Am 16. November 2014 sind die Granden des nicht-massenkompatiblen Anti-Pop in der Muffathalle zu erleben
Live: Einstürzende Neubauten
Vom improvisierten Lärm über die Theaterbühnen in die Kulturgeschichte deutschsprachiger Musik: Die Einstürzenden Neubauten sind Kunst.
Vom improvisierten Lärm über die Theaterbühnen in die Kulturgeschichte deutschsprachiger Musik: Die Einstürzenden Neubauten sind Kunst.
Es gab eine Zeit, in der Berlin noch nicht die arm-aber-sexy Hauptstadt Deutschlands war. Vor der Wende war die westliche Hälfte der geteilten Stadt vor allem ein dreckiger Exilort für Wehrdienstflüchtlinge und der ultimative Anlaufpunkt der Hausbesetzerszene. Junge, rebellische Kreative aus allen Ecken Deutschlands sammeln sich da, eingesperrt hinter einer Mauer, umgeben vom „real existierenden Sozialismus“, den Erich Honecker 1971 ausgerufen hatte.
Industrial aus West-Berlin
In diesem West-Berlin finden sich 1980 zwei Männer und zwei Frauen, die keine Musik, sondern Krach mit Zutaten aus dem Baumarkt machen. Das ist keine Pop-Musik, das ist kein Punk, das ist... - ja, was eigentlich? Die Bravo lässt die Neubauten eine Zeit lang unter Neue Deutsche Welle laufen, ehe NDW zum reinen Mitgröhl-Pop wird. Tatsächlich kann die Frage nach dem Genre auch beinahe 35 Jahre später nicht beantwortet werden, obwohl sich nicht nur musikalisch, sondern auch personell einiges getan hat: Aus der Originalbesetzung bleiben nur Sänger Blixa Bargeld und Perkussionist N. U. Unruh dem Projekt treu.
Internationaler Erfolg trotz gewollter Untauglichkeit für die Masse
Die unsachgemäße Verwendung von Bohrmaschine und Hammer wird mit intellektuell anspruchsvollen Texten und beinah blasierter Anti-Attitüde veredelt. Die abgeklärte Zurückhaltung von Blixa Bargeld tut ihr Übriges - bisweilen glaubt man, dass der Frontmann mit der heiser-tiefen Stimme die absolute Weisheit besitzen könnte. Damit finden die Einstürzenden Neubauten ihre Fans. Vermutlich auch, weil der Sound über die Jahre etwas gefälliger wird: weniger Industrial, dafür ein bisschen Melodie – Frontmann Blixa Bargeld spielt nicht umsonst Gitarre in Nick Caves Band. Was die Neubauten produzieren, läuft allerdings immer unter „experimentell“ und „avantgardistisch“, weil niemand weiß, wie man es sonst nennen könnte. Auch ohne passendes Etikett stellt sich internationaler Erfolg insbesondere in Japan und den USA ein. Neben Kraftwerk und Rammstein sind sie die wohl bekannteste deutschsprachige Band und beeinflussen große Namen wie Depeche Mode oder Marilyn Manson.
Der Wechsel von der Konzert- zur Theaterbühne ins Museum und wieder zurück
Dass die Neubauten so erfolg- und einflussreich sind, liegt auch daran, dass ihnen die Bühne schnell zu klein wird. Sie werden Teil von Kunstprojekten, Filmen und Theaterinszenierungen. Auch da finden sich wieder die großen Namen: Wim Wenders, Peter Zadek, Heiner Müller. Die Musik wird in den 00er Jahren ohne Plattenfirma, stattdessen - damals innovativ - mit Unterstützung der Fans produziert. Heute stehen die Neubauten nicht mehr mit Schwingschleifern und Stahlträgern auf der Bühne, aber immer noch mit einigermaßen ungewöhnlichem Gerät. Gelegentlich singt Blixa Bargeld auch englisch, eine Kulturinstitution ist die Band geblieben: Das Goethe-Institut hat sie beauftragt, der Welt das West-Berlin der 80er Jahre zu erklären. Die Ausstellung gastiert 2015 im Haus der Kunst in München.
Für ihr neues musikalisches Werk nutzten die Neubauten fast 100 Jahre alte Tonbandaufnahmen von Gesprächen mit Gefangenen des Ersten Weltkriegs. Lament heißt das Ergebnis, genau wie die dazugehörige Tour. Am 16. November lassen die Einstürzenden Neubauten die Wände im Muffatwerk wackeln. Präsentiert wird das Konzert von M94.5.
Einstürzende Neubauten live in der Muffathalle
Am Sonntag, 16. November 2014
Tickets: 33 Euro zzgl. Gebühren im Vorverkauf, 40 Euro an der Abendkasse
Einlass: 19.30 Uhr
Beginn: 20.30 Uhr
präsentiert von M94.5