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Magic Moshroom

Hohe Kunst mit Gummihuhn

Quelle: Boing Music LLC. | Michael Mesker

The Aristocrats v. l. n. r.: Marco Minnemann, Brayn Beller, Guthrie Govan

Wieso ein Gummihühnchen den Kontakt zu den Fans erleichtert? Das erfahrt ihr im Interview mit Aristocrats-Drummer Marco Minneman.

Ja, es gibt sie noch, die berühmt-berüchtigten Supergroups wie Cream, die Travelling Wilburys oder Them Crooked Vultures. Berühmt-berüchtigte Bands, bei denen jeder einzelne Musiker schon eine Größe für sich ist und alleine schon eine Konzerthalle füllen könnte. Bei dem instrumentalen Jazz-Fusion-Rock-Trio The Aristocrats treffen mit Gitarrist Guthrie Govan, Bassist Bryan Beller und Schlagzeuger Marco Minnemann echte Schwergewichte der Studiomusiker-Szene aufeinander. Guthrie Govan war zum Beispiel sogar schon mit dem berühmten Filmkomponisten Hans Zimmer auf Tour, während Marco Minnemann bereits für Steven Wilson und Joe Satriani in die Felle gehauen hat. Aber auch Bassist Bryan Beller gehört neben seinen beiden Kollegen zu den ganz großen Koryphäen der Profimusiker-Szene, die nur allzu gerne für prestigeträchtige Projekte gebucht werden.

Seit 2011 haben sich die drei Musiker unter dem Namen „The Aristocrats“ zusammengefunden und begeistern ein großes Publikum mit Instrumentalmusik wie von einem anderen Stern. Aber sie wissen nicht nur durch ausgefallene und virtuose Kompositionen und Darbietungen zu überzeugen, sondern lassen in ihre Konzepte auch jede Menge Humor und Wahnsinn einfließen. So kann es durchaus vorkommen, dass in Songs wie „Erotic Cakes“ das Intro mit einem Gummihuhn bestritten wird. Aber auch so nehmen sich die drei Musiker nicht allzu ernst und suchen den Kontakt zum Publikum. Der M94.5 Magic Moshroom hat vor ihrem einzigen Deutschlandkonzert im Münchener Strom mit Drummer Marco Minnemann telefoniert und sich mit ihm über die Rolle von Humor, aber auch über das Songwriting bei einer hochqualifizierten Band wie den Aristocrats unterhalten.

"Ihr da unten seid leise und hört uns zu!"

Ihr setzt viel Humor bei den Aristocrats ein, das fängt mit Plastikhühnern auf der Bühne an, über Songs wie „Kentucky Mead Shower“, „Sweaty Knockers“ oder „I Want a Parrot“. Welche Rolle spielt für euch Humor in der Musik?

Ich denke, dass das ganz automatisch passiert. Wenn wir im Tourbus sitzen und unterwegs sind, dann ist das unser gemeinsamer Nenner, damit man Spaß auf Tour hat. Wir unterhalten uns über die ganzen Sachen und bringen das dann natürlich auch in unsere Musik mit rein. Teilweise auf humoristische, teilweise auf sarkastischer Art, aber immer zugunsten der Musik. Wir nehmen uns einfach nicht so ernst und das ist, denke ich, auch wichtig für die Kommunikation zwischen uns und unserem Publikum. So soll kein Graben entstehen, der unterstreicht, dass wir die Künstler auf der Bühne sind und „ihr da unten seid leise und hört uns zu.“ So ist das nicht gemeint, jeder soll daran Spaß und teilhaben.

Gibt es Leute, die euren humoristischen Ansatz mit einer mangelnden musikalischen Ernsthaftigkeit gleichsetzen?

Nein, es ist ja nicht so, dass wir eine Komikergruppe sind. Das ist definitiv nicht der Fall. Wenn man sich unsere CDs anhört und auf die Konzerte kommt, dann ist der Humor eigentlich nur in Ansagen, die auf den Songtitel hinweisen und mit einer humoristische Story verbunden sind. Aber wenn wir spielen und die Songs auf der Bühne performen, dann setzen wir uns keinen Kasperlhut auf. Da konzentrieren wir uns natürlich auf die Musik, damit die gut gespielt wird. Das nehmen wir dann sehr wohl ernst! Letzten Endes sind es ein paar Passagen, die entertainermäßig rüberkommen. Wenn wir zum Beispiel mal irgendwo in der Türkei an der Raststätte ein Plastikhuhn und in Italien ein Plastikschwein gefunden haben und sie beim Soundcheck auf die Bühne mitgenommen haben. Da haben sich die Leute alleine schon kaputt gelacht und wir dachten, dann machen wir das doch auch abends beim Konzert. Das lockert das Ganze aber natürlich auch ein bisschen auf. Besonders wenn man eben die ganze Zeit sehr viele Noten und komplexe Passagen hört, dann kann das irgendwann mal sehr ermüdend werden. Ich denke deshalb, dass da eine gesunde Balance gefunden werden muss. Deswegen sind solche Showeinlagen vollkommen okay.

