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Er hat es wieder getan

Autor(en): Justin Patchett am Sonntag, 19. Februar 2017
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Quelle: M94.5 / Patchett

YouTuber Pewdiepie sieht sich momentan mit der schwierigsten Phase seiner Karriere konfrontiert.

Pewdiepie, der erfolgreichste YouTuber, steckt mal wieder in der Kritik. Dieses Mal soll er antisemitische Inhalte verbreitet haben. 

Felix Kjellberg, besser bekannt als Pewdiepie, sieht sich momentan mit dem schweren Vorwurf konfrontiert, ein Antisemit zu sein. Der mit über 50 Millionen Abonnenten erfolgreichste Youtuber habe antisemitische Inhalte auf seinem Kanal verbreitet. Das berichtet diese Woche das Wall Street Journal. Die Konsequenz: Das zu Disney gehörende “Maker Studio” beendet seine Zusammenarbeit mit dem YouTube-Star, das YouTube Red Original “Scare Pewdiepie” wird kurz vor Veröffentlichung der zweiten Staffel abgesetzt und auch sonst wird der Schwede von Google Preferred ausgeschlossen, einem speziellen Werbeprogramm für die YouTuber, die Google für besonders marktfähig hält. Doch sind diese Reaktionen; sind vor allem die Vorwürfe gerechtfertigt? Ein Kommentar von Justin Patchett.

 

Ist Pewdiepie ein Antisemit? Ist Pewdiepie ein Nazi?

Nein, natürlich nicht, sagt der Fan; sagt einer, der Youtube-Videos auf dem Pewdiepie-Channel regelmäßig verfolgt und für den Felix Kjellberg genauso zur guten Abendunterhaltung gehört wie Serien auf Netflix.

Der Fan weiß, worum es in den Videos geht. Er weiß, dass Pewdiepie eigentlich Videospiele spielt und sich dabei filmt, dass er dabei mindestens einmal im Video laut brüllen muss, damit alle passiven Mithörer zu Tode genervt sind. Der Fan weiß auch, dass Pewdiepie in letzter Zeit weniger Videospiele in seinem Programm hatte, sich in seinen Videos dafür mehr über andere Youtuber beschwert hatte oder sonst irgendeinen Kram gemacht hatte, der trotzdem noch unterhaltsam war.

Doch Pewdiepie soll eben auch antisemitische Posts verbreiten, wie das Wall Street Journal schreibt.

Ein außerirdischer Vorwurf, für einen Fan

Für einen Fan und für einen selbst, ist das zunächst einmal ein außerirdischer Vorwurf, weil man ganz genau weiß, dass es solche “Posts” nie gegeben hat und man ohne den Artikel nie auf den Gedanken gekommen wäre, dass es sich bei Pewdiepie um einen Nazi handeln könnte. Man war schließlich dabei, bei all seinen Gameplays, seinen Vlogs und seinem YouTube-Drama.

Trotzdem: es wäre gelogen, nun zu behaupten, man wisse nicht, worum es in dem Artikel des Wall Street Journals geht. Selbst ohne ihn gelesen zu haben (Artikel des Wall Street Journals sind online kostenpflichtig), wusste man, wusste ich, beim Lesen der Überschrift, welches Video gemeint sein musste (was natürlich keinen Post per Definition darstellt; man postet auf Facebook oder Twitter, aber nicht auf YouTube).  

Den “Teaser” des Artikels gibt das Wall Street Journal, ohne dafür bezahlen zu müssen, noch preis. Darin steckt bereits einer der Vorwürfe, die sie Pewdiepie machen: Er habe dafür bezahlt, dass sich zwei junge Männer dabei filmten, wie sie ein Schild hoch hielten, auf dem steht: “Death to all Jews” - Tod allen Juden. Pewdiepie habe das getan, um dazu “reagieren” zu können, sich also bei seiner Reaktion zu dem Video mit dem Schild aufnehmen zu können.

Das Wall Street Journal ignoriert den Kontext

Und das stimmt auch. Pewdiepie tat genau das. Doch das Wall Street Journal ignoriert dabei jeden Kontext, in dem das Video zu dem Video mit dem Schild entstand und sie machen das so bewusst, dass man im ersten Moment beinahe einen “Angriff” auf Pewdiepie vermuten möchte, wie Felix Kjellberg den Artikel in seiner Antwort auf die Vorwürfe bezeichnet.

