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Leoniden im Interview

Turn off the Lights

Autor(en): Miriam Fendt am Freitag, 3. März 2017
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Quelle: M94.5

Jakob und Lennart von Leoniden

Die fünf Kieler vereinen ihren Punk-Background mit Affinität zu überproduzierten Popplatten und spielen am 02. April im Sunny Red im Feierwerk.

"When no one sees the light" ("1990")...dann sehen wir die Leoniden, die vor Energie auf der Bühne wirklich nur so leuchten. Die fünf Kieler haben Ende Februar ihr Debütalbum "Leoniden" herausgebracht. Auch wenn es soundtechnisch sehr ambivalent ist und sich jeder der zwölf Tracks von den anderen unterschiedet, bleibt die Konstante die Tanzbarkeit. Bevor sie am 02. April im Feierwerk spielen, haben sie sich mit uns nicht nur über ihre Platte unterhalten, sondern natürlich auch über ihre abreißenden Live-Shows und ihre Bandgeschichte. Außerdem klärt uns Lennart darüber auf, wie viele Instrumente im Durchschnitt so zu Bruch gehen:

[00:00] Eure erste Singleauskopplung heißt „1990“. Wieso genau dieses Jahr?

Jakob: Wir beide sind in dem Jahr 1990 zur Welt gekommen. Was bedeutet, dass wir jetzt 2017 27 werden oder schon sind und 1990 ist ja jetzt ungefähr ein Jahr alt. Der Gedanke war, dass wir jetzt in einem Alter sind, in dem man nicht einfach so neben der Schule oder dem Studium so ne Band hat, sondern das wirklich langsam ernst wird. Weil wenn ich mit 45 so sagen würde, ich jobbe ein bisschen und versuche mit meiner Band Musik zu machen, dann kippt das schon so langsam. Wir sind in einer Phase in der wir merken, dass andere in unserem Alter plötzlich Geld verdienen, die kriegen fette Einstiegsgehälter.

Lennart: Sie sind fertig mit dem Studium oder der Ausbildung und sind einfach langsam erwachsen. Und wir…

Jakob: Glauben an die Musik und versuchen es.

Lennart: ...machen das was wir vor zehn Jahren auch gemacht haben.

​Nevermind - Die Entscheidung wegzugehen oder dazubleiben

[03:43] Jakob, du bist als Sänger erst seit zwei Jahren bei den Leoniden. Dafür bist du extra von Hamburg nach Kiel gezogen. „I got a situation. I'm living in a place that fucks me up.“ heißt es in eurem Song „Nevermind“, in dem es viel um das Hinter sich lassen geht. Wie hängt das mit deiner Geschichte zusammen?

Jakob: Das hängt sehr direkt damit zusammen. Ich bin vor zwei Jahren eingestiegen und hab das so ein Jahr lang gemacht und dabei noch in Hamburg gewohnt. Und wir hatten schon von Anfang an den Plan ein Album zu machen. Als dann klar wurde, dass wir es selber rausbringen wollen und ein eigenes Label gründen wollen, war dann eindeutig, dass die Arbeit viel leichter ist, wenn ich in Kiel wohne. Der Großstadtstempel in Hamburg hat mir schon gut gefallen, aber irgendwann hab ich gemerkt, dass das auch ein bisschen albern ist und mich da wenig hält, bis auf meinen Freundeskreis.

Das ist auch so ein bisschen das „Nevermind“-Zitat, dass ich dann plötzlich in Kiel im Bett liege und checke, hier werde ich morgen auch aufwachen und ins Bett gehen. War das richtig?

Lennart: Es geht ja auch so ein bisschen darum, dass man sich halt irgendwie entscheiden muss wegzugehen oder dazubleiben. Das ist ja auch eine Entscheidung. Jakob ist nach Kiel gekommen, aber wir sind in Kiel geblieben für die Musik. Und das war ja auch eine Entscheidung. Einige von uns wären auch wirklich gerne vielleicht nach Berlin gegangen.

Man muss sich halt dann irgendwie für seinen Wunsch, seiner Traum oder sein Projekt entscheiden. Das kostet halt was und das ist keine einfache Entscheidung glaube ich.

