Winfried Kretschmann wird "Politiker des Jahres"
Die Grünen bauen einen Bahnhof
Einen Grund zum Feiern hatte am Montag der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Im „Tipi“-Zelt neben dem Kanzleramt wurde der 62-jährige gestern zum „Politiker des Jahres 2011“ ernannt. Geladen hatte das Magazin „Politik und Kommunikation“, das den Preis seit 2003 verleiht.
Einen Grund zum Feiern hatte am Montag der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Im „Tipi“-Zelt neben dem Kanzleramt wurde der 62-jährige gestern zum „Politiker des Jahres 2011“ ernannt. Geladen hatte das Magazin „Politik und Kommunikation“, das den Preis seit 2003 verleiht.
Die Auszeichnung kommt nur einen Tag nach der bisher größten Niederlage in Kretschmanns noch junger Amtszeit. Am Sonntag stimmte in Baden-Württemberg eine Mehrheit gegen den Ausstieg aus dem Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Kretschmanns Partei, die Grünen, waren die einzige der im Landtag vertretenen Parteien, die sich gegen den Bau des Bahnhofs eingesetzt haben. Doch das Volk entschied gegen den Willen des Ministerpräsidenten. Mit 59% stimmte es für den Weiterbau des neuen Bahnhofs.
Die Angst vor dem teuren Ausstieg
Ausschlaggebend war wohl die Angst vor hohen Kosten, die ein Ausstieg nach sich ziehen würde. Mit rund 1,5 Milliarden Euro bezifferte die Bahn die Ausstiegskosten, von vergleichsweise günstigen 350 Millionen sprachen andere Gutachter. Doch die Summe 1,5 Milliarden hat bleibenden Eindruck hinterlassen, legt zumindest eine Umfrage des SWR nahe. 43% gaben darin an, wegen zu hoher Kosten gegen das Ausstiegsgesetz zu sein.
Kretschmann ist nun mit verantwortlich für den NeubauNun liegt es bei den Grünen den umstrittenen Bahnhof zu bauen. Eine Aufgabe, die sich Kretschmann selbst wohl nie hätte vorstellen können – immerhin kämpfte er seine halbe politische Laufbahn gegen das Projekt. „Wir werden jetzt umschalten von ablehnend-kritisch auf konstruktiv-kritisch. Das ist natürlich für alle von uns Grünen eine große Herausforderung“ sagte er am Montag in Stuttgart. Während Kretschmann seine neue Aufgabe annimmt, kündigen viele Bahnhofsgegner an, weiter demonstrieren zu wollen. Anfang nächsten Jahres soll der Teilabriss des alten Bahnhofs fortgesetzt werden und Kretschmann wird das Baurecht der Bahn gegen die Demonstranten durchsetzten müssen, zur Not mit der Polizei.
Und es sind noch lange nicht alle Fragen geklärt
Doch momentan laufen in der Villa Reizenstein, dem Amtssitz des Ministerpräsidenten, die Vorbereitungen auf den nächsten Stolperstein beim umstrittenen Großprojekt. Auf 4,5 Milliarden beziffert die Bahn die Kosten für S21, rund 930 Millionen davon trägt das Land Baden-Württemberg. „Mit größeren Beträgen werden wir uns an dem Projekt nicht beteiligen“ stellte Kretschmann am Montag klar.
Die Deutsche Bahn rechnet mit 4,5 Milliarden Euro Baukosten
Doch Großprojekte werden regelmäßig weit teurer als ursprünglich geplant. Das ist auch bei Stuttgart 21 zu befürchten, die Grünen selbst haben immer wieder darauf hingewiesen. Von wem die Mehrkosten getragen werden sollen ist Streitpunkt zwischen der Deutschen Bahn und der grün-roten Landesregierung. Bahnchef Rüdiger Grube sieht auch das Land Baden-Würrtemberg in der Pflicht, im Zweifelsfall mehr zu zahlen. „Es kann nicht sein, dass sich einer abseits setzt und sagt: Ich nicht,“ reagierte Grube auf den Kostendeckel der Landesregierung.
Das Land will sich an eventuelle Mehrkosten nicht beteiligen
Sich dem Dialog mit der Bahn zu verweigern wäre aber ungewöhnlich für Kretschmann. „Der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands hat einen neuen Politikstil der Offenheit und Beteiligung in die baden-württembergische Landespolitik gebracht“ heißt es in Begründung der Preisverleihung als Politiker des Jahres 2011. Zu Kretschmanns Politikstil gehört es, mit allen Lagern zu reden. Selbst vom politischer Gegner wird er für seine pragmatische Art geschätzt. Darauf spekuliert wohl auch die Deutsche Bahn. Denn wenn in Stuttgart das Geld ausgehen sollte und der Bahnhof erst halb-fertig ist, wird das Land weitere Zuschüsse wohl kaum verweigern können.