen).

Alex Leonard: The Raincoats, von denen höre ich gerade sehr viel.

Was sind denn eure momentanen Pläne? Ich meine, ihr habt Relatives In Descent erst letztes Jahr veröffentlicht, aber vielleicht ist ja schon etwas in Arbeit?

Im Moment touren wir hauptsächlich, aber ich denke wir werden diesen Sommer noch eine EP mit vier neuen Songs veröffentlichen. Dann wird bis Ende des Jahres weitergetourt und danach haben wir hoffentlich Zeit, mit der Arbeit am nächsten Album anzufangen. Es wäre natürlich toll, wenn wir das dann nächstes Jahr rausbringen könnten, aber wer weiß – Pläne zu machen ist eine dumme Sache, das kann immer schief gehen.

 

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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M94.5 präsentiert
Donnerstag, 18. Oktober, 18 Uhr
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Donnerstag, 18. Oktober 2018
 
Freitag, Samstag: 19./20. Oktober
 
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