Abschaltung der Kernspaltung
"Haben wir nach Tschernobyl denn nicht laut genug geschrien?" So haben manche Münchner die Debatte zum Atomausstieg kommentiert. Und sie haben recht: Ohne die Atomkatastrophe in Fukushima und die öffentliche Diskussion daraufhin wäre der endgültige Atomausstieg wohl dieses Jahr kein Thema im Bundestag gewesen. Noch im letzten Herbst hat die schwarz-gelbe Regierung die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert.
Am Donnerstag hat der deutsche Bundestag beschlossen, bis 2022 alle Atomkraftwerke abzuschalten. Union und FDP standen in der Abstimmung geschlossen hinter ihrem Konzept. Aber auch SPD und Grüne stimmten für den Gesetzesentwurf. Sie sehen sich dabei als Sieger in der enegiepolitischen Debatte, weil die Regierung den rot-grünen Atomausstieg von ihnen übernommen habe. Gegen die Pläne von Schwarz-Gelb waren nur die Linken: Sie sehen eine Gefahr darin, dass die Regierung jederzeit wieder AKW-Laufzeiten verlängern kann. Das möchten sie mit einer Grundgesetzänderung verhindern.
Die "Anti-AKW-Partei"
Die Grünen wollten eigentlich den Atomausstieg bis 2017 erreichen. Seit über dreißig Jahren schon fordern sie die Abschaltung aller Atomkraftwerke. Jetzt stimmten sie aber trotzdem für den schwarz-gelben Gesetzentwurf. Diese Entscheidung bedeutet einen Sieg der Realisten über die Fundamentalisten in der Partei: Die Grünen wollen lieber regierungsfähig wirken als für immer die "Dagegen-Partei" zu sein. Laut Renate Künast sei die Zustimmung der Grünen jedoch nur ein "Ja, aber...": Ab 2013 wollen sie dann nämlich Regierungspartei sein um den Atomausstieg anders, "echt grün" zu gestalten.
Abschalten – und jetzt?
Der Ausstieg bis 2022 wurde von Union und FDP geplant. Neun Atomkraftwerke bleiben am Netz. Sie werden 2021 und 2022 abgeschaltet. Allerdings soll ein weiteres AKW im Stand-by-Betrieb bereitgehalten werden, um Engpässe bei der Stromversorgung auszugleichen. Am Donnerstag wurden zwar auch Gesetze zur Erweiterung der alternativen Energien verabschiedet. Um die Stromversorgung garantieren zu können, will die Bundesregierung unter Umständen aber sogar wieder mehr Kohlekraftwerke in Betrieb nehmen. Diese Entscheidung wird sich wohl keiner großen Beliebtheit erfreuen. Dabei wollte die Bundesregierung doch gerade mit dem Atomausstieg Wählergunst zurückgewinnen.