Die White Lies im Interview
Stadionsound? Von wegen!
Harry McVeigh und Charles Cave über das neue Album, die Arbeit in Brian Ferrys Studio und wie sie Alben nicht konzipieren.
Wer in der ersten Hälfte der 90er Jahre geboren wurde und während der Pubertät Musik der etwas anderen Art gehört hat, ist sicher nicht um die White Lies herumgekommen. Das Debütalbum der Londoner „To Lose My Life“ ist ein Meilenstein der Zeit der Arctic Monkeys, Editors und Maximo Park. Die epischen Refrains von „Farewell To The Fairground“ und „Unfinished Business“ haben sich in die Köpfe und in die Herzen einer Generation gebrannt, die verzweifelt nach musikalischen Vorbildern gesucht hat.
Wie viele Fans die White Lies in der Zeit gewinnen konnten, zeigt sich auch auf ihrer aktuellen Tour. Die Menge ist zu den Klassikern sowie zu den neuen Songs der Engländer abgegangen.
Anfang Oktober ist das vierte Album der White Lies erschienen: „Friends“. Das hat zum Teil richtig scharfe Kritiken bekommen. Eine lautet, dass manche Songs „stadiontauglich“ sind. Auch darauf haben wir Frontman Harry McVeigh und Bassist Charles Cave angesprochen.
[00:00] Das Thema dominiert gerade die Nachrichten und betrifft viele Musiker: wie kommentiert ihr das Ergebnis der US-Wahl?
McVeigh: Schwierige Frage. Es ist eine seltsame Entscheidung. Dennoch geht die Welt weiter, die Erde dreht sich weiter und ich hoffe, dass die Leute nicht zu viel daran denken, wenn sie zu unseren Shows kommen. Ich hoffe sie versuchen, Spaß zu haben und das ist auch das Wichtigste bei Musik. Ob du mit solchen Leuten einverstanden bist oder nicht, du kannst trotzdem zu unserem Konzert kommen und alles vergessen.
[00:39] Ihr habt das neue Album „Friends“ im Studio von Brian Ferry aufgenommen. Was kann man in seinem Studio machen, was man sonst nicht machen kann?
McVeigh: Alleine die Anwesenheit von Brian Ferry und zu wissen, dass er auf dich aufpasst, ist ein gutes Gefühl. In solchen Studios zu arbeiten, kann auch seltsam sein. Die sind ja für den Besitzer ausgerüstet und es war auch in Brians Studio so. Das, was er mag, funktioniert wunderbar - alles andere manchmal nicht. Aber es war für uns eine riesige Freude. Wenn du wie in unserem Fall mit einem sehr guten Soundengineer arbeitest, dann kannst du ein sehr gut klingendes Album machen und ich glaube, das merkt man beim Sound des Albums. Ich mag es echt gerne, wenn man auf einem Album den Einfluss eines Orts raushört.
Songs während des Kaffee kochens
[01:39] Welche Einflüsse kann man bei Friends sonst noch hören?
Cave: Es ist schwer, das festzustellen. Alle Songs beginnen mit einem sehr spezifischen Einfluss. Harry und ich machen morgens Kaffee und hören uns ganz viel Musik an – normalerweise ein paar Stunden lang – und irgendwann bleiben wir irgendwo hängen und denken uns: „Oh, das Tempo gefällt uns“ oder der Rhythmus oder was auch immer. Das ist unser Startpunkt. Eigentlich hat er es nicht in das Album geschafft, aber es gibt ein Song, ein B-Side aus der Special Edition namens „What I Need“: der ist echt nah an der Quelle der Inspiration.
McVeigh: Es gibt diesen großartigen Song von Fatima Mansions: „Only Losers Take The Bus“.
Cave: Wir haben den Drumbeat übernommen und den Song darauf gebastelt. Fast jeder Song von uns wird so geboren aber normalerweise kann ich mich nicht dran erinnern, woher welcher Song kam. Das ist aber eine sehr gute Arbeitsweise: du findest etwas, was dir gefällt und du kannst das verinnerlichen und in eine völlig andere Richtung führen. Es ist auch viel einfacher, als sich morgens vor einen Laptop zu setzen und einfach loszulegen.
