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Mr. Big im Interview

Geht raus und spielt!

Quelle: M94.5 | Oliver Strosetzki

Paul Gilbert und Billy Sheehan im Interview mit dem Magic Moshroom

Fünf Jahre Youtube ersetzen keine Bühnenerfahrung. Paul Gilbert und Billy Sheehan der legendären Hardrock Band Mr. Big reden Klartext.

Mr. Big ist eine dieser Bands, deren Überhit "To Be With You" und ihr Cat Stevens Cover "Wild World" wirklich jeder kennt. Was viele aber gar nicht wissen ist, dass hinter den Songs ausgebuffte Hardrocker stecken, die ihre Instrumente bis zur Perfektion beherrschen und dabei auch mächtig Gas geben können.

Denn schon seit 1988 stehen Mr Big nun, abgesehen von einer siebenjährigen Pause, nicht nur für Schmuse und Akustiknummern, sondern auch für handfeste Riffs und Soli von einem anderen Stern. Dieses Jahr haben sie ihr mittlerweile neuntes Studioalbum Defying Gravity veröffentlicht. Während ihrer Europatour haben sie natürlich auch Halt in München im Backstage gemacht. Der Magic Moshroom hat sich mit Gitarrist Paul Gilbert und Bassist Billy Sheehan vor dem Konzert zum Interview getroffen.

Hallo Billy, hallo Paul! Erst einmal Willkommen in München und vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Obwohl ihr das letzte Mal 2011 mit Mr. Big in München gespielt habt, ist es heute schon der siebte Auftritt den ihr hier spielt. Was genau assoziiert ihr mit der bayerischen Hauptstadt?

[00:14]

Billy: Wann immer wir hier sind, haben wir eine richtig gute Zeit. Natürlich gutes Essen, leckeres Bier und uns besuchen auch ein paar gute Freunde, die heute Abend auch zum Auftritt kommen! Darauf freuen wir uns natürlich ganz besonders und sind froh, wieder zurück in München zu sein.

Paul: Ganz genau! Wir haben jedes Mal eine großartige Zeit hier, besonders da es momentan eine richtig gute Tour ist. Es kommen mehr Leute als sonst auf unsere Konzerte und wir sind jetzt auch schon länger unterwegs. Wir waren bisher nicht nur in den Vereinigten Staaten und Südamerika sondern auch in Japan und Asien, deshalb ist die Band gerade richtig gut eingespielt. Wir kennen unsere Songs und es macht einfach Spaß dort raus zu gehen. Ich habe im Moment auch das Gefühl, dass Mr. Big gefragter ist denn je.

Qualität statt Quantität

Ihr habt euer Album „Defying Gravity“ in genau sechs Tagen im Studio aufgenommen. In der Zeit hätte so manche Band es nicht einmal geschafft einen einzigen Song einzuspielen. Abgesehen von der Vorproduktion, bleibt dabei noch Zeit für Kreativiät?

[01:16]

Billy: Wir sind auf Abruf sehr kreativ. Jeden Abend, wenn wir auf der Bühne stehen improvisieren wir sehr viel. Ich glaube, wir spielen keinen einzigen Song jemals zweimal gleich, es ist immer anders. Im Studio ist es eigentlich auch so, da hat man ja genau so wenig Zeit und wir waren schon wirklich oft im Studio. Sei es mit Mr. Big oder mit anderen Projekten. Insgesamt haben wir hunderte von Stunden im Aufnahmeraum verbracht. Man kann also sagen, dass wir dort wirklich in unserem Element sind und sogar in noch kürzerer Zeit ein Album entstehen lassen können. Ich habe so manches Album schon an einem einzigen Tag aufgenommen und ich bin mir sicher, Paul, dass es dir schon ähnlich erging. Sechs Tage waren also genau das richtige Maß an Zeit, da wir so schnell bleiben mussten und eine gewisse Dringlichkeit und Aufregung verspürten, die sich meiner Meinung auch genau auf dem Album widerspiegelt.

Paul: Ich habe den Aufnahmeprozess und das Ergebnis wirklich sehr genossen. Okay, davor war ich etwas nervös, aber als wir dann losgelegt und angefangen haben Musik zu machen, alles im Zeitplan lag und eine großartige Band mit einem hervorragendem Produzenten, Kevin Elson, stand, lief eigentlich alles hervorragend. Ich bin absolut zufrieden damit.