​"Wir wohnen alle im Internet"

[05:56] Jakob, du singst auf Englisch. Da habt ihr gesagt, dass das kein Move war, sondern sich ehrlicher angefühlt hat.

Könntet ihr euch auch vorstellen außerhalb von Deutschland aufzutreten?

Lennart: Das ist ein ganz großer Wunsch von uns. Also ihr müsst euch vorstellen, wir kommen aus Kiel, das ist 100km vor der dänischen Grenze und wir sind jetzt hier 800km weit weg. Das ist halt total verrückt, wir spielen im April in München, aber irgendwie ist es so ausgeschlossen, dass wir mal nach Kopenhagen fahren, obwohl das nur zweieinhalb Stunden weg ist.

Aber wir setzen uns halt immer ins Auto und fahren 8-9 Stunden in den Süden (lachen). Also das steht auch auf unserer to do-Liste ganz weit oben, es zumindest ins europäische Ausland zu schaffen.

Jakob: Aber wir singen nicht auf Englisch, weil wir glauben, dass wir in Amerika die nächste große Nummer werden.

[08:44] Auf Spotify haben eure Songs ziemlich eingeschlagen. „The Tired“ wurde innerhalb von 40 Stunden schon 60000 mal gehört. Wie steht ihr zu Streamingdiensten?

Lennart: Ich glaube, dass das ein leidiges Thema ist für viele, aber für uns eigentlich nicht. Wir machen uns da ganz locker. Die Welt ist einfach so, wir leben in 2017 und ich streame auch den ganzen Tag. Ich kaufe mir ehrlich gesagt nur Platten, wenn ich sie richtig gut finde und dann hab ich sie vorher auch schon auf Spotify gehört. Ich glaube man muss das akzeptieren, denn es hat seine Vorteile. So erreichen uns 60000 Hörer innerhalb von 48 Stunden und die hätten wir niemals erreicht, wenn es dieses Internet nicht geben würde. Und wir wohnen alle im Internet, wir sind total affin. Wir schicken einander den ganzen Tag Gifs hin und her. Wir trauern da nicht den Verkaufszahlen hinterher. Weil sonst hätten wir unter Umständen niemals so eine Tour spielen können, weil die Leute hätte das sonst nicht erreicht im fernen München.

​"Wir spielen halt auch auf Schrottinstrumenten"

[15:06] Mit euren Live-Shows gewinnt ihr bestimmt einige Fans dazu. Ihr habt eine unfassbar krasse Energie.

Wie viele Instrumente gehen bei euren Instrumenten im Durchschnitt so zu Bruch?

Jakob: Da sitzt auf jeden Fall der Profi dafür links neben mir.

Lennart: Ja, viel (lachen). Also eine Gitarre im Jahr muss ich mir kaufen. Aber ich kauf mir auch nur noch die billigen Gitarren. Wir sind keine Nerds. Wir spielen halt auch auf Schrottinstrumenten.

Jakob: Wir spielen halt auch auf Keyboards über die man mal ein Bier kippen kann.

Lennart: Und das passiert halt leider auch (lachen).

[15:53] Wie wichtig ist es euch, dass man eure Energie auch auf dem Album spürt?

Jakob: Das war super schwierig. Weil wenn man ein Konzert von uns vor Bühne hört, dann ist es glaub ich was anderes, als wenn man danach die Spuren hört. Also wenn man sich danach einfach mit Kopfhörern hinsetzt und hört, was wir da machen würden. Wie wir das Album produzieren haben lassen und was auch die Genres im Sound eint, das war ganz viel Arbeit. Aber wir haben uns beim Album dann schon auch dazu entschieden, dass es so klingt, als würden wir es gesetzter spielen, also als würden wir nicht Gitarren zerschmettern dabei.

[16:48] Wieso?

