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Nino Kerl von NinotakuTV im Interview

Videospiele In Concert

Quelle: M94.5 I Annika Bavendiek

Nino Kerl im Interview bei sich im NinotakuTV-Studio

YouTuber Nino Kerl erzählt im Interview, was einen Soundtrack live ausmacht und warum man das Spiel nicht kennen muss, um die Musik zu genießen.

Das Herz von Nino Kerl schlägt ganz und gar für Videospielmusik, und das merkt man auch. Denn der ehemalige Videospielejournalist betreibt nicht nur erfolgreich seinen YouTube-Kanal NinotakuTV, sondern moderiert auch schon seit Jahren Videospielkonzerte, wo er seine Liebe für Videospiele und Japan mit seiner Leidenschaft für klassische Musik verbinden kann. Besonders begeistern ihn dabei die Werke von Nobuo Uematsu, dem wohl einflussreichste Komponist der Final Fantasy Spielereihe.

Die Final Symphony Konzerte sind ein musikalisches Highlight für alle Fans der Videospielreihe Final Fantasy. Seit 2013 bringt die Veranstaltungsreihe Musik aus den Videospielen in Konzertsäle auf der ganzen Welt. Am 14. März führt das Filmorchester Babelsberg das aktuelle Programm unter der Leitung von Eckehard Stier im Gasteig München auf. Wir haben vorab mit dem Moderator des Abends, Nino Kerl, gesprochen.

Keine strikte Genre-Trennung

[0:44]

Was glaubst du, worin liegt der Unterschied von klassischer Musik zu den Spielesoundtracks?

Nino: Klassische Musik lässt sich ja in unterschiedliche Genres oder Subgenres unterteilen. Wenn man da an Karl Jenkins denkt, also die New Classics Richtung, dann die wirklich klassischen Dinge wie Bach über Händel, Beethoven, Brahms, Chopin usw…. also Klassik als solches lässt sich schon fast gar nicht als ein Genre einordnen. Bei den Videospielen ist es ähnlich wie bei Filmen, natürlich auch auf die Spiel- oder Filmszenen abgestimmt, vielleicht ein bisschen epochaler und bombastischer, wobei es da auch einen großen Facettenreichtum gibt. Nicht jeder Spielesoundtrack und nicht jedes Stück aus jedem Soundtrack ist irgendwie mit lateinischen Lyrics und Bombastepos versehen. Insofern ist auch das sehr facettenreich. Aber es ist halt ein ganz eigenes Genre, das aber der klassischen Klassik im Anspruch und auch was die Komplexität und den Tiefgang betrifft glaube ich in nichts nachsteht.

[3:02]

Du hattest gerade schon die Soundtracks von Filmen und Serien erwähnt. Glaubst du, da ist einen Unterschied zu den Videospielsoundtracks vorhanden?

Nino: Ja, auch da muss man jetzt wieder differenzieren. Natürlich gibt es Unterschiede. Alleine was das Herkunftsland betrifft. Es gibt beispielsweise riesen Unterschiede zwischen US-Produktionen und japanischen Produktionen. Natürlich steht und fällt das auch ein Stück weit mit dem Production Value, wieviel Geld steht da zu Verfügung. Oftmals ist es so, gerade bei Mobilegames, dass man sich einen großen schillernden Namen irgendwie an Land zieht, wie ein Uematsu, um dann sagen zu können: “Mit Musik von Uematsu-san.”, von dem dann lediglich das Titelthema kommt. Natürlich hat ein Mobilegame nicht denselben qualitativ hochwertigen Score wie jetzt ein Herr der Ringe, aber es gibt da überall Perlen. Auch bei den Spielesoundtracks gibt es wahnsinnig große Unterschiede. Deshalb ja, natürlich gibt es da gravierende Unterschiede in den unterschiedlichen Werken.

Variantenreiche Wirkung

[4:13]

Die Soundtracks sollen das Geschehen von Spielen emotional unterstützen. Bild und Ton gehen eine Beziehung ein. Siehst du es als Problem, dass Soundtracks losgelöst von Videospielen vielleicht weniger wirken?

Nino: Also das kommt so ein Stück weit auf das Spiel an, glaube ich. Es gibt natürlich Musik-Themen, die darauf ausgelegt sind im Loop zu laufen. Zum Beispiel bei einem Final Fantasy das Overworld-Thema, das dann halt irgendwie eine halbe Stunde gespielt wird, während man auf der Karte läuft. Aber es gibt ja zum Beispiel Character-Themes, die dann genauso losgelöst funktionieren wie im Spiel. Man hat natürlich den großen Vorteil, wenn man das entsprechende Bildmaterial oder die Szene dazu sieht, dann halt nochmal mehr die Gefühle transportiert. Deswegen ist es ja auch ein sehr oft und sehr gern verwendetes Stilmittel, dass bei Videospiel- und auch bei Filmkonzerten eine Leinwand im Hintergrund ausgerollt wird. Jetzt jüngst zum Beispiel bei Star Wars, wo dann der Film läuft und der komplette Soundtrack vom Orchester gespielt wird. Ich finds toll, auf jeden Fall. Das gibt es auch bei Distant Worlds oder der offiziellen Zelda-Konzertreihe. Auf der anderen Seite finde ich es wieder nicht so toll, weil es halt auch wahnsinnig von der Musik ablenkt. Die Musiker haben dann halt ihr Metronom im Ohr und spielen da halt wirklich synchron einfach auf die Szenen, was dann wiederum bedeutet, dass da sehr sehr wenig bis gar kein Spielraum für Interpretation oder Improvisation bleibt. Ich finde eben diesen Ansatz von Final Symphony fantastisch, dass man sagt “Ne, wir lassen diesen ganzen “Firlefanz” weg” ohne das jetzt schlecht bewerten zu wollen, gar nicht, “...und konzentrieren uns da aber halt voll und ganz auf die Musik.”