Menschliche Sympathie als Bonus

Was bei euch besonders auffällt, ist die positive Stimmung untereinander auf der Bühne. Würden die Aristocrats auch ohne diese freundschaftliche Komponente funktionieren?

Wir verstehen uns sehr gut und kennen uns auch schon seit einer geraumen Zeit. Aber dass wir jeden Tag zusammen ausgehen und zusammen Spaß haben ist natürlich nicht immer so. Es gibt ja auch ab und zu irgendwelche Probleme die diskutiert werden müssen, aber das hat ja jeder! Es läuft jetzt nicht alles total im Einklang, aber im Großen und Ganzen ist schon die spielerische Chemie bei uns ausschlaggebend. Die menschliche Komponente kommt dann noch oben drauf und das ist natürlich auch noch positiv. Aber ich denke, dass die spielerische Chemie die Aristocrats besonders ausmacht und den ausschlaggebenden Punkt von der Band darstellt. Dass wir uns dann menschlich gut verstehen und den gemeinsamen Nenner haben, das kommt dann mit dazu.

Es kommt auf jeden Fall sehr sympathisch rüber und man merkt auch, dass die Kommunikation untereinander auf der Bühne funktioniert.

Einiges ist natürlich sehr auskomponiert. Aber dann gibt es natürlich auch so Stellen, wo wir uns dann einfach herausnehmen zu improvisieren. Dann merken wir natürlich, dass wir zusammen sehr gut eingespielt sind. Da fallen dann manche Sachen teilweise wirklich einfach vom Himmel. Auf sowas lassen wir uns natürlich ein und denken uns dann „oh fuck, wo kommt denn das jetzt her?“ (lacht)

"Bei den Aristocrats sollte man schon wissen wie ein 15/16tel Takt funktioniert!"

Ihr seid ja alle drei auch Studiomusiker, habt auf unzähligen Alben mitgespielt und seid es gewohnt, euch nach musikalischen Vorgaben zu richten. Lasst ihr dann bei den Aristocrats alle Hemmungen fallen?

Ja und nein! Wir haben natürlich keine Restriktionen wenn wir mit den Aristocrats spielen, weil es ja unsere Band ist. Andererseits ist es ja so, dass jeder in unserer Band Songs schreibt. Wir haben ja die Übereinstimmung, dass auf jedem Album jeder die gleiche Anzahl von Songs hat und ins Album einbringt. Die schreiben wir dann alleine zuhause in unseren Studios, wodurch dann jeder von uns auch  sein eigener Produzent ist. Die Disziplin ist also vorhanden. Wir respektieren uns gegenseitig auch sehr und sehen es als unsere eigene Band, in der wir trotzdem machen können. was wir wollen, allerdings mit Einverständnis untereinander. Das verhält sich dann natürlich anders als mit Leuten, für die man praktisch Tourmusiker und „Gast“ ist. Insofern ist es dann natürlich auch selbstverständlich, dass wenn es hart auf hart mit irgendwelchen Zeitplänen kommt, die Aristocrats den Vorrang haben.

Wie ist es dann wenn drei Profimusiker aufeinandertreffen. Wird dann einfach drauflos gejamt oder steht die theoretische Diskussion im Vordergrund?

Mit dem Kopf gehen wir das nicht wirklich an. Die Songs müssen selbstverständlich gespielt werden, da sind dann natürlich auch einige Passagen dabei, die auch harmonisch und rhythmisch berücksichtigt werden müssen. Klar, wenn man bei Aristocrats spielt, dann sollte man schon wissen, wie ein 15/16tel Takt funktioniert. Theorie sollte da also schon mitgebracht werden. Aber ich sage immer, das ist wie das Alphabet zu lernen. Du denkst ja jetzt auch nicht mehr drüber nach, welche Buchstaben in dem Wort sind das du aussprichst, sondern du sprichst einfach. Für uns ist das, wie wir die Musik machen, einfach natürlich. Andere gehen zur Arbeit und wir eben auch (lacht). Da wird das dann nicht totdiskutiert oder analysiert, aber es wird auf jeden Fall bewusst gespielt. Das ist auch wichtig. Deshalb würde ich die Frage klar mit Jein beantworten. Theorie ist wichtig, wird auch diskutiert, aber jeder hat den Freiraum und darf sich den auch rausnehmen. Wir reden uns auch nicht in unsere spielerischen Fähigkeiten und Umsetzung rein. Das ist nämlich genau das Ding, wenn wir auf der Bühne stehen lassen wir uns mit Respekt einfach spielen. Da wird dann auch nicht weiter diskutiert und gesagt „hier, kannst du mal das so und so machen?“. Das gibt es bei uns so jedenfalls nicht, sondern funktioniert automatisch.

Vielen Dank für das Interview, Marco!

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