VidCon 2017
"In zehn Jahren ist alles dasselbe"
Traditionelle und moderne Medien befinden sich im Klinsch. Woher das kommt, erklärt einer, der sich mit der Branche bestens auskennt: Lawrence Kao.
Im Februar 2017 ging eine Geschichte durch die internationale Presse, die in der Online-Community viel Aufsehen erregte. Der Protagonist des Ganzen war nämlich der mit mittlerweile 54 Mio. Abonnenten (Stand 09.04.17) erfolgreichste YouTuber der Welt, Felix Kjellberg oder „PewDiePie“. Die Schlagzeile dazu: PewDiePie ist ein Antisemit. Angezettelt wurde die ganze Diskussion durch einen Artikel des Wall Street Journals, in dem es hieß, der 27-jährige Schwede greife in seinen Videos immer wieder auf Nazisymbolik zurück. Besonders scharfe Kritik erntete PewDiePie aber für seine vermeintliche Botschaft "Death to all Jews", die in einem seiner Video enthalten war.
YouTuber beschweren sich über "die Medien"
Kjellberg veröffentlichte im Gegenzug dazu Videos, in denen er dem Wall Street Journal vorwirft, sie würden ihn absichtlich diffamieren, weil sie als traditionelles Medium Angst vor der neuen Macht der YouTuber hätten. Auch einige seiner YouTube-Kollegen meldeten sich zu Wort und beschwerten sich über „die Medien“ und ihren Umgang mit Social Media- und Internetstars.
PewDiePie ist nicht der einzige YouTuber, der sich von den traditionellen Medien unfair behandelt fühlt. Zoey „Zoella“ Sugg macht Beautyvideos und erzählt ihrem Publikum, was sie alles am Wochenende geshoppt hat. Dabei gibt sich die junge Frau aus England stets charmant und liebenswert. Ein Artikel aus der Daily Mail vom 23. Februar 2017, in dem sie als von sich selbst eingenommen bezeichnet wird und allein schuld an den sinkenden Lesefähigkeiten junger Engländer sein soll, geht übertrieben hart ins Gericht mit der Video-Bloggerin.
Tradititonelle und digitale Medien im Konflikt
Lawrence Kao von "The Narrative" über die Problematik
Lawrence Kao Im Interview. Quelle: M94.5/Justin Patchett
"Beide Seiten müssen sich entspannen"
Ich denke, die traditionellen Medien liegen nicht zu 100 Prozent falsch. Online-Medien tragen auch einen Teil der Schuld. YouTuber haben nie die Erfahrung gemacht, was es zum Beispiel bedeutet, einen Spielfilm zu machen, eines der wahrscheinlich schwersten Kunstwerke, die man kreieren kann. Man muss so viele Bereiche zusammenbringen. Das passiert in der YouTube-Welt nicht. Wenn man immer größer wird und Rundfunkqualität erreicht, gibt es so viel mehr Regeln, die man befolgen muss. Man hat eine Verantwortung sicherzustellen, dass sein Produkt ein guter Beitrag für Gesellschaft, Kultur, Kunst oder Nachrichten ist. Das großartige an YouTube ist momentan, dass man das nicht tun muss, man kann sich ausprobieren. Wenn man aber immer mehr wächst, muss man sich daran anpassen. Ich denke in der Online-Community haben diejenigen Erfolg, die die Welt der traditionellen Medien verstehen. Hannah Hart oder Grace Helbig zum Beispiel sind sehr erfolgreich, weil sie Hollywood verstehen. Casey Neistat ist Daily-Vlogger aber kommt aus der HBO-Welt. Er versteht, wie diese Welt funktioniert. Deswegen kann er mit CNN arbeiten und hat dort Vertrauen. Er versucht trotzdem die Grenzen auszutesten, aber das tut er auch im Online-Bereich. Ich glaube, das muss passieren. Beide Seiten müssen runterkommen und sich entspannen, weil es in zehn Jahren keine Unterschiede mehr geben wird.
