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Proteste in Indien weiten sich aus

Medienbild Indien: Karikatur oder Wirklichkeit?

Quelle: © M M(Padmanaba01)

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Seit der brutalen Vergewaltigung einer Frau in Neu-Delhi Mitte Dezember, ist eine rege Debatte über die Rolle der Frau in Indien entbrannt – auch in Deutschland.

Seit der brutalen Vergewaltigung einer Frau in Neu-Delhi Mitte Dezember, ist eine rege Debatte über die Rolle der Frau in Indien entbrannt – auch in Deutschland. Die weit verbreitete Meinung hierzulande: Indische Frauen werden als Menschen zweiter Klassen behandelt, die am Rande der Gesellschaft leben und vom patriarchalen System unterdrückt werden. Ist das ein Fakt oder ein Klischee, dem sich der Westen aus Bequemlichkeit bedient?


Dr. Zydenbos ist Professor für moderne Indologie an der LMU und hat mehrere Jahre in Indien gelebt und gearbeitet. Er ist empört über die einseitige Berichterstattung nach dem Vergewaltigungsfall, sowie die häufig klischeehafte Sicht auf Indien: „Ich habe mich maßlos darüber geärgert, was für bizarre und dumme Stereotypen über das 'exotische Indien' wieder aus dem Schrank geholt werden, um über das Land und über die neueren Ereignisse zu berichten.“

Das hierarchisierte Kastensystem, Zwangsheirat und die Abtreibung weiblicher Föten sind nur einige Schlagworte der Debatte, die ein stereotypes Bild von Indien verfestigen: das eines korrupten Staates, der die Bezeichnung „Demokratie“ nur auf dem Papier trägt. „Das ist sehr stark überzogen, das ist eine Karikatur der Wirklichkeit, eine so starke Vereinfachung, dass viele Inder, wenn sie das hören würden, sich darin nicht erkennen“, so der Indologe.


„Die Münchner Schickeria ist nichts anderes als eine Kaste“


Eine Karikatur hat aber nicht selten einen wahren Kern. Dieser zeigt sich sehr deutlich am demographischen Wandel Indiens. Aufgrund der Abtreibung weiblicher Föten gibt es in Nordindien einen erheblichen Männerüberschuss. Man erkennt die schwache Stellung der Frau deutlich daran, dass es ein großer Nachteil ist, eine Tochter zur Welt zu bringen, meint Jens-Uwe Hartmann, ebenfalls Professor für Indologie und Tibetologie: „Die Stellung der Frau ist anders als bei uns. Frauen sind wie Menschen zweiter Klasse. Die haben nicht denselben Wert, zumindest in der hinduistischen Kastengesellschaft nicht denselben Wert.“

An diesem Punkt macht aber sein Kollege Zydenbos klar, dass die westliche Vorstellung einer indischen Kastengesellschaft nicht der heutigen Realität entspricht. Er prangert den Westen an, selbst in einem hierarchisierten System zu leben - ohne sich dies jedoch einzugestehen. Unverhohlen formuliert er den Vorwurf aus Sicht der Inder: „Ihr seid scheinheilig! Wir nicht. Wir nennen die Sache beim Namen. Wir erkennen, dass es so etwas wie unterschiedliche Bevölkerungsschichten gibt. Jeder weiß doch, dass es hier in der Stadt München eine Münchner Schickeria gibt, zu der nicht jedermann Zugang hat. Ist das keine Kaste? Natürlich! Das ist genau dasselbe. Nur hat diese Kaste keinen offiziellen Namen.“


„Die Inder sind nicht passiv und lethargisch, wie so viele Europäer“


Auch wenn es um die Frage der Demokratie geht, sollten sich laut Zydenbos die Europäer zuerst an die eigene Nase fassen, bevor sie die Verhältnisse in Indien anprangern. Als Beispiel dafür greift er die jüngsten Demonstrationen auf, die der Vergewaltigung der jungen Studentin in weiten Teilen Indiens folgten: „Denn, was heißt es, dass abertausende von Menschen auf die Straße gehen und protestieren? Das heißt, sie fühlen sich als Bürger einer Demokratie, wo es einen Unterschied macht, ob man seine Stimme hören lässt oder nicht. Sie sind nicht passiv und lethargisch, wie so viele Europäer. Nein, die Inder glauben, dass sie auch sofort auf die Politik einen Einfluss ausüben können.“

Ein funktionierendes Justizsystem ist Basis für eine Demokratie

Siddharth Mudgal ist Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsch-Indische Zusammenarbeit in München (GDIZ). Er lebt an der Schnittstelle zwischen beiden Kulturen: in Indien aufgewachsen, ist seit zehn Jahren Deutschland seine Heimat. Er hofft auf politische Veränderungen durch den Druck der Protestierenden. Besonders was die Justiz anbelant bestehe Nachholbedarf.: „Ich glaube auch weiterhin, wenn Indien und die indische Regierung das Land eine Demokratie nennen möchten, müssen sie wirklich lernen, dass der Sicherheitsapparat, das Justizsystem auch entsprechend gut funktionieren muss.“

 

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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M94.5 präsentiert
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Samstag, 27. Oktober 2018
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