Medienpolitik-Interview
Der IS setzt auf westliche Medien
Islamwissenschaftler Dr. David Arn von der LMU spricht über den Islamischen Staat und seine Medienstrategie.
M94.5: Der Islamische Staat ist sehr professionell aufgestellt, was seine Medienpolitik betrifft. Wie organisiert sich der IS genau?
Er fährt da eine sehr ausgeklügelte Medienstrategie. Es gibt eine Art Medienministerium und einen Medienminister. Diese Person überwacht bis zu fünf „Medienproduktionsfirmen“. Davon sind zwei wichtig. Die eine ist die ganz Traditionelle vom Islamischen Staat selbst, die das Propaganda-Material auf Arabisch produziert und dann gibt es noch Al-Hayat. Diese Produktionsfirma produziert die Inhalte in europäischen Sprachen. Außerdem gibt es seit einigen Monaten auch einige Online-Magazine des IS auf Türkisch, Russisch und Englisch. Außerdem hat jede Provinz im Islamischen Staat ihr eigenes Medienbüro.
Inwiefern setzt der Islamische Staat bei seiner Medienproduktion auf die westlichen und internationalen Medien?
Sehr stark. Es ist interessant wenn man den IS mit Al-Kaida vergleicht. Die Kaida war ja dafür bekannt, das sie alle Statements, die sie öffentlich haben wollte, früher an Al-Jazeera gesendet hat. Der IS macht das ganz anders. Der stellt seine ganzen Medienprodukte, also die Online-Magazine oder die Videos, in verschiedene soziale Netzwerke und es sind dann die westlichen Medien, die ganz aktiv danach suchen. Der IS kann sich also darauf verlassen, dass die Medien selbst suchen und von sich aus die ganzen Medienprodukte konsumieren.
Tragen unsere Medien dann zur Bekanntheit des Islamischen Staats bei?
Ich bin schon stark der Meinung, das die westlichen Medien einen großen Anteil an der Bekanntheit des Islamischen Staats haben, weil die mediale Bekanntheit lange Zeit sehr viel bedeutender gewesen war, als die Gruppierung vor Ort. Es ist quasi eine unausgesprochene Kooperation zwischen dem IS und den westlichen Medien, was auf die gewalttätigen Inhalte der Videos zurückzuführen ist. Der Islamische Staat weiß, wie er die Sensationsgier der westlichen Medien bedienen kann.
Können Terrorgruppen wie der Islamische Staat dann überhaupt nur durch diese mediale Aufmerksamkeit bestehen?
Im IS ist das Mediale natürlich ganz wichtig, damit immer wieder ausländische Kämpfer nachkommen. Aber der politische Aspekt, warum der Islamische Staat überleben kann, da sind die verschiedenen Staaten in der Region sehr eng involviert. Vor allem die Türkei sowie auch andere Staaten haben da eine sehr undurchsichtige Rolle.
Gehört es auch zur Strategie des IS, dass westliche Journalisten wie Jürgen Todenhöfer in den IS reisen dürfen, um dann hier von deren Schreckensherrschaft zu berichten?
Ich glaube nicht, dass es eine grundsätzliche Strategie ist, denn bekanntlich konnte ja seither niemand mehr dorthin reisen. Jürgen Todenhöfer war sich der Gefahr bewusst, dass er instrumentalisiert wird und hat entsprechend differenziert darüber berichtet. Aber er hatte nicht Zugang zum tatsächlichen Leben.
Die Gewaltvideos sind ja sehr dramatisch. Was fällt bei der Inszenierung der Videos besonders auf?
In der Tat schon mal die absolute Grausamkeit und der Sadismus in den Videos. Und bei der Inszenierung bedient sich der IS der neuesten Technologien, die man auch in Hollywood findet. Es ist höchstauflösend aufgenommen und mit modernster Videosoftware zugeschnitten. Was bei uns aber meistens nicht gesehen wird und mich am meisten interessiert, ist die Legitimationsstrategie der Gewalt. Also da wird dann bildlich Bezug genommen auf die zivilen Opfer der amerikanischen Bombenanschlägen in der Region. Damit möchte ich den IS nicht legitimieren, aber man muss miteinbeziehen, dass der IS auch eine Reaktion auf die jahrzehntelange Einmischung der USA, und der europäischen Staaten ist. Und diese Argumentation findet man auch in den Videos wieder.
Welche Rollen spielen soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Instagramm?
Die spielen eine zentrale Rolle bei der Verbreitung des Propagandamaterials. Die einzelnen IS-Kämpfer stehen über die sozialen Medien auch in Kontakt mit Sympathisanten oder mit Anhängern in Europa. Sympathisanten können also direkt ins Gespräch mit IS-Kämpfern kommen und werden von diesen Personen auch ganz aktiv angeworben. Die Nutzung der sozialen Medien spiegelt einfach die Realität der heutigen Jugend wider, da der IS ja auch vor allem aus jungen Leuten besteht.
Also ist es auch gar kein Gegensatz das der IS von seiner Ideologie so rückwärtsgewandt ist und trotzdem so moderne Medien nutzt?
Überhaupt nicht. Der Fundamentalismus ist ja per sé eine moderne Bewegung. Salafismus ist dann der adäquate Begriff im Arabischen. Die Suche nach einem reinen Ursprung, nach dem richtigen Leben ist ein modernes Phänomen.