Sigur Rós im Zenith
Konzerte von Sigur Rós sind immer ein besonderes Erlebnis. Am Samstag hat die Band das Zenith zu ihrer ganz eigenen Klangwelt gemacht.
Bei der Ankunft am Zenith schauen sich viele Besucher erst einmal verwundert an: Leise wummernde Bässe und experimentell-elektronische Musik sind schon weit vor der Halle zu hören. Der Sound macht Lust auf mehr, klingt aber zunächst nur bedingt nach den Nordlichtern für die heute alle in den Münchner Norden gekommen sind: Sigur Rós.
Drinnen wird dann klar warum der Sound noch nicht so recht zum Stil der Isländer Band passt: Noch steht der Voract Blanck Mass auf der Bühne. Benjamin John Power, Gründungsmitglied der Drone-Band Fuck Buttons, versucht sich aktuell solo an neuen elektronischen Herausforderungen. Doch heute Abend interessiert das leider so gut wie keinen. Zu monoton sind seine Stücke, zu wage die langgezogenen Klangexperimente. Der Großteil des Publikums ignoriert ihn daher weitestgehend und freut sich auf das, was noch kommen wird.
Nach einer halben Stunde Umbaupause ist es dann soweit – die Band um Sänger und Gitarrist Jónsí betritt die Bühne des Münchner Zeniths, umgeben von unzähligen flackernden Glühbirnen und einer großen Leinwand. Sogleich schlägt Sigur Rós eine Welle der Begeisterung entgegen. Was auf Platte schon bombastisch klingt wächst live zu noch Größerem heran. Es gelingt Sigur Rós wie wohl kaum einer anderen Band den Instrumenten und Tönen eine neue Bedeutung zu geben – die Gitarre wird mit dem Cellobogen gespielt und Jónsi schafft es in seinem Falsettgesang die Töne teilweise über eine Minute lang zu halten. Es gelingt den Isländern durch ihre unglaubliche Experimentierfreudigkeit eine Fusion aus Rock und Klassik zu erschaffen. Live sind Sigur Rós mittlerweile zu einer 11-köpfigen Band herangewachsen, mit weniger Musikern wäre die komplexe Musik schlicht nicht mehr umsetzbar.
Das wohl größte Talent der Band, das die Liveshow so packend werden lässt, ist die dichte Mischung aus entschleunigten, zarten Momenten - in denen das Publikum trotz seiner Begeisterung fast völlig schweigt um den Moment zu genießen - und den orchestralen Ausbrüchen, die so präzise und gewaltig instrumentiert sind, dass man glaubt, der Sound könnte einen erschlagen.Auf der Leinwand wird das Konzert passend untermalt: Unterwasserballett, Grashalme, die sich im Wind biegen und Funken, die wie wild über den Köpfen der Band sprühen.
Kommunikationsversuche gibt es keine zwischen den Isländern und dem Münchner Publikum. Sigur Rós lassen ausschließlich ihre Musik für sich sprechen, der Stimmung tut das keinen Abbruch. Viele Gäste sind extra aus der Schweiz, Italien oder der Slowakei angereist. Vor Beginn des Konzertes war ein buntes Sprachwirrwarr zu hören, sobald Sigur Rós die Bühne betreten hatten, schwiegen die meisten Besucher andächtig.
Die Setlist lässt für die meisten Fans kaum Wünsche offen – egal ob Vaka, E-bow oder Olsen Olsen, Sigur Rós spielen sich musikalisch perfekt durch einen Querschnitt ihrer sechs Studioalben. Auch neue Songs stellen die Isländer vor, Kveikur am Ende des regulären Sets beispielsweise beweist, dass die Ideenvielfalt der Band wohl noch lange nicht abreißen wird.
Nach zwei Stunden endet das Konzert mit einer schier endlosen Version von Popplagió. Der Song wird so dramatisch zelebriert, dass danach eigentlich nichts mehr kommen kann – zu perfekt wurde das Stück inszeniert. Doch der Applaus endet nicht. Sigur Rós scheinen tatsächlich gerührt davon und kommen noch einmal gemeinsam auf die Bühne um sich zu verabschieden. Es ist das erste Mal am Abend, dass man bei der Band eine Gefühlsregung erkennen kann. Während dem Konzert gingen die Blicke meist ins Leere, jetzt suchen sie erstmals den Kontakt. Etwas ungewohnt und schüchtern blicken sie in das gut gefüllte Zenith und gerade jetzt merkt man: Die Freude der Band ist echt. Kein aufgesetztes Winken, sondern Euphorie.
Man kann sich für die Fans nur wünschen, dass sie nicht wieder acht Jahre warten müssen, bis sie München erneut beehren mit ihrer elfenartigen Musik.