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Nahost-Korrespondent Armbruster über seine Arbeit in Krisengebieten

„Manchmal muss man über seine Ethik hinweg springen“

Quelle: © Superbass / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

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Jörg Armbruster war viele Jahre ARD-Korrespondent im Nahen und Mittleren Osten. Er spricht über die Vorbereitungen für seine Arbeit im Ausland und das ethische Dilemma in Krisensituationen.

Jörg Armbruster war viele Jahre ARD-Korrespondent im Nahen und Mittleren Osten. Er spricht über die Vorbereitungen für seine Auslandseinsätze und ethnische Dilemmata in Krisensituationen.

Er gilt als
das Aushängeschild für seriösen Auslandsjournalismus. Jörg Armbruster war viele Jahre ARD-Korrespondent im Nahen und Mittleren Osten. Als Reporter berichtete er unter anderem aus Bagdad, Kairo und Damaskus von Krisen und Revolutionen. Nicht ohne Risiko: in Syrien wurde er im Frühjahr diesen Jahres angeschossen. Für seine Berichterstattung wurde er mit dem begehrten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ausgezeichnet.

Als Leiter des ARD Studios in Kairo war Jörg Armbruster verantwortlich für ein Berichtsgebiet, das sich von Ägypten über Syrien bis zum Irak erstreckt. Jetzt, mit 66 Jahren, könnte er sich eigentlich wohlverdient zurücklehnen und zusehen, wie eine neue Generation von Auslandsreportern versucht, die komplexen Sachverhalte im Nahen Osten einzuordnen. Die Region mit ihrer Geschichte aus Krisen und Kriegen übt eine reizvolle Anziehung auf viele Korrespondenten aus. Für Jörg Armbruster war das sein Wunschziel, „weil das eine sehr spannende Gegend ist in der Weltpolitik passiert, siehe Irakkrieg, siehe jetzt die großen Umbrüche im Nahen Osten. Der Nahe Osten hat das Öl und am Öl hängt sehr viel.“

„Wenn man das Leid der Menschen sieht, ist es schwierig Distanz zu wahren“

Vor seinem ersten Auslandseinsatz in Kairo Ende der 1990er Jahre, bereitete er sich durch umfassende Recherche vor: Er traf ägyptische Journalisten und Experten, die ihm über das Land, die Kultur und dessen spezifischen Eigenheiten erzählen konnten. Mindestens genauso wichtig ist, wie er findet, die Auseinandersetzung mit der Religion: „Ein Verständnis der Religion ist ganz wichtig, um nicht in jede Falle zu tappen. Das muss man sich auch erarbeiten, indem man zum Beispiel in Moscheen geht, sich dort mit Predigern und Gläubigen auseinandersetzt, hab ich alles gemacht, dann bekommt man ein kulturelles Verständnis für diese Länder und das ist ganz entscheidend um Dinge zu beurteilen.“

Annäherung an die Kultur und die Einheimischen auf der einen Seite, aber auch Wahrung einer gewissen Distanz auf der anderen Seite sind notwendig um möglichst objektiv zu berichten. Besonders schwierig wird es, wenn man im Krieg nur Einblick in eine der beiden Konfliktparteien bekommt. Während seiner Zeit in Syrien, hielt sich Armbruster lange auf Seiten der Rebellen auf und sah tagtäglich das Leid vieler unschuldiger Zivilisten. Fällt die Objektivität dem Krieg auch irgendwann zum Opfer? „Ach, das mir der Objektivität ist in der Berichterstattung als Reporter ohnehin eine große Schwierigkeit, ob wir immer objektiv berichten, auch in normalen Situationen … da mache ich ein großes Fragezeichen dahinter, weil es natürlich um die eigene Wahrnehmung geht. Aber wenn man das Leid der Menschen sieht, dann ist es schon schwierig die Distanz zu bewahren.“

Es gibt keine Nachricht, für die es sich lohnt sein Leben zu riskieren

Im März diesen Jahres wurde der erfahrene Korrespondent in Aleppo, im Norden Syriens angeschossen. Er gerät gemeinsam mit einem Kollegen in einen Schusswechsel zwischen Regierungstruppen und Rebellen. Eine Situation mit der niemand gerechnet hat. Denn das Risiko bewusst in Kauf genommen, hätte Armbruster sicher nicht: „Ich riskiere mein Leben nicht. Es gibt keine Nachricht, für die es sich lohnt sein Leben zu riskieren. Wie weit ich gehe, muss man wirklich im Einzelfall entscheiden. Man kann sich nicht sehr früh zurückziehen, aber man sollte sich dann zurückziehen, wenn der Bauch sagt: Jetzt reicht‘s.“

Als Kriegsreporter sieht er sich nicht: „Ich berichte lieber über die Regionen zu friedlichen Zeiten. Es entsteht auch schnell das Bild dieser Region, als gäbe es dort nichts anderes als Krieg und Krisen und Bomben und Morden, das ist natürlich überhaupt nicht so der Fall, da gibt es natürlich auch sehr viel schöne Seiten die zu berichten sehr lohnenswert sind .“

„Man fragt sich: Reicht das aus, die Kamera auf das schreiende Kind zu halten?“

Als Studioleiter in Kairo hat er sich das nicht aussuchen können. Es ist seine Aufgabe, raus zu gehen und über die Grausamkeiten des Krieges zu berichten. Mit moralisch fragwürdigen Situationen umgehen zu müssen, wird dann zum Tagesgeschäft. „Wenn man kleine Kinder schwer verletzt in einem Krankenhaus sieht, fragt man sich auch: Reicht das jetzt hier aus, die Kamera drauf zu halten oder ist es ethisch verantwortbar die Kamera drauf zu halten und das schreiende Kind zu drehen? Aber man weiß genau: Solche wehklagenden und schreienden Kinder transportieren eine ganz bestimmte Botschaft, die man zu Hause unter die Leute bringen will. Insofern muss man manchmal auch über seine Ethik hinweg springen.“

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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