[04:42] Ein Teil der Kritik war ziemlich heftig bei „Friends“. Einige Rezensenten haben behauptet, der Sound sei stadiontauglich…
Cave: Ich bin nicht damit einverstanden. Ich finde ältere Songs von uns sind viel mehr so. Alleine der Drumsound ist viel enger und leiser als früher und Songs wie „Is My Love Enough?“ würden in einem Stadion komplett verloren gehen. Das würde sich eher an einem intimen Ort eignen, wo man wirklich alle rhythmischen Teile hören würde. Wir versuchen immer Songs mit einem irgendwie einprägsamen Chorus zu schreiben und das ergibt sich in etwas hymnischen Rocksongs aber manchmal ist es auch viel subtiler. Wir sind schon seit vier Wochen auf Tour und haben immer in kleineren Venues als dieser [Theaterfabrik, Anm. d. Verf.] gespielt und es war immer ein schönes Gefühl. Wir würden natürlich nicht das Angebot ablehnen, im Freien zu spielen, wie wir es auch im Sommer machen werden. Aber für jetzt finde ich kleinere Venues besser.
"Vielleicht schreiben wir in 10 Jahren ein gutes Album."
[07:57] Wie werden eigentlich eure Alben konzipiert?
Cave: Wir konzipieren die gar nicht. Die nehmen natürlich an Form an. Du schreibst am Anfang drei, vier Songs, hörst sie dir an und überlegst, was noch fehlen könnte. Das muss man aber zuerst lernen. Das würdest du nicht auf deinem ersten Album machen – und darum ist es wichtig, dass du beim ersten Album von einem Producer unterstützt wirst. In diesem Fall hatten wir nach sechs Monate ungefähr zwölf Songs. Da beginnt man schon langsam, kritisch gegenüber den Songs zu sein. Wir haben da beschlossen, sechs Songs rauszulassen und auf die verbliebenen aufzubauen. Aber am Anfang ist es wichtig, alles auszublenden und sich keine Gedanken darüber zu machen: einfach schreiben, um zu schreiben. Es ist ein Art, sich aufzuwärmen und wenn man Glück hat, ergeben sich aus der Naivität des Anfangs gute Songs, die es dann ins fertige Album schaffen. In diesem Fall war „Morning in LA“ ein sehr früher Song und es war toll, ihn schon nach den ersten Wochen zu haben. Der Rest bildet sich dann von selbst zusammen. Bei diesem Album waren wir sehr brav und haben von Anfang an sehr viel geschrieben. Früher sind wir manchmal ins Studio gegangen, wo wir noch nicht fertig waren. Das hat immer akzeptable Ergebnisse geliefert, aber es ist schön, für die Zukunft vorbereitet zu sein.
[11:08] Friends ist euer viertes Album und euch gibt es schon seit über sieben Jahre. Wie fühlt ihr euch jetzt im Vergleich zum Anfang?
McVeigh: Definitiv weiser. Wie bei jedem Job, wenn du ihn sieben Jahre lang gemacht hast. Dann bist du viel besser, als am Anfang. Allerdings war der Anfang sehr aufregend. Wir haben viel über die Naivität des ersten Albums und der ersten Tour nachgedacht. Es war etwas glorreiches, dass du nicht wieder einfangen kannst. Aber du machst auch viele Fehler am Anfang. Es gibt inspirierende Momente, wo du was Komisches machst - was du nicht nochmal machen würdest - was aber wiederum zu etwas Lustigem und Tollem werden kann. Das bekommst du nie zurück. Aber so ist es, wenn man bei einer Band anfängt. Das lässt dann nach und wir können jetzt Entscheidungen treffen, die sehr gut für das Album sein können. Vielleicht werden wir in 10 Jahren in der Lage sein, ein richtig gutes Album zu schreiben.