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Weltstadtmusik mit Herz: G.Rag y los Hermanos Patchekos - Pain Perdu [Gutfeeling]

Platte des Monats Mai 2012

München, du glückliche Stadt! Es gibt so vieles, worum dich andere Städte beneiden können. So auch die Band mit dem klingenden Namen G.Rag y los Hermanos Patchekos.

Dass hier erst gar keine Missverständnisse aufkommen: Es ist keine klassische "Weltmusik", die G.Rag y los Hermanos Patchekos veranstalten. Aber es ist Weltmusik im allerbesten Sinne: global orientiert, progressiv aber dennoch traditionsbewusst und ungemein authentisch. Irgendwie alles in einem, aber ohne beliebig zu sein. Das ist die große Kunst von G.Rag y los Hermanos Patchekos. Daran erkennt man das Original (seit 1999).

Das "Münchner Original", könnte man auch sagen. Denn, diesen Eindruck gewinne ich mehr und mehr (und nicht erst seit ihren kongenialen Vertonungen zu München 7): der warme, raue, zuversichtlich-weltschmerzliche Sound dieser Band, mit seinem augenzwinkernden Pathos und der leichten Schwere, ist der ideale Soundtrack für diese immer noch lebensfrohe, dorfgebliebene Millionenstadt.

Perfektes Beispiel dafür ist das nunmehr sechste Album Pain Perdu, das Blues, Latino-Karibisches, (Italo-) Western, Volksmusikaleskes und folkig-trashigen Sound gewohnt stilsicher und unverkrampft in sich vereint. Die Steeldrum gesellt sich zum Akkordeon, Bläser legen sich über Gitarre und Bass, und die Melodica macht es sich zwischen Percussion und Schlagzeug gemütlich.

Ehrlich und mit der richtigen Prise Patina produziert ist dieser Sound. Es klingt sonnig, erdig, heiß und schattig, sanft und herb. Wie ein Sonnentag am Isarufer, nach dem man selig, aber auch ein wenig nachdenklich nach Hause wankt. Man durchschreitet diese föhnverwöhnte Stadt, aber hat die Weite der Welt in der Nase und fühlt Heim- und Fernweh zugleich.

Nicht Aufbewahrung der Asche, sondern Weitergabe des Feuers

So authentisch wie möglich, so originalgetreu wie nötig. So könnte das Motto lauten. Die großen Inspiratoren (Hank Williams, Ennio Morricone, Tom Waits, Woody Guthrie, Jimmie Rodgers u.v.a.) werden nicht vergessen. Dennoch gibt es diesmal kein Cover auf der Platte. Braucht es aber auch gar nicht. Der Sound von G.Rag y los Hermanos Patchekos ist inzwischen so weit fortgeschritten, so vielseitig und stimmig in sich, dass sie sich mehr als genügen. Und dass jeder, der sich für handwerklich gemachte Musik begeistern kann, etwas für sich auf der Platte finden wird.

Die Musik ist ungemein stimmungsvoll und ausdrucksstark. Von den zwölf Tracks kommt die Hälfte daher auch ganz ohne Vocals aus. Gibt man sich dem Patcheko-Sound hin, entstehen wie ganz von selbst Bilder im Kopf: Der Altmünchner fährt leicht bierselig "Caroussel"; der Cowboy sieht den "Phoenix" kreisen; die unbekannte Schöne tanzt im Kerzenschein eine "Cumbia Oriental"; und der ewige Grantler am Tresen mosert über diese "Crazy Time", in der wir leben. Das ist großes musikalisches Kino. Rhythmik und Melodik bewegen sich zwischen schleppendem Blues, treibenden Latino-Rhythmen und gemütlichem Dreivierteltakt, die Stimmung zwischen raffinierter Energie, positivem Stolz und zelebrierter Melancholie.

Der Star ist die Mannschaft (und hat keinerlei Allüren)


Pain Perdu funktioniert. Und das, da bin ich mir sicher, im urigen Münchner Wirtshaus ebenso wie einem lateinamerikanischem Tanzlokal oder einer Saloonbar im heißen Arizona. Denn so heterogen die Mischung für den Unbewanderten musikalisch auch erst einmal anmuten mag: die elfköpfige Band ist ein dermaßen gut eingespieltes Team und schafft es, aus all den Einflüssen ein homogenes Ganzes zu machen. Und sich immer noch selbst treu und dabei unverwechselbar zu bleiben.

Die Musik steht klar im Vordergrund. Das hört man. Und das zeigt sich auch live, wenn G.Rag y los Hermanos Patchekos noch die kleinste Bühne erklimmen und dort spielen, wo sie spielen möchten, und nicht da, wo sie vielleicht eigentlich spielen müssten oder könnten. Lieber die Schallplatten in Eigenregie pressen und auf dem kleinen, aber umso sympathischeren Label Gutfeeling rausbringen. Sich nicht dreinreden lassen. Die Platten dann im eigenen Laden an Kenner verkaufen. Sein eigenes Ding machen. Und lieber das ein oder andere Konzert mehr daheim spielen, auch (oder gerade weil) man dort oft gar nicht zu wissen scheint, was man eigentlich an dieser Band hat.

Es ist auf alle Fälle zu hoffen, dass mit Pain Perdu noch ein paar mehr dazu kommen, die es wissen. Wenn mich jedenfalls Leute von außerhalb fragen, was man denn von München unbedingt gesehen haben muss, dann sage ich schon lange (und meine es ernst): ein Konzert von G.Rag y los Hermanos Patchekos.

Pain Perdu von G.Rag y los Hermanos Patchekos erschien am 11. Mai 2012 bei Gutfeeling.

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