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John Coffey im Interview mit dem Magic Moshroom

Gas geben vor dem Ende

Quelle: M94.5

Richard und Carsten von John Coffey

Die Holländer nehmen bald eine Auszeit von ihrem John Coffey-Leben, aber vorher starten sie noch einmal richtig durch.

Nach gut 15 Jahren des Musikmachens wollen sich John Coffey ein bisschen mehr auf sich selbst konzentrieren - entspannen. Denn so schön das Musiker- und Tourleben auch sein kann, so anstrengend ist es auch. 24 Stunden - non-stop. Für die fünfköpfige Gruppe ging es gerade in den vergangenen Jahren noch steil bergauf - sie waren unter anderem Supportband von The Dillinger Escape Plan, die jetzt übrigens auch eine Auszeit nehmen. Aber bevor sie das Leben abseits von Konzerten genießen, haben sie noch einmal richtig Gas gegeben und einen toughen Festival-Plan für diesen Sommer aufgestellt. Sie waren unter anderem auf dem Wacken Open Air Festival, Dicky Woodstock Popfestival, With Full Force und vielen mehr. Da darf natürlich DAS Festival Ungarns nicht fehlen. Auf dem Sziget Festival 2016 haben sie am Sonntag, den 14. August auf der Europe Stage einen energiegeladenen Auftritt hingelegt. Der M94.5 Magic Moshroom war für euch vor Ort und hat mit dem Bassisten Richard Van Luttikhuizen und Schlagzeuger Carsten Willem Jan Brunsveld über ihre besten Live-Erlebnisse gesprochen, aber auch ernstere Themen, wie die aktuelle Situation in Europa.

Das Beste von beiden Welten

Ihr wart dieses Jahr schon auf sehr vielen Festivals. Was ist denn das besondere jetzt am Sziget Festival?

[0:19]
Es ist sehr viel größer. Obwohl wir ja auch Wacken gespielt haben und das ist auch sehr groß. Es ist sehr spannend hier - allein schon, dass die eigentlichen Bühnen und Festival-Area und die Camping-Area eines sind. Normalerweise sind diese Bereiche getrennt. Beim Sziget wird das vereint und man kann sozusagen überall schlafen.

Und das Wacken Open Air Festival ist ausgerichtet auf ein spezielles Genre - nicht so wie beim Sziget Festival. Hier gibt es alles...

[0:50]
Naja als wir angekommen sind und schon einmal gesehen haben, dass nicht alle Leute nur Schwarz getragen haben... Das ist auf jeden Fall schon ein großer Unterschied zum Wacken. Ich meine, wir lieben schwarze T-Shirts und Wacken, aber es ist total interessant auf einem vielseitigeren Festival zu sein. Und es ist ziemlich cool, dass wir auf beiden Festivals spielen können: auf Metal-Festivals, obwohl wir nicht wirklich Metal sind, und wir können auf Festivals wie dem Sziget spielen. Das ist das Beste von beidem. Aber das Sziget ist ein bisschen mehr das, das wir von Holland gewohnt sind. In Holland haben wir auch so vielfältige Festivals mit einem sehr unterschiedlichen Line-Up. In Deutschland sind Festivals doch eher der Szene angepasst - nicht das Hurricane, Highfield oder Southside Festival und Deichbrand, aber viele andere Festivals konzentrieren sich schon sehr auf ein großes Genre.


John Coffey gehen live richtig ab!  Quelle: facebook.com/johncoffeymusic

Ein Traum wurde wahr

Könnt ihr euch noch an das verrückteste Erlebnis bei einem Festival erinnern? Wo ihr selbst gespielt habt, oder das ihr nur besucht habt...

[1:57]
Das erste und einzige Mal war ich auf dem Rock Werchter Festival in Belgien. Das war eine unglaublich coole Erfahrung. Es war das 30. Mal, dass sie das Festival organisiert haben und da habe ich wirklich jede Band auf meiner Liste abhaken können an diesem einen Wochenende. Das Line-Up war wirklich der Hammer!

[2:36] Ich habe RAM, Metallica, Radiohead und Björk gesehen. Alle waren da und es war großartig! Ich war damals 18 [und bin ausgerastet].

[2:50] Und das Ding, wenn man in einer Band ist, ist, dass man wirklich dieser Teenager bleiben kann. Ich fühle mich zumindest immer noch so. Als Teenager sind wir auch oft aufs Lowlands Festival in Holland und als wir dann dort als Band spielen durften, ist ein Traum für uns wahr geworden. Als Teenager läuft man auf dem Festivalgelände herum und denkt sich: „Oh... Vielleicht passiert mir das auch eines Tages." Und wenn es einem dann wirklich passiert [und man auf so einem Festival spielen darf], ist das schon überwältigend. Und die Show war dann auch wirklich toll! Das zusammen war auf jeden Fall eine meiner besten Erfahrungen.


John Coffey beim Deichbrand Festival in Deutschland  Quelle: facebook.com/johncoffeymusic

Der epischste Stage-Dive

Ihr habt mittlerweile auch eine große Fanbase. Was ist denn das Verrückteste, das euch jemals ein Fan gegeben hat als Geschenk oder generell gemacht hat?