Zwischen Mainstream und Nische

[8:23]

Die Videospiele werden heute mehr für die breitere Masse entwickelt und dadurch verflachen diese ein bisschen. Glaubst du, das hat auch Einfluss auf die Soundtracks, oder geht es doch mehr Richtung “Qualität Hollywood”?

Nino: Ich glaube schon, dass das Einfluss auf den Soundtrack hat. Aber jetzt gar nicht unbedingt in der Qualität, sondern einfach in der Machart oder wie es dann schlussendlich klingt. Oftmals ist es tatsächlich so, dass da dann irgendwelche Bombaststücke mit Nonsense-Lyrics besser funktionieren, als dann was anderes. Aber das bedeutet ja nicht, dass es dann qualitativ schlechter ist. Es ist halt dann im Zweifel so designt, dass es für die breite Masse einfach besser passt. Deswegen wird das dann vielleicht nicht so komplex gehalten, sondern setzt halt im Zweifel auf das, was auch funktioniert: Laut und episch. Aber das bedeutet ja nicht, dass es gleichermaßen irgendwie schlecht ist. Bei Spielen selbst sieht es da halt ein bisschen anders aus. Da merkt man schon inhaltliche Verflachung in dem Moment, wo es eben darauf abzielt, ein Spiel für die breite Masse zu designen. Aber am Ende des Tages müssen sich die Entwickler ja eben auch an der breiten Masse orientieren, wenn sie ihr Geld verdienen wollen. Umso mehr freue ich mich, wenn dann ein Spiel wie Ni no Kuni zum Beispiel kommt, was ich persönlich halt zuckersüß finde, wo es auch einen fantastischen Soundtrack von Joe Hisaishi gibt, der Haus- und Hofkomponist beim Studio Ghibli ist. Und so ein Ding verkauft sich dann in Deutschland leider nicht so gut. Und dann finde ich es ganz toll, dass man dem da treu bleibt und dann eben nicht die breite Masse bedient, sondern die Nische, die sich dann halt umso mehr freut.

[14:45]

Was glaubst du, muss ein Soundtrack unbedingt mitbringen, damit er so richtig mitreißt und einen umhaut?

Nino: Facettenreichtum, denke ich. Also es gibt viele Soundtracks. Da ähneln sich die Stücke halt wahnsinnig, was ich dann sehr schade finde. Natürlich ziehen sich so gewisse Grundthemen immer durch, aber ich finde es halt wichtig, dass ein gewisser Facettenreichtum und eine gewisse Abwechslung einfach gewährleistet ist. Und das hat man zum Beispiel auch bei Final Fantasy. Gerade bei den älteren Final Fantasy-Teilen, die sind teilweise unglaublich abwechslungsreich. Wenn ich da an Final Fantasy VII, VIII oder auch IX denke. Also das ist wirklich absolut unglaublich. Und ich denke, das ist schon sehr wichtig, weil sonst kannibalisiert man sich da ja so ein bisschen selbst, wenn man jetzt auf ein Thema setzt und auf einen Stil und das halt so komplett durchzieht, ohne ein bisschen nach Links und Rechts zu gucken. Deswegen finde ich es schon sehr sehr wichtig, wenn man da so eine gewisse Abwechslung hat. Gerne auch mal das ein oder andere Stück mit Lyrics. Das ging ja bei Final Fantasy auch. Ich glaube mit Teil 9 ging das damals los, dass man dann auch wirklich mal einen Song hatte. Eine gewisse Abwechslung ist da glaube sehr sehr wichtig.

“Eine Affinität zu Videospielen ist nicht zwingend notwendig”

[18:21]

Würdest du Final Symphony jedem empfehlen, also auch Personen, die keine Affinität zu Videospielen haben?

Nino: Das auf jeden Fall. Also man sollte schon eine Affinität zu klassischer Musik haben, finde ich. Eine Affinität zu Videospielen ist nicht zwingend notwendig, es ist halt einfach ein kleiner Bonus, wenn man dann da drin sitzt, sich das anhört und weiß: “Ah, das ist die Stelle wo Nibelheim abbrennt.” oder “Das ist die Stelle, wo Terra gegen Kefka kämpft.”. Das ist natürlich schon cool und sorgt nochmal für so einen zusätzlichen emotionalen Boost, aber man muss keine Videospiele spielen, man muss keine Videospiele mögen und man muss glaube ich auch in dem Fall kein Final Fantasy Vorwissen oder keine Final Fantasy Begeisterung mitbringen, um da ein tolles Konzert genießen zu können.

 

Vielen Dank Nino, dass du dir für das Interview Zeit genommen hast!

Das Konzert Final Symphony, mit Musik aus Final Fantasy XI, XII und X, findet am 14. März 2018 in der Philharmonie im Gasteig München statt.

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