Ein vergessenes Thema: Kenia
Kenia war zuletzt groß in den Medien, als es während der Wahlen 2007 zu Protesten wegen Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung kam. Kaum hatte sich die Lage aber beruhigt, schwand die Aufmerksamkeit der Medien. Zeit also, dass M94.5 sich im Rahmen der vergessenen Themen damit beschäftigt.
Kenia war zuletzt groß in den Medien, als es während der Wahlen 2007 zu Protesten wegen Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung kam. Kaum hatte sich die Lage aber beruhigt, schwand die Aufmerksamkeit der Medien. Zeit also, dass M94.5 sich im Rahmen der vergessenen Themen damit beschäftigt.
Wenn es eine Regel gibt für politische Machtkämpfe, dann die, dass sie deutlich früher anfangen, als man denkt. Das gilt auch für Kenia. Will man die Empörung über die Wahlen 2007 verstehen, dann muss man weiter zurückschauen. Zum Beispiel in die Zeit der Unabhängigkeitserklärung.
Der Dezember 1963 ist für Kenia so wichtig, wie er mit dem Namen Jomo Kenyatta verbunden ist. An diesem Tag erlangte Kenia, bis dahin britische Kolonie, die Unabhängigkeit. Einer der Hauptakteure war der erste Präsident Kenias, Jomo Kenyatta, der auch als Gründervater gilt.
Wie die meisten ehemaligen Kolonien bestand Kenia aus verschiedenen Stammesgebieten mit mehreren Ethnien, die sich kaum verbunden fühlten. Der junge Staat stand also vor dem Problem, ein nationalstaatliches Gebilde zu legitimieren und zu festigen. Unter Kenyatta wurde dieser Staat nun zentralistisch; die Regierungspartei Kenya African National Union (KANU) baute ihren Einfluss aus, und zentrale Positionen besetzte Kenyatta mit Vertrauten.
Zentralismus vs Regionalismus
Um seine Kontrolle über den Staat zu festigen wurde ein Zentralismus ausgebaut, der ethnische Spannungen verschärfte, vor allem, da durch Klientelpolitik einzelne Ethnien bevorzugt wