Das Zünglein an der Waage
Die französische Präsidentenwahl könnte an den Rändern des politischen Spektrums entschieden werden. Linksaußen und der rechte Rand legen zu, auch Amtsinhaber Sarkozy darf wieder hoffen.
Bis vor kurzem deuteten noch alle Umfragen auf einen komfortablen Sieg des Sozialisten François Hollande hin, doch der aktuelle Präsident Nicolas Sarkozy holt auf. Die Tragödie von Toulouse hat dem konservativen Politiker Rückenwind verschafft. Er kann nun in seiner Lieblingsrolle aufgehen: Der große Staatsmann, der die Nation beschützt und zusammenhält. Eine Strategie, die durchaus funktioniert im vom Terror verunsicherten Frankreich.
Alternativen zu Hollande und Sarkozy als Zünglein an der Waage
Doch nicht nur diese beiden Männer bewerben sich um die Präsidentschaft. Auch der Zentrums-Kandidat François Bayrou, der Links-Außen-Kandidat Jean-Luc Mélenchon und die rechtsextreme Marine Le Pen wollen die kommenden Wahlen für sich entscheiden. Besonders die beiden letzteren könnten am Ende das entscheidende Zünglein an der Waage sein.
François Hollande und Jean-Luc Mélenchon stammen beide aus der Sozialistischen Partei. Während Hollande die Partei heute im Präsidentschaftswahlkampf führt, trat Mélenchon 2008 im Streit aus der Partei aus und gründete die neue „Partie de Gauche“. Ein Vorgang der nicht von ungefähr an die Gründung der Linkspartei erinnert, wurde Mélenchon dabei doch von seinem Freund Oskar Lafontaine unterstützt.
Mélenchon als Enfant Terrible
Im Wahlkampf gefällt sich der Kandidat der Front de Gauche, der Kommunistischen Partei und anderer linker Gruppierungen als Enfant Terrible. Er teilt aus und spart nicht mit harten Worten. Sarkozy bezeichnete er als „totale Null“, die Rechtsextreme Marine Le Pen als „Halbverrückte“ und auch der ehemalige Parteifreund François Hollande kam nicht ungeschoren davon: er sei ein „Batteriehuhn, gemästet in den Eliteschulen“.
Zu Beginn des Wahlkampfes wurde Mélenchon noch als Witzfigur belächelt, als politisch irrelevant, doch dann begannen seine harten Parolen von einer „anderen Welt“, von „Solidarität, Einheit und Gleichheit“ anzukommen. Der Kandidat besinnt sich auf sozialistische Grundtugenden und scheut dabei nicht den Konflikt mit dem Etablissement. Gerade, weil er sich damit dem weitgehend reibungsfreien Weg der Mitte von Hollande oder Sarkozy entgegenstellt, kann der Kandidat seine Umfragewerte laufend verbessern. Seine Klientel von jungen Arbeitslosen, Angestellten, armen Rentnern, aber auch Schülern, Studenten und Teilen der Mittelschicht bringen ihn in Umfragen teilweise schon vor der Rechtsextremen Marine Le Pen auf Platz drei. Bei einem Wahlkampfauftritt in Paris kamen über 120.000 Anhänger auf den Platz der Bastille, um ihm zuzuhören. „Er ist einfach echt, kein Wendehals, wie die anderen,“ sagte eine jugendliche Anhängerin. Ein Rentner fügte hinzu: „Hollande oder Sarkozy, das macht doch keinen Unterschied. Die einzige Alternative ist Mélenchon!“
Rechenspiele zum Wahlausgang
Sollte Mélenchon im ersten Wahldurchgang am 22. April ein ähnlich starkes Ergebnis einfahren, wie es die Umfragen prophezeien, könnte das Hollande den schon sicher geglaubten Triumph kosten. Seine Hauptwählerschaft bezieht Mélenchon nämlich von enttäuschten Anhängern der Sozialisten und raubt Hollande damit entscheidende Stimmen. Sollte Sarkozy den ersten Wahldurchgang für sich entscheiden, wird es eng für Hollande. Bisher war es noch fast immer der Sieger des ersten Wahldurchganges, der auch die spätere Stichwahl für sich entscheiden konnte.
Bildquelle: estorde unter CC BY-NC-ND 2.0