Lennart: Wir wollten halt einfach die Lieder aufnehmen. Wir haben die natürlich alle selbst geschrieben und wir wollten die klingen lassen, wie wir auch gerne Platten hören. Wir haben uns da auch tatsächlich an den 90er Jahre Produktionen orientiert, also an diesen großen Produktionen, die an nichts sparen. Also wenn wir einen Chor wollten, haben wir uns einen Chor irgendwie zusammentelefoniert. Wenn wir Trompeten brauchten haben wir uns jemanden organisiert, der mal irgendwie Bock hatte, was einzutröten. So war das mit allem, was wir irgendwie auf dem Wunschzettel hatten. Aber wir sind der Meinung, dass es halt einfach zwei verschiedene Paar Schuhe sind -ein Live-Konzert und eine Platte. Das eine, das kickt dich halt total um und dann sollst du da stehen und das auch irgendwie mitbekommen, die Energie von der Bühne. Und das andere muss halt viel detailreicher und filigraner überzeugen. Und muss genauso gut in der U-Bahn funktionieren, wie im Bett, wie in der Disco, wie im Radio.

"Wir haben das Album schon als Ganzes geschrieben"

[17:52] Trotzdem wird euch immer wieder das Tanzpotenzial eurer Songs von den Kritikern auf die Fahnen geschrieben. Ich finde aber, dass euer Debüt sehr ambivalent ist. Klar gibt es die Hymnen „Nevermind“ und „1990“, aber auch eine Reihe vielschichtiger, experimenteller Tracks, wie „Eleven Hands“ oder „The Tired“. Woher kommen diese Gegensätze?

Jakob: Ich glaube was alle Songs eint – und da gebe ich den Kritikern auch Recht – weil es auch eine Sache ist, die uns sehr wichtig ist, dass immer ein Puls da ist. Selbst wenn der Takt ein krummer Takt ist, dass man dann immer wieder in Bewegung gesetzt wird, auch wenn man da keine Hampelmänner machen muss, dass es immer ein vorantreibender Sound bleibt. Sonst liegt das daran, dass sowohl jeder für sich, als auch die Band unterschiedliche Musik lieben und das auch auf dem Album unterbringen wollen. Wir wollten nicht „1990“ schreiben und „1991“- „2005“ und 14 schlechte Kopien von einem Song auf ein Album hauen. Wir wollten 12 eigenständige Songs. Jeder ist für sich eigen und für uns perfekt.

Lennart: Wir haben das Album schon als Ganzes geschrieben. Wir haben nicht zwölf Lieder irgendwie unabhängig voneinander geschrieben und dann gesagt, ok, jetzt haben wir zwölf, jetzt packen wir die auf ein Album. Sondern wir haben gesehen, wir haben jetzt diese Facette vielleicht wollen wir noch was von der Facette. Das hat halt dann sehr lange gedauert, weil es viele Facetten sind, die wir gerne mögen und die wir alle irgendwie auf diesem Album unterbringen wollten. Wenn wir etwas bedient haben, dann brauchen wir das kein zweites mal.

Jakob: Was wir noch gemerkt haben, an uns und an anderen Alben, dass Bands, die ein Debütalbum rausbringen, das einen Vibe hat, der in jedem Songs ganz eindeutig rüberkommt, das ist eine Band, die keine zweite Chance hat, weil wenn sie sich verändern finden es die Fans scheiße und wenn sie sich nicht verändert, dann hört man in 40 Jahren noch sein 40 Jahre altes erstes Album. Und wir wollten direkt mit dem ersten Album zeigen, wir stehen nicht nur auf Nirvana und Michael Jackson, sondern alles ist geil und alles ist drauf.

Lennart: Wir lesen auch alle Reviews und das ist für uns etwas ganz krasses und es ehrt uns auch sehr. Uns ist aufgefallen, dass da immer die verschiedensten Songs hervorgehoben werden. Mittlerweile gibt es zu jedem Song ein Review das sagt: Das ist der stärkste Song. Und das ist doch das beste Kompliment, das man kriegen kann.

Getting into a magnetic feel

Die Leoniden überzeugen nicht nur mit ihrem vielseitigen Debütalbum "Leoniden", sondern vor allem auch live. Ihre Energie ist ansteckend und reißt einfach mit. Die Kieler verwandeln jede Bühne in eine Sauna. Dabei verlieren sie nie die Nähe zum Publikum. Lust auf eine neue Lieblingsband? Dann seid auf jeden Fall beim Konzert dabei.

Leoniden

Wann? 02. April 2017

Wo? Feierwerk

präsentiert von M94.5.

Hier noch ein Live-Eindruck:

Platte des Monats

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