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Zwei Hauptakteure der Neoklassik in den Kammerspielen

Konzertkritik: Hauschka & Frahm

Quelle: © Incubate Tilburg (Incubate Festival) bei flickr.com

Nils Frahm

Viele Besucher der Kammerspiele kamen für ein klassisches Klavier- konzert von Nils Frahm. Enttäuscht wurde niemand, doch überwältigt hat ein Anderer: Hauschka Man sah es ihnen an. Viele der Münchner Kammerspielbesucher kamen für ein klassisches Klavierkonzert von Pianist und Komponist Nils Frahm. Enttäuscht wurde niemand, doch überwältigt hat ein Anderer: Hauschka.

In der vergangenen Spielzeit haben sich die Münchner Kammerspiele für die Reihe „Popconcerts“ geöffnet, was sich auch im Publikum bemerkbar macht. Vermehrt strömen jüngere Menschen in das Herz der Münchner Theaterwelt. So auch am Freitag.

Der abgedunkelte Saal im Theater öffnet den Blick auf die Bühne, auf der ein Flügel und ein Drumset angestrahlt werden. Eineinhalb Stunden hat Hauschka im Vorfeld gebraucht, um sein Grandpiano mit Dingen wie Tischtennisbällen, Perlenketten, Schellenkränzen und anderen Kleinteilen zu präparieren, so dass beim Spielen die klassischen Sounds verschwimmen und neue Klänge entstehen. Seit einiger Zeit tourt er zusammen mit dem isländischen Percussionist Samuli Kosminen durch Europa. Das Duo wirkt entspannt, unaffektiert und authentisch. Zwei Künstler, die im Musikmachen ihre Vollkommenheit erleben.

Hauschka: Verständlichkeit trotz Komplexität

Was die Beiden musikalisch machen, scheint nachvollziehbar, als könne man verstehen, wie und wodurch der Klang auf der Bühne entsteht. Und dieser Klang ist so monströs, so eklektisch und energiegeladen, als käme er von einem 10-köpfigen Orchester. Tatsächlich aber präpariert Hauschka verschiedene Bereiche auf seinem Flügel so differenziert, dass eine Soundvielfalt entsteht, die ihm die Möglichkeit gibt mit nur einem Instrument mehrere auszudrücken.

Kosminen imponiert weniger durch Lautstärke, als durch den bewussten Einsatz der Sticks als Ergänzung zum Hauschka’schen Sound. Dieser entscheidet über den Verlauf der Lieder und Kosminen reagiert, nimmt je nach Stück Druck raus, um diesen später wieder aufzubauen. Für den Zuschauer ist dieses Konzert wie eine Reise, die man gerne beginnt, mit Vorsicht und oftmals Unsicherheit und je länger sie fortschreitet nur noch sehr ungern beendet.

Zweiter Akt: Nils Frahm

Nach einer halbstündigen Pause blickt der Zuschauer auf eine neu arrangierte Bühne. Dort wo das Drumset stand steht nun der Flügel und dessen alter Platz wird durch ein Klavier und E-Piano eingenommen. Die Anordnung der Tasteninstrumente ist so verwinkelt, dass man sich als Zuschauer fragt wie oft sich der Künstler beim Instrumentenwechsel wohl das Knie anschlägt. Doch Nils Frahm läuft, nein schwebt gekonnt zwischen Flügel, E-Piano und Klavier hin und her, spielt teilweise zwei Instrumente gleichzeitig.

Eine Nebelmaschine hüllt den Boden der Kammerspielbühne in ein unheimliches Gewand, während sich Frahm über einen Synthesizer beugt, Knöpfe dreht und Sounds produziert, die man eher von einem Jamie XX in der Roten Sonne vermuten würde. „Warum stehen hier so viele Klaviere, wenn der nur an Knöpfen dreht?“ hört man eine Frau in der vorderen Reihe sagen. Die Gesichter wirken verstört. Das hatte man nicht erwartet, bleibt Frahm normalerweise dem klassischen Klavier viel eher treu als Hauschka.

Doch: nach einem pompösen Intro setzt er sich an den Flügel und imponiert durch die Pianokunst, wegen derer viele sich ein Ticket im Vorverkauf gesichert hatte. Dabei ist er so in seinem Element, in seiner Welt, dass es scheint als vergesse er das Publikum im Saal. Die einzelnen Lieder werden teilweise so stark in die Länge gezogen, dass die Aufmerksamkeit der Zuschauer gefordert, fast strapaziert wird.

Repetieren als Stilmittel?

Das ständige Wiederholen verschiedener Themen im Lied oder auch das Ausreizen bestimmter technischer Fähigkeiten am Klavier führt zu einer Art Trance, die den Zuschauer in einen fast hypnotischen Zustand versetzt. Frahm zeichnet sich vor allem durch rhythmische Genauigkeit und Timing aus, wodurch der Eindruck entsteht, dass die Redundanzen in den verschiedenen Songs ganz bewusst eingesetzt werden, um bestimmte Emotionen beim Zuschauer hervorzurufen. Auch wenn diese nicht immer positiver Natur sind - vereinzelt verlassen überforderte Gäste den Saal.

Doch weder Timing noch technische Begabung führen dazu, dass Frahm experimentellere oder progressivere Musik gestaltet. Vielleicht will er das auch gar nicht. Immerhin verleihen ihm bekannte, eingängige Harmonien und Popstrukturen Erfolg. Und das steht ja bekanntlich für sich.

Wer das Konzert in den Kammerspielen verpasst hat, kann Hauschka am Mittwoch, den 27. März 2013 live im Radio hören.
Im Rahmen des Projekts Austauschradio von U21 und M94.5 wird er in der Sendung zwischen 21 und 22 Uhr zu Gast sein.



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