[3:33]
Wir haben in Russland gespielt und dort haben wir SO viel Zeug bekommen. Wir haben Zeichnungen, Schokolade mit unseren Gesichtern darauf bekommen und auch unser Logo aus Holz. Wir haben alles mögliche typisch russische bekommen, wie zum Beispiel die Matroschka, einen St. Petersburg-Löffel. Das war verrückt, was wir alles bekommen haben. Und wir haben das Mädchen nicht einmal gesehen. Sie war da, aber war irgendwie zu schüchtern, um es uns selbst zu geben, deshalb hat sie alles unserem Tourmanager gegeben. Aber das wirklich Verrückteste, das ein Fan jemals gemacht hat, war - ich weiß gar nicht, ob es ein Fan war... Aber vor ein paar Wochen waren wir auf dem Tschechischen Festival Mighty Sounds und es waren nicht allzu viele Leute vor der Bühne. Aber da war ein Typ, der auf die Barriere hinaufgeklettert ist und ohne zu zögern einfach ins Nichts gesprungen ist! Das war der epischste Stage-Dive, den ich je gesehen habe!


Epischer Stage-Dive eines Fans beim Mighty Sounds Festivals  Quelle: facebook.com/johncoffeymusic

Ein Haus für die, die ihres verloren haben

Vor einigen Monaten habt ihr ein Video zu eurem Song „No House For Thee" veröffentlicht. Ihr geht darin auf die Tragödien ein, die gerade in Europa passieren - besonders in Bezug auf Flüchtlinge. In eurem Facebook-Post habt ihr dazu geschrieben, es ist ein Aufruf für die Menschlichkeit. Wie wichtig ist es denn für euch sozialkritische und politische Statements zu geben?

[5:38]
Es ist kein politisches Statement. Es ist etwas, wobei wir das Gefühl hatten, dass etwas falsch läuft... Leute sterben und das sollte wirklich nicht sein! Wir können [die Situation] ändern - immerhin ist es „unser" Meer. Wenn wir Europa sind, dann ist das unser Meer. Und das, das da abgeht, geht uns etwas an - es betrifft uns. Deshalb haben wir uns gedacht, wir müssen das auch ansprechen. Weil, wenn man eine Reichweite hat, dann kann man auch etwas Gutes damit tun und wir hatten das Gefühl, dass es richtig war. Klar, ist man immer geschockt, aber man kennt die Bilder bereits. Ab einem gewissen Zeitpunkt, kommt man zu einem Level, wo man sich denkt: „Oh ja, das ist schrecklich!" Aber es berührt einem nicht wirklich... Bis man mit den Leuten redet und das hat uns wirklich beeindruckt. Wir haben einen syrischen Flüchtling aus einem Flüchtlingscamp in Holland kennengelernt und ihn gefragt, ob er bei unserem Musikvideo mitmachen will. Wir haben auch gefragt, ob noch weitere Geflüchtete mitmachen wollen... Und das sind die Geschichten, die einen wirklich berühren! Und das macht das Verlangen sich dazu zu äußern auch viel größer.


John Coffey - No House For Thee

Einfach mal Zuhause sein

Leider habt ihr auch eine Auszeit bekannt gegeben. Aber warum eigentlich?

[7:15]
Wir haben 15 Jahre lang gemeinsam Musik gemacht und sind wie wild herum getourt... Jetzt ist es einfach Zeit, um auch einmal etwas anderes im Leben zu machen. Man muss vertsehen, dass wir das hier 24 Stunden machen - E-Mails schreiben, Business-Zeug, touren, schreiben, ... Natürlich ist das etwas Gutes, weil man 100 Prozent geben muss, aber es ist definitiv kein typischer Job. Ich würde auch nicht sagen, dass mein Hobby zu meinem Beruf geworden ist, weil das ist es nicht. Ich habe die Musik schon immer zu ernst dafür genommen und es war mir schon immer zu wichtig, auch wenn nichts daraus geworden wäre. Ich habe es also nie als Hobby gesehen, aber es war ein unglaubliches Privileg. Aber es ist schön, jetzt dann auch einmal länger Zuhause zu sein.
Es gibt tausende Gründe, um weiterzumachen oder aufzuhören, aber am Ende des Tages hatten wir einfach dieses Gefühl... Und wir hatten alle dasselbe Gefühl. Wir haben uns angesehen und gefragt, ob wir ein weiteres Album machen wollten. Und wir waren alle der Meinung, dass wir einfach keines machen wollten. Danach waren wir alle so: „Okay... Das war ja einfach!" Wir sind Freunde und haben eine tolle Zeit und es ist noch nie besser für uns gelaufen und wird auch immer besser. Aber hey... Es wird komisch werden, weil es sich anfühlt, als ob man ein Stück deines Körpers abschneiden würde, ohne dass es fertig ausgewachsen ist, weil es gibt noch Zukunft [für die Musik von John Coffey]. Aber es ist unsere Band und wir können aufhören, wann immer wir wollen. Ich will es so, weil ich es will und wenn wir in ein paar Jahren wieder zusammenkommen wollen, dann werden wir das auch sehen...

 

Bis es allerdings soweit ist und John Coffey wirklich ihre Auszeit nehmen touren sie noch ein bisschen durch Europa und halten alles schön auf Facebook fest. Wie hier ihren Auftritt vom Sziget Festival:


John Coffey Aftermovie vom Sziget Festival und Taubertal Festival  Quelle: facebook.com/johncoffeymusic

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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M94.5 präsentiert
Donnerstag, 18. Oktober, 18 Uhr
M218 LMU Hauptgebäude
 
Munich Rocks!
Donnerstag, 18. Oktober 2018
 
Freitag, Samstag: 19./20. Oktober
 
Neuhauser Musiknacht
Samstag, 27. Oktober 2018
M94.5 Bühne @ Freiheizhalle

 

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