Tatsächlich bezahlte Pewdiepie auch die jungen Männer mit Schild, er ließ sie für Geld “Death to all Jews” darauf schreiben. Doch ein wenig Kontext muss trotzdem nachgereicht werden:

In dem Video, in dem das alles passiert, kritisiert Kjellberg die Website Fiverr, die verschiedene Dienste von verschiedenen Leuten für Geld anbietet. Zum Beispiel kann man dort seine Mathe-Hausaufgaben erledigen lassen, aber auch Clips für sich produzieren lassen, die eben witzig oder toll sein sollen, je nach dem. Pewdiepie fand, auf Fiverr verkauft sich der Einzelne für Geld; dort würde man alles für ein paar mickrige Dollar tun. Und dass das so ist, musste Pewdiepie scheinbar beweisen. Und so beauftragte er die zwei Männer, bei denen es schien, als wollten sie durch spärliche Bekleidung besonders deutlich machen, dass sie das Kleingeld bräuchten, das Video für ihn zu produzieren. Alles was Pewdiepie dafür brauchte, war sein Paypal-Passwort und eine Botschaft, die das Video präsentieren sollte. Und genau mit dieser Botschaft wollte er provozieren, er musste wissen, wie weit man auf Fiverr geht, um Geld zu verdienen, sei es noch so wenig. Also entschied sich Pewdiepie für einen Satz, den ein Mensch bei gesundem Menschenverstand weder drucken, noch sprechen und am aller wenigsten meinen konnte. Ein Satz, der einem nur bei absoluter Abstinenz jeglicher Moral über die Lippen kommen könnte, einer der fürchterlichsten Sätze, den die Sprache je produziert hatte.

Pewdiepie kritisierte Fiverr

Pewdiepie vermutete bei Fiverr keine Moral und er bekam, was er wollte: die Männer druckten das Schild, auf dem stand: “Death to all Jews” und sie verkündeten “Subscribe to Keemstar” (ein konkurrierender YouTube-Kanal). So sah er sich bestätigt: auf Fiverr schien man alles für das Geld zu tun.

Der Fan schaute Pewdiepie dabei stets über die Schulter und der zeigte einem seine Reaktion zu dem verhängnisvollen Clip. Man sah, wie er sich die Hand vor den Mund hielt, weil das Video mit dem Schild etwas sagte, dass er sich nie sagen getraut hätte und nun doch ausgesprochen wurde - in seinem Namen.

Er hätte diese Reaktion nie veröffentlichen müssen, hätte das vollständige Video nie hochladen müssen und er tat es dennoch. Weil es ihm um die Kritik an Fiverr ging. Doch man spürte eben auch als Fan sofort, dass ein solches Video Konsequenzen haben muss, dass nun abermals reagiert wird, seien es andere YouTuber, oder aber die Presse.

Gute zwei Monate später kam diese Reaktion und zwar in Form des Wall Street Journals, das Google und Disney drängte, zu handeln. So verliert Pewdiepie nun seine Zusammenarbeit mit Disneys Maker Studio, seine Serie “Scare Pewdiepie”, und auch Google bestraft ihn und behandelt ihn absofort wie einen gewöhnlichen YouTuber, in dem er von dem bevorzugten Werbeprogramm für marktfähige YouTuber ausgeschlossen wird (was nicht heißt, dass Pewdiepie kein Geld mehr auf YouTube verdienen kann, es ist einfach nur weniger Geld).

Ein solcher Satz darf niemals produziert werden

Und das zurecht. Selbst als Fan möchte man sagen, dass Pewdiepie zu weit ging, weil er das eben auch tat. Da darf es keine zwei Meinungen geben, wenn ein Satz, wie der auf dem Schild, bewusst produziert wird.

Felix Kjellberg spürt seine Grenzüberschreitung auch. Er hat sich entschuldigt dafür, zu weit gegangen zu sein. Und doch verteidigt er sich selbst, spricht von einem Angriff der Medien auf seine Person. Er, der ja nur ein einsamer Schwede sei.

Aber er ist eben auch ein Schwede mit 50 Millionen Abonnenten, sein Kanal wird so regelmäßig wie kaum ein anderer auf YouTube verfolgt. Ob man einen Judenwitz vor Millionenpublikum oder im engen Kreis des Stammtisches verbreitet, ist irrelevant. Auf keiner Ebene sind sie jemals in Ordnung, denn sie verharmlosen das Grauen des Holocausts auf die unverschämteste Weise. Doch auf solch einer großen Bühne wie der Pewdiepies, kann die Wirkung dieses vermeintlichen Witzes umso verhängnisvoller sein. Entweder, für eine Gesellschaft, oder für den, der den Witz gemacht hat.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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