Wie Forscher für die Demographie-Forschung IP-Adressen ausspähen
Migrationsforschung mit E-Mails
Wer geht weg aus seinem Land? Forscher haben die alters- und geschlechtsspezifische Migration weltweit mit Hilfe von IP-Adressen aus E-Mails analysiert.
Wer geht weg aus seinem Land? Forscher haben die alters- und geschlechtsspezifische Migration weltweit mit Hilfe von IP-Adressen aus E-Mails analysiert.
Die Migrationsströme für fast alle Länder der Welt nach Geschlecht und Alter wurden erstmals ermittelt. Dazu wurde eine neue Methode eingesetzt, die die anonymisierten E-Mails von 43 Millionen Yahoo-Accounts über knapp zwei Jahre analysierte. Dies geschah anhand der IP-Adresse des Geräts mit dem die Nutzer ihre Mails verschickten. Die Adressen liefern sehr zuverlässige Daten, wenn es darum geht, das Herkunftsland zu ermitteln. Sie fanden somit unter anderem heraus, dass die Migration nach der Finanzkrise weltweit stark zunahm.
Internet besser als Amt?
Emilio Zagheni vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock veröffentlichte am Montag die Ergebnisse der Untersuchung. Dort wird betont, dass Migration langfristige, signifikante Auswirkungen sowohl auf das Ursprungs- als auch auf das Zielland in den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und Sozialpolitik hat. Deswegen werden solche Daten immer begehrter.
Bisher gab es zu diesem Thema nur wenige, inkonsistente oder veraltete Statistiken. Viele Migranten melden sich beispielsweise nicht oder erst viel später bei der entsprechenden Behörde. Außerdem gibt es keine offizielle, in allen Ländern gültige Definition von Migrant. Diese Probleme gibt es laut Zagheni bei globalen Internetdaten nicht.
Daten und Methodik
Die Forscher konnten bei den untersuchten E-Mails auf die IP-Adresse, das Datum und Angaben zu Geschlecht und Alter, die alle anonymisiert wurden, zurückgreifen. Man kann also eine Änderung des Aufenthaltsorts eines Nutzers im Laufe eines Jahres feststellen, wenn er beispielsweise 6 Monate lang die meisten seiner Mails aus Frankreich und die nächsten 6 Monate aus den USA sendet.
Auch wenn es wahrscheinlich ist, dass etliche Nutzer nicht das korrekte Geschlecht oder Alter verraten, geht die Studie davon aus, dass die Mehrheit ehrliche Angaben macht.
Wichtig für die Relevanz der Studie sind neben der großen Anzahl an untersuchten E-Mails auch die mathematischen Methoden mit denen typische Fehler, wie die Unterrepräsentation älterer Menschen, beim E-Mail-Versand statistisch korrigiert wurden.
Migrierende Frauen und heimatverbundene Schweizer
Letztlich kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass seit 2009 die Zahl migrierender Menschen insgesamt zugenommen hat. Vor allem unter den Frauen nimmt die Mobilität noch schneller zu als bei den Männer. Zu diesem weltweiten Trend gibt es nur zwei Ausnahmen: die Schweiz und Taiwan. Die Altersverteilung der Migrationswilligen ist hingegen bei den meisten Ländern gleich geblieben. Die Forscher erhoffen sich durch ihre Technik bessere wissenschaftliche Einblicke in Migrationsverhalten und schlagen vor, dass ihre Methode vorhandene Daten ergänzen, Inkonsistenzen auflösen und neue Bewegungsmuster von Migranten aufzeigen könne. Beispielsweise gelang es ihnen, nach der Katastrophe von Fukushima festzustellen, wie viele Leute für wie lange aus der Region fortgezogen sind. Weiterhin sehen die Wissenschaftler Verbesserungsmöglichkeiten, wenn man andere öffentlich verfügbare Datenquellen wie etwa Twitter noch zusätzlich analysieren würde.
Foto1: USFWS Mountain-Prairie unter CC-BY-2.0
Foto2: Max-Planck-Institut für demographische Forschung unter CC-BY-2.0