"Wir sind alle Fans von klassischem Songwriting"

Die berühmtesten Songs von Mr. Big wie "To Be With You", das Cover von Cat Stevens "Wild World" oder "Just Take My Heart" sind Arrangements, bei denen der Fokus eher auf Songstruktur und Emotionen liegt als darauf, mit technischen Fertigkeiten anzugeben. Was glaubt ihr ist das Geheimnis hinter diesen Songs?

[03:44]

Paul: Nun, sie sind einfach gute Songs! Sie haben eine gute Message, die Texte ergeben Sinn, berühren den Zuhörer auf einer emotionalen Ebene und sind von einem großartigen Sänger vorgetragen. Selbst die Songs, die überhaupt keine technische Note haben, wenn man es so nennen mag, sind immer noch einfach gute Songs, die in sich stimmig sind. Wir sind alle Fans von klassischem Songwriting, wie zum Beispiel bei den Beatles, und so vieler anderen hervorragenden Bands und dessen Songs. Manche Leute verlieren sich einfach in dieser technischen Geschichte, das ist letzten Endes aber nur ein sehr kleiner Aspekt von dem, was wir wirklich machen. Für uns steht der Song immer ganz klar im Mittelpunkt und das Technische kommt eigentlich immer erst später als eine Art Bespaßung, die wir dem Song am Schluss hinzufügen. Aber er funktioniert davor schon als Song, bei dem man mitsingen kann und die Leute Spaß haben.

Also würdest du sagen, dass ihr die technische Ebene dann eher als eine Art Bonus hinzufügt, oder kommt es einfach auf die Situation an?

Paul: Es kommt wirklich auf den Song an. Wenn er etwas Spannung braucht können wir das natürlich machen, aber manchmal ist es ein schlichter Song, dann ist das auch in Ordnung. Manchmal hat ein einfach gestrickter Song aber auch einen sehr schönen, melodischen Instrumentenpart, das kriegen wir selbstverständlich auch hin. Zum Beispiel das Gitarrensolo in "To Be With You" ist ein großartiges Solo. Es ist zwar schlicht, aber ich finde, dass es das perfekte Solo für den Song und auf unnachahmliche Weise eingespielt ist. Ich würde sogar so weit gehen, die meisten Gitarrenspieler herauszufordern, das Solo genauso auf den Punkt zu spielen, obwohl es ja nicht einmal schnell ist.

Es muss nicht immer ausgefuchst sein

Genau so wie bei ACDC. Zuerst denkt man, dass die Songs wirklich leicht zu spielen sind, dabei sind sie sogar ziemlich schwer auf den Punkt zu bringen.

Billy: Beides, eigentlich! Manchmal kann ein einfacher Song schwer zu spielen sein oder ein komplizierter Song dafür leicht sein. Es läuft irgendwie nie auf dasselbe hinaus, meistens ist es sogar genau das Gegenteil davon. Es kommt einfach auf den Song, den Moment, oder was auch immer, an. Da gibt es keine Universalregel.

Paul: Ganz genau. Ich hoffe immer, dass ich nicht darüber nachdenken muss, ob ein Song überhaupt schwer ist oder nicht. Deswegen höre ich ja auch nicht Musik. Ich denke mir ja nicht, „oh, ich mag diesen Beatles Song mehr als den anderen, weil der hier schwieriger ist“. Weißt du was ich meine? (lacht) Das ist nicht der Grund, wieso ich Musik so genieße. Aber weil Billy und ich schon so viel miteinander gespielt haben, ist durchaus eine Art athletische Komponente vorhanden, die Spaß machen kann. Ich schaue zum Beispiel auch gerne die olympischen Spiele an und das nicht unbedingt gerade aus musikalischen Gründen. Es ist einfach wundervoll zu sehen, zu was der Körper alles imstande ist. Obwohl ich zwar in der Lage bin, hier und da beeindruckende Sachen hinzulegen, bin ich im Grunde doch ein Musiker. Aber wenn ich es etwas aufpeppen und anheizen kann, wenn es einen Songpart gibt, der etwas mehr Spannung braucht, dann werfe ich gerne etwas ein, was die Leute verzückt. Aber komisch, diese Frage wird uns wirklich oft gestellt und es ist wirklich schwer darauf zu antworten, weil ich so gar nicht denke. Es stellt sich mir nicht die Frage, ob ein Song schwer ist oder nicht, sondern eher, ob er mir gefällt, ich Spaß daran habe und er eine schöne Melodie besitzt. Wenn mir ein Song zu schwer ist, will ich ihn eigentlich nicht erst spielen, weil ich ja sonst gar keinen Spaß daran habe. Eigentlich will ich, dass jeder Song leicht ist. (lacht)