Der Einstieg in traditionelle Medien stellt keine Bestätigung dar. Ich denke eher, an größeren und besseren Projekten mitzuarbeiten gibt einen das. Das kann auch eine Netflix-Serie oder ein Top-Ten-Podcast auf iTunes sein. Es kann auch Bestätigung sein, an den Projekten beteiligt zu sein, bei denen man wirklich dabei sein möchte. Nicht jeder will ins Fernsehen kommen oder ein Filmstar werden. Vielleicht wollten sie Fotograf werden, wurden auf Instagram groß und damit fast aus Versehen zum Star. Für diese Leute ist es eine Bestätigung, wenn Nike ihre nächste Kampagne macht und sie anruft, anstatt sich an Guy Ritchie zu wenden. Dann misst man sich tatsächlich an der Qualität seiner Arbeit und nicht daran, wie berühmt man ist. Das ist dann der Zeitpunkt, an dem man etwas erreicht hat.
"Arbeite für die traditionelle Firma, aber sei die junge Person"
Wenn man mit YouTube Geld verdienen will, ist die harte Realität, dass Werbung vor den Videos allein nicht ausreicht. Man bräuchte ungefähr 42,000 Views jeden Tag um ungefähr auf kalifornisches Mindestgehalt zu kommen. Wenn du das nicht hast, lohnt es sich eher, bei McDonalds zu arbeiten. Es gibt mittlerweile einfach zu viele Kanäle - 2,1 Millionen davon verdienen Geld. Wenn du YouTube und die Online-Welt wirklich liebst und es liebst Videos zu machen, gibt es viele große Firmen, die deine Fähigkeiten brauchen. Du kannst für eine Rundfunkanstalt arbeiten, oder für eine Werbefirma – für all diese wirklich coolen Unternehmen. Die brauchen alle jemanden, der YouTube-Videos macht und sie brauchen YouTube-Stars, mit denen sie arbeiten können. Wenn du YouTube zu deinem Job machen willst, ist das ein Weg. So kommen traditionell und digital zusammen. Arbeite für die traditionelle Firma, aber sei die junge Person, die tatsächlich versteht, wie die Dinge laufen. Als Mitarbeiter einer großen Firma musst du darüber nachdenken, wie man jungen Leuten, typischer Weise YouTubern, erlaubt, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Man muss verstehen, dass es dasselbe war, als die ersten TV-Shows gemacht wurden und die ganze Welt davor Radio war. Du musst dich daran erinnern, dass man dir, als du 21 warst und du neue Ideen hattest, auch gesagt hat, du wüsstest nicht, was du tust. Jetzt behandelst du sie genauso. Hör auf damit! Beide Seiten müssen lernen und viele Leute tun das auch. Das finde ich großartig. So wird das alles funktionieren.
Schwer zu sagen, für wen es schwerer oder leichter ist, das ist kein Wettbewerb. Man muss einfach verschiedene Fertigkeiten erlernen. Als YouTuber muss man sich die Disziplin und Geduld der traditionellen Medien aneignen. In den traditionellen Medien haben viele Leute wahrscheinlich noch nie etwas komplett selbst gemacht. Wenn man für eine Firma YouTuber engagiert hat man wahrscheinlich noch nie selbst die Kamera in die Hand genommen und gemacht, was sie machen. Deswegen empfehle ich, den nächsten Urlaub zu filmen und danach das Video selbst zu bearbeiten. Dadurch lernt man zu verstehen, wie hart es sein kann, sich zu motivieren, das alles fertig zu machen. Da fragt man sich irgendwann: will ich mir wirklich noch mal eine neu bearbeitete Version anschauen? In dem Sinne haben es beide Seiten hart, sie müssen alle lernen, nur auf unterschiedliche Art.
Thema traditionelle Medien vs. Online-Schöpfer auf der #VidConEU - @tyleroakley dazu: Haters gonna hate. pic.twitter.com/zHoE6IRwLm
— Salomé Schwarz (@SalomeSchwarz) 8. April 2017
Tyler Oakley und Co. melden sich zu Wort