Bundestagswahl
E-Wahlen: Auch in Deutschland?
Wahlen in Deutschland finden bisher immer noch auf dem Papier statt. Doch bald könnte es digital werden, wie schon in Estland. Eine Behörde hat den Weg frei gemacht.
Was bis vor kurzem in Deutschland noch als Utopie galt, könnte bald Wirklichkeit werden: die elektronische Wahl. Der Leiter des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm sagte dem Handelsblatt im Interview:
"Wenn wir das Thema Digitalisierung ernst nehmen, dann dürfen wir dabei nicht einzelne Bereiche ausblenden. [...] Die elektronische Wahl sollte Thema in der nächsten Legislaturperiode sein."
Arne Schönbohm im Handelsblatt-Interview am 11.09.2017
Sicherheitsbedenken sind noch groß
Doch Kritiker, darunter IT-Experten und die Grünen, sind gegen eine digitale Wahl. Sie befürchten, dass die Wahlergebnisse manipuliert werden könnten. Laut ihnen sei die Wahlsoftware zu leicht angreifbar. Tatsächlich ist es Hackern des Chaos Computer Clubs (CCC) gelungen in die Software einzudringen. Sie haben es geschafft, die Wahlsoftware zu einem Schachspiel umzuprogrammieren - ohne, dass es irgendjemand bemerkt hat. Für Arne Schönbohm ist die Sicherheit auch sehr wichtig, weshalb er die Option einer Zwei-Schritt-Authentifizierung mithilfe des Personalausweises aufbrachte.
Verfassungsgericht sagt "Nein"
Auch das Bundesverfassungsgericht ist gegen eine digitale Wahl. Schon im Jahr 2009 sprach sich das Bundesverfassungsgericht gegen Wahlcomputer aus. Der Grund dafür ist, dass der Grundsatz einer öffentlichen Wahl nicht mehr eingehalten werden kann. Außerdem müssen Stimmabgabe und Ergebnisermittlung überprüft werden können.
"Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl aus Art. 38 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG gebietet, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen, siweit nicht andere verfassungsrechtliche Belange eine Ausnahme rechtfertigen."
"Beim Einsatz elektronischer Wahlgeräte müssen die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können."
Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichtes vom 03.03.2009
Gelungenes Beispiel: Estland
Doch nicht alles an der digitalen Wahl muss schlecht und unsicher sein. Der baltische Staat Estland hat E-Wahlen schon seit 2005. Mithilfe einer ID-Chipkarte, die ebenfalls als Personalausweis dient, wird die Identität der Wahlberechtigten überprüft und so kann er über PC oder Handy wählen. Neben der digitalen Wahl besteht weiterhin die Möglichkeit, die traditionelle Methode mit Stift und Wahlzettel wahrzunehmen. Immer mehr Esten nutzen die Möglichkeit der e-Wahl. So haben gut 20 Prozent der Wahlberechtigten bei den Parlamentswahlen 2015 ihre Stimme digital abgegeben. Bisher ist Estland das einzige europäische Land mit digitalen Wahlen.
Wie eine elektronische oder digitale Wahl in Deutschland aussieht ist bisher noch nicht klar. Bis dahin müssten der rechtliche Rahmen für eine neue Form der Wahl geschaffen werden. Die Herausforderungen für Deutschland sind dabei noch groß: technische Gegebenheiten, Sicherheit, Verfassungstreue, Kosten sowie Datenschutz sind Themen mit denen sich die Verantwortlichen noch die nächsten Jahre auseinandersetzen werden müssen. Doch die größte Herausforderung ist es, dass die Wahlen allgemein, frei und geheim bleiben.