"Geht lieber mit eurem Drummer und Bassisten in die Garage"

Heutzutage lernen ja viele Musiker ihre Instrumente per Youtube und legen in ihren eigenen Videos dabei unglaubliche Leistungen auf ihrem Musikinstrument hin. Wenn es dann aber darauf ankommt, sind sie nicht einmal in der Lage die Rhythmusgitarre zu spielen, oder den Groove in einer Band aufrecht zu halten. Worin liegt eurer Meinung nach der Unterschied zwischen den Musikern zu der Zeit als ihr angefangen habt in einer Band zu spielen und denen von heute?

[08:11]

Billy: Wir haben angefangen, als wir in einer Band gespielt haben. Wir sind nicht Zuhause in unserem Schlafzimmer gesessen und haben uns Videos angeschaut. Wir konnten zwar nicht wirklich gut spielen, haben es aber trotzdem in eine Band geschafft. Wir haben unser Handwerk also auf der Bühne gelernt, in dem wir vor Leuten gespielt und Songs performed haben. Wir sind also nicht daheim rumgesessen und haben 50 Skalen auswendig gelernt, sondern die Songs von den Stones, The Who, The Beatles und Led Zeppelin einstudiert. Und so haben die auch ihre Songs damals gelernt. Jetzt haben wir eine ganze Generation von Leuten die nicht mehr auf diese Art und Weise lernen und deshalb auch nicht diese künstlerische Tiefe besitzen und auch nicht das Verständnis dafür haben. Die Beatles oder Led Zeppelin haben einfach jeden Abend live gespielt. Ich bin mittlerweile bei über 4000 Auftritten angelangt, vielleicht sogar 5000. Ich habe eine Menge gespielt und bei Paul sind es auch mehrere Tausend. Das ist einfach am allerwichtigsten. Ich kann junge Musiker nur davor warnen zuhause zu sitzen und über Youtube zu lernen. Geht lieber mit eurem Drummer und Bassisten in die Garage und schafft euch dreißig Songs drauf. Ihr werdet garantiert bessere Musiker als mit fünf Jahren Youtube.

Paul, fällt dir das als Gitarrenlehrer bei deinen Schülern auch auf?

Paul: Ja, auf jeden Fall. Natürlich ist jeder Schüler anders, aber dieser Trend ist definitiv vorhanden. Musik ist wie eine Sprache und ich finde man muss sie auf ähnliche Art und Weise lernen. Als kleines Baby drückt dir niemand ein Grammatikbuch in die Hand und zwingt dich die Substantive und Verben zu lernen. Du hörst den Leuten eher beim Sprechen zu und imitierst das Gehörte. Dann versuchst du deiner Mutter zu sagen „Gib mir Milch“ und denkst nicht über die Satzstruktur nach. Du willst einfach die Milch und gibst die Laute von dir, die dich dahin bringen. Deshalb fängt man ja an, mit Leuten zu kommunizieren. Für mich ist Musik letzten Endes das gleiche. Wenn man den ganzen Tag nur Musiktheorie paukt und die Zusammenhänge nicht versteht, dann kann man nicht kommunizieren. Ich habe meinen Onkel mal gefragt und er hat mir erzählt, dass er die ersten zwei Akkorde von Louie Louie (The Kinks) gelernt hat und er einfach nicht auf den dritten Akkord gekommen ist. Aber er wollte unbedingt etwas spielen, also hat er einfach seine Finger an beliebige Bünde gelegt und ausprobiert. Es klang zwar nach krzzz krzzz, aber der Rhythmus war genau richtig (lacht). Aber er hat es durch den Song geschafft und schließlich den letzten Akkord sogar gefunden. Ich fand das wirklich großartig und er ist ein fantastischer Musiker.

Vielen Dank für das Interview und dass ihr euch die Zeit genommen habt.

 

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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M94.5 präsentiert
Donnerstag, 18. Oktober, 18 Uhr
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Freitag, Samstag: 19./20. Oktober
 
Neuhauser Musiknacht
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