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J. Bernardt im Interview

Gewollt widersprüchlich

Autor(en): Viktor Schacherl am Montag, 16. April 2018
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Quelle: M94.5

J. Bernardt in der Roten Sonne

J. Bernardt über die Entstehung seines Albums, die Wichtigkeit seinen Sound zu verändern, die Rivalität zu Warhaus und die Zukunft von Balthazar.

Kurz vor seinem ausverkauften Konzert in der Roten Sonne sitzt Jinte Deprez alias J. Bernardt in einem Backstageraum, der gefühlt nicht größer als ein Kleiderschrank ist – eine Bierbank passt gerade noch rein. Die Wände sind schwarz lackiert und in der Ecke flimmert eine einsame Glühbirne. Alles eher schummrig, zwielichtig und nicht gerade das luxuriöse Leben eines Popstars. Aber naja, mehr oder weniger so wollte es der Belgier.

Mit seiner Band Balthazar war alles ein bisschen zu groß geworden. Insgesamt habe sie drei Alben veröffentlicht, die heimischen Charts gestürmt und auch europaweit haben sie unzählige Herzen von Indieliebhabern gewonnen. Schnell waren die kleinen, intimen Shows Vergangenheit und die Produktionen immer komplexer und größer. Die Band war sich einig: Sie wollte eine Pause einlegen.

Der andere Mann bin ich

Als Solokünstler wollte Jinte eine ehrliche Platte produzieren. Nur er und seine Instrumente. Herausgekommen ist sein Debütalbum Running Days, das Balthazar-Fans so wohl nicht erwartet haben. Sehr elektronisch ist es geworden, eher inspiriert von Soul und RnB.

„Es war mir sehr wichtig, mich klanglich zu verändern. Ich wollte keine Balthazar-Musik schreiben – die hätte ich ja für Balthazar verwenden können.“ Auch ein bisschen poppig ist es geworden. Und das, obwohl Jinte behauptet hat, von Mainstreamkultur gelangweilt zu sein. Ein bisschen widersprüchlich möchte man meinen, aber für den Belgier ist das ganz logisch: „Ich bin Musiker. Es ist mein Job, widersprüchlich zu sein.“

Die Veränderung des Sounds hat sich auf alle Fälle gelohnt, seine Musik kommt gut an und sein Song „The Other Man“ wurde von M94.5 sogar zum Song des Jahres 2017 gekürt. Es ist ein Titel, der für Jinte eine besondere Bedeutung hat. „Mir hat noch ein Schlüsselsong für das Album gefehlt. Herausgekommen ist dann eben dieser Dialog mit mir selbst. Der andere Mann bin ich“.

Belgische Harmonie und künstlerisches Davonrennen

Mit Warhaus ist auch der zweite Balthazar-Frontmann mit einem eigenen Solo-Projekt unterwegs. Die Vermutung, dass eine gewisse Rivalität zwischen den beiden existiert, liegt nahe. „Mir wurde gesagt, wir sollen behaupten, dass wir uns hassen. Das verkauft sich besser. So wie bei den Oasis-Brüdern.“ Aber nein, man ist nicht neidisch, sondern stolz aufeinander.

Passend dazu lässt Jinte durchsickern, dass Balthazar heimlich, still und leise ein neues Album geschrieben haben. Wenn alle Nebenprojekte fertiggetourt haben, werden sie sich an die Aufnahmen machen. Anschließend soll es wieder ein Soloalbum geben. Ein Ende ist also noch lange nicht in Sicht. Der Albumtitel Running Days wurde nicht zufällig gewählt. Mit einem Grinsen bestätigt er: „Ich laufe von allem davon.“ So wird sich J. Bernardt wohl immer weiter an die schummrigen Backstageräume gewöhnen.
 

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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