Dirk von Lowtzow im Interview
"Wir lieben München"
Tocotronic sind ohne Frage die Meister der Hamburger Schule. Wir haben mit Leadsänger Dirk von Lowtzow über ihren anstehenden Auftritt im Zenith gesprochen.
Hamburg, Anfang der 1990er Jahre. Die drei Studenten Jan Müller, Arne Zank und Dirk von Lowtzow gründen eine deutschsprachige Band namens Tocotronic. Inspiriert von Kollegen wie Blumfeld oder Die Sterne machen sie sich schnell einen Namen in der Hamburger Underground-Szene, die anschließend von der Presse Hamburger Schule getauft wird. 1995 veröffentlichen Tocotronic ihr erstes Album Digital ist besser, das heute als Meilenstein der deutschen Rockgeschichte gilt. Mit herrlich ironisch-naiven Texten und wütender Punk-Attitüde spielen sie sich schnell in die Herzen zahlreicher Jugendlicher.
Vom Erfolg der Debüt-Platte angetrieben, bringen Tocotronic innerhalb eines Jahrs zwei weitere Platten auf den Markt. Parolenhafte Songs wie Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein oder Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst (vom dritten Album Wir kommen, um uns zu beschweren) spiegeln dabei den speziellen Sound der Hamburger Schule wider.
Musikalische Wende
Bis 1999 veröffentlichen Tocotronic insgesamt vier Alben, die textlich wie musikalisch an ihr Debüt anknüpfen. Um die Jahrtausendwende (mit den Alben K.O.O.K und Tocotronic) beginnt dann aber eine deutliche Entwicklung in der Band: Synthesizer und Streicherarrangements werden zunehmend eingesetzt, die Texte sind längst nicht mehr so wutgeladen wie früher. Schon zu diesem Zeitpunkt spaltet das die Meinungen der Fans: Viele wünschen sich den alten Tocotronic-Sound zurück, andere sind von dem neuen Gesicht der Band beeindruckt. Die Band wird jedenfalls immer bekannter und spielt inzwischen nicht mehr in kleinen Hamburger Clubs sondern tourt durch die größeren Konzerthallen Deutschlands.
Als 2005 mit Pure Vernunft darf niemals siegen das siebte Studioalbum erscheint, ist Tocotronic bereits bei einem breiteren Publikum angekommen. Das Album steht wochenlang in den deutschen Charts, erreicht sogar Platz 3. Inzwischen ist Rick McPhail als Lead-Gitarrist dazugestoßen, der mit seiner effektverstärkten Gitarre immer wieder markante Licks zur Musik beisteuert. Dirk von Lowtzows Gesang zeigt sich unglaublich verbessert, seine Texte sind nun deutlich metaphorischer und lesen sich fast wie Poesie. In dieser Zeit entsteht mit Aber Hier Leben, Nein Danke ein wahres Manifest eines Songs, der seitdem fester Bestandteil von Tocotronic-Konzerten ist.
Aktuelle Platte: Das rote Album
Nach drei weiteren großartigen Alben (Kapitulation, Schall & Wahn und Wie wir leben wollen) ist zuletzt das Rote Album erschienen, ein Album über Liebe. Die Musik ist passend dazu sehr weich und leicht anzuhören, was wiederum nicht bei allen eingefleischten Fans gut angekommen ist. Überzeugend ist vor allem die Instrumentierung des Albums: Tocotronic experimentieren unter anderem mit Chören und Kalimbas, die es im Stück Ich öffne mich zu hören gibt.
Anlässlich der Veröffentlichung des Roten Albums spielen Tocotronic im Frühjahr 2015 eine ausverkaufte Club-Tour, unter anderem auch mit einem Auftritt im STROM in München. Das Besondere bei Tocotronic-Konzerten bleibt das abwechslungsreiche Set: Alte und neue Lieder werden in gleichem Verhältnis gespielt, damit sind sowohl langjährige Fans, als auch Neu-Entdecker gut versorgt.
Kooperation mit Pro Asyl
Auch im Rahmen dieser Tour kooperieren Tocotronic wieder mit der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, die sich für den Schutz von Flüchtlingen in Deutschland und Europa einsetzt. Die Band zeigt sich schon seit Längerem politisch engagiert, Dirk von Lowtzow wirkte schon bei diversen Kundgebungen für Flüchtlinge in Berlin mit.
Am 14. November werden Tocotronic im Zenith wie immer eine großartige Show zeigen, besonders da es das letzte Konzert ihrer aktuellen Tour sein wird. Wir haben vorab mit Dirk von Lowtzow über politisches Engagement, München und das Rote Album gesprochen. Hört selbst, was der sympathische Frontmann so alles erzählt hat!