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Charlie Benante und Joey Belladonna im Interview

Könige unter sich

Quelle: M94.5

Charlie Benante und Joey Beladonna im Interview mit dem Magic Moshroom

Den Songeinstieg zu verpassen passiert auch den Besten. Schlagzeuger Charlie Benante und Sänger Joey Belladonna von Anthrax wissen wovon sie reden.

Anthrax haben es nicht immer leicht gehabt. Ein unerbittliches Personenkarussell, Missmanagement und private Schicksalsschläge sorgten für ein ständiges Auf und Ab der Thrash-Legenden im Musikbusiness. Erst als Gesangstalent Joey Belladonna 2011 anlässlich der Big Four Tour mit Genrekollegen Metallica, Megadeth und Slayer - nach seinem unfreiwilligen Ausscheiden - wieder zur Band stieß, wendete sich das Blatt für Anthrax.

Mit ihrer aktuellen Tour promoten sie nun nicht nur ihr elftes Studioalbum For All Kings, das vor genau einem Jahr erschien, sondern zelebrieren auch den dreißigsten Jahrestag ihres bis dato einflussreichsten Albums Among the Living. Um das Jubiläum nun gebührend zu feiern, spielen Anthrax das gesamte Album auf ihrer Among the Kings Tournee. Dabei gaben sie sich auch am 25. Februar in München die Ehre.

Der Magic Moshroom hat die Gunst der Stunde genutzt und sich vor dem Konzert mit Drummer Charlie Benante und Sänger Joey Belladonna getroffen. Obwohl auch ernste Themen angesprochen wurden, ist der Humor definitiv nicht zu kurz gekommen.

Hallo Joey und Charlie und herzlich willkommen in München. Was habt ihr als erstes gemacht, als ihr heute in München angekommen seid?

[00:07]

Joey: Ich bin aufgewacht und in diesen Raum gekommen.

Charlie: Ich habe Miso Soup (japanische Suppenspezialität) gegessen. (lacht)

Also seid ihr den Tag wohl eher etwas entspannter angegangen.

Joey: Ach, eigentlich hat hier gleich der Bus geparkt und wir sind hier geblieben. Normalerweise verlassen wir auch nicht den Veranstaltungsort.

Charlie: Wir bleiben gerne in der Nähe, für den Fall, dass wir irgendwie gebraucht werden, wie zum Beispiel für Interviews.

Euer ehemaliger Gitarrist Dan Spitz hat Anthrax ja verlassen, um seine Karriere als Uhrmacher weiterzuverfolgen. Welchen Job hättet ihr, wenn ihr nicht bei Anthrax wärt?

[00:31]

Joey: Puh, ich habe echt keine Ahnung. Ich dachte immer ich würde mal etwas mit Sport machen. Hockey oder so, da war ich immer im Tor. Aber ich hatte keine Lust auf die ganze Collegegeschichte. Aber ich denke ich hätte so oder so etwas mit Bands am Hut gehabt. Musik war mir schon immer wichtiger als alles andere.

Wie schauts mit dir aus Charlie?

Charlie: Wäre bei mir derselbe Mist gewesen.

Joey: Du wärst doch Künstler geworden!

Charlie: Ja stimmt, Künstler hätte mir echt gefallen.

Was für Kunst hätte dir vorgeschwebt?

Charlie: Nudes! (Gelächter)

"Uns haben einfach die Erfahrung und die Weisheit gefehlt."

Im Laufe der Zeit hat sich viel bei Anthrax getan, besonders was den Lineup-Wechsel angeht. Joey, wie haben sich deine Beziehungen innerhalb der Band verändert, im Vergleich dazu bevor du die Band verlassen hast und nachdem du wieder zurückgekommen bist?

[01:11]

Charlie: Er ist jetzt besser im Tor. (Gelächter)

Joey: Es ist einfach besser geworden. Was sich verändert hat? Kann ich gar nicht sagen. Für mich fühlt es sich genauso an wie vorher, nur besser. Ein anderes Wort außer besser fällt mir gerade nicht ein. Es fällt mir schwer das anders zu bezeichnen. Hauptsache wir sind wieder zusammen.

Charlie: Ich glaube, damals waren wir noch jünger, etwas arroganter und uns haben einfach die Erfahrung und die Weisheit gefehlt die ein paar von uns jetzt haben. Ja ich sagte „ein paar“. Wir gehen die Sachen jetzt etwas erwachsener und nicht mehr allzu naiv an. So in etwa wie: „Ja, wir machen das jetzt so und basta!“. Meiner Meinung nach hat sich das jetzt auf jeden Fall verändert.

Joey: Ich denke aber auch, dass je mehr wir über die Jahre hinweg in der Band zusammen gespielt und Zeit verbracht haben, wir auch gelernt haben, wie wir die Dinge anders und auf jeden Fall besser angehen. Man lernt ja nie aus!

"Das ist der falsche Song!!!"

Also geht ihr jetzt alles etwas ruhiger an?

Charlie: Auf der Bühne auf keinen Fall! Die Show momentan ist ziemlich fordernd, da wir ja zwei Sets spielen, unter anderem das ganze Album (Among the Living), was ein ganz schönes Unterfangen ist. So langsam sind wir jetzt im Flow drin, aber heute Nacht habe ich einen ganzen Song vergessen. Ich bin dann gleich mit etwas anderem daher gekommen, schau so nach unten und wundere mich, wieso zum Teufel niemand mit einsteigt. Als ich wieder nach vorne Blicke, seh ich nur, wie die anderen mich ganz entgeistert anschauen und Scotts (Ian, Rhythmusgitarre) Blicke geradezu schreien: „Das ist der falsche Song!!!!“. (Gelächter)

Joey: Ja er ist ziemlich ausgeflippt. Ich hab gedacht, er lässt gleich die Gitarre fallen!

Charlie: Und ich dachte mir nur so "Ooooops!".

Wie erging es dir dabei, Joey?

Joey: Ach, ich habe einfach gewartet bis er sich wieder fängt. Deswegen macht es ja im Endeffekt auch so viel Spaß, wenn man nicht alles zu ernst nimmt.

Charlie: Das Publikum hat gelacht.

 

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Wenn der Gig zum Workout wird

Joey: Wir hatten schon die Reihenfolge innerhalb des Albums auf der Setliste geändert, dadurch wurde es etwas verzwickt. Ich musste auch schon immer ein paar mal auf die Setliste spicken, um zu schauen welcher Song als nächstes kommt. Ich mache das jetzt auch öfter, um sicher zu gehen, dass ich nicht mit dem falschen Song einsteige. Manchmal kommt mir auch Scott zuvor, wenn ich gerade etwas trinke und schreit rüber „I am the Law!“ und ich denk mir so: "Ja ich weiß!". Manchmal brauche ich halt nur ein bisschen, wenn ich da auf der dunklen Bühne stehe und etwas warte, aber das geht dir ja nicht anders oder?

Charlie: Wir haben drei Songs, die wir ohne Pause hintereinander durchspielen. Das lässt sich mit einem Workout vergleichen. Deswegen muss ich danach unbedingt etwas trinken und mir den Schweiß aus dem Gesicht wischen. Aber schon kommt Joey daher und schreit „Medusa!!“ und ich denk mir nur so: "Oh mein Gott! Warte doch!". (Gelächter)

Joey: Manchmal stehst du auf der Bühne und hast das Gefühl, dass du fünf Minuten für etwas brauchst, dabei waren es, wenn überhaupt, gerade einmal zwanzig Sekunden.

Charlie: So ist das eben, alles spontan und live!

Letztes Jahr habt ihr bei Opie Radio Songs von eurem neuen Album For all Kings in einer akustischen Version zum Besten gegeben. Wie habt ihr euch darauf vorbereitet, besonders diese rohe Energie der Songs auf ihre Ursprünglichkeit zu reduzieren? Und Charlie, du spielst sogar Gitarre!

[04:14]

Charlie: Wir hatten schon immer darüber geredet so etwas zu machen. Und dann sagten wir: "Packen wir's an!". Es sind einfach ganz andere Versionen der Songs und es macht Spaß da rauf zu gehen und sie intensiver zu spielen. Du darfst weniger Fehler machen, da es ja akustisch ist. Keine laute Verzerrung, keine Drums, sondern alles natürlicher und eben live.

Joey: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir das jemals mit der Band zuvor gemacht haben. Ich glaube nicht mal, dass wir überhaupt jemals mehr als eine, zwei Akustikgitarren im gleichen Raum hatten. Das sieht mein eigentlich nie bei uns. Deshalb war es auch das erste Mal für die Band, das wirklich jeder involviert war und die E-Gitarren verbannt wurden.

Anthrax können auch anders

Würdet ihr damit auch bei einem Konzert auftreten? Zum Beispiel zwischen den verschiedenen Sets?

Charlie: Ich würde es machen!

Joey: Ich kann mir gut vorstellen, dass es die Leute interessant finden würden. Wir sind ja nicht gerade eine Band die für Akustik in Frage kommt, da unsere Musik nicht gerade danach schreit. Aber es wäre schon ziemlich cool!

Charlie: Klar! Es ist einfach nochmal eine ganz andere Dynamik und auch eine andere Seite, die man von der Band kennenlernen kann. Das ist immer eine gute Sache. Wir können ja nicht immer nur "Ahhhhhh" machen.

"Sie haben mir das Wort im Mund herumgedreht!"

Charlie, du hast neulich mal in einem Interview gesagt, dass du das Fehlen von guter neuer Musik besorgniserregend (Anm. d. R.: "disturbing") findest. Wie denkst du darüber Joey?

[05:30]

Charlie: (geht dazwischen) Ich glaube gesagt zu haben, dass ich finde, dass das neue Disturbed-Album… (zögert) Oh mein Gott! (Gelächter) Sie haben mir das Wort im Mund herumgedreht!

Joey: Ach, es kommt immer darauf an, auf welches Genre man steht. Es gibt momentan immer noch wirklich gute Alben. Wahrscheinlich auch Zeug, von dem du schon gehört hast, ich aber nicht oder andersherum. Mittlerweile ist es einfach ganz anders wie Musik geschrieben wird, es kommt aber immer ganz darauf an, mit wem du darüber redest.

Charlie: Es klingt zwar böse, aber ich glaube, dass die Bands von heute nicht talentiert genug sind etwas Eigenes zu schreiben.

Joey: Wenn Bands heute an einem neuen Album arbeiten und sich dabei sogar Gedanken darüber machen, dann wissen sie trotzdem nicht, wo sie mit der Aufnahme hinwollen.

Charlie: Wenn wir jetzt hier so sitzen und du würdest uns fünf Lieder von fünf jüngeren Bands vorspielen die wir nicht kennen, dann würden wir vielleicht denken, dass sie ein und dieselbe Band sind.

Wirklich?

Charlie: Ich sagte "vielleicht!".

Joey: Außer du spielst wirklich total unterschiedliche Bands ab.

Charlie: Wenn ich jetzt zum Beispiel schwedische und norwegische Bands aus Skandinavien hernehme, kann ich definitiv den Unterschied hören. Ich rede eigentlich mehr über amerikanische Bands, die gleich klingen und einfach nur schreien. Das ist doch nichts… Wir sind durch damit, macht etwas Neues! (zögert) Du denkst wohl nicht so darüber?

1986, Sternstunde des Trash-Metal

Mir fällt es schwer, die ganze Thematik so stark zu bewerten und darüber zu urteilen.

Charlie: Nimm als Beispiel 1986 oder wann immer das auch war. Es gab Metallica, Slayer, Megedeth und uns. Wir haben mit Master of Puppets, Reign in Blood, Among the Living und Peace Sells (but who’s buying) vier Alben herausgebracht. Klingen die vier Alben gleich? (Kopfschütteln) Und darauf will ich hinaus.

Joey: Man kann hören wie unterschiedlich die Bands sind. Keine davon klingt wie die andere.

Charlie: Jetzt ist alles nur zusammengeworfen und man frägt sich: "Wer ist das? Ah, …okay.". Es gibt aber auch ein paar Bands, die ich wirklich überragend finde.

Zum Beispiel?

Charlie: Ghost sind unfassbar gut und auch Rival Sons. Das neue Suicide Silence Material gefällt mir auch sehr gut. Die Band Nails finde ich auch nicht schlecht. Aber das sind halt Bands, die ihren ganz eigenen Sound haben und wie keine andere klingen.

Metal schlägt zurück!

Heutzutage gibt es das Internet, wodurch wir die Wahl aus deutlich mehr Musik haben. Damals hatte man ja nur die Charts und musste in die Plattenläden gehen. Jetzt muss man nur ins Netz schauen und wird von Millionen von Bands erschlagen. Es sind einfach viel zu viele.

Joey: Ja das ist echt unglaublich.

Charlie: Aber was Heavy Metal betrifft ist es momentan echt großartig. Die Leute fangen wieder an zurückzublicken und entdecken ganz bestimmte Bands und Musik und denken sich dabei: "Wow, ich habe da ganz schön was verpasst!". Letzte Nacht hatten wir so ein junges Publikum, das war wirklich großartig.

Und heute hoffentlich auch.

Joey: Es ist einfach überwältigend, man bekommt ja im Endeffekt fast das gesamte original Lineup zu Gesicht. Oft kommt es ja auch vor, dass Bands, die man nach langer Zeit entdeckt, gar nicht mehr in der Ursprungsbesetzung unterwegs sind. Das ist auf jeden Fall ziemlich cool!

Vielen Dank für das Interview und dass ihr Euch die Zeit genommen habt!

 

 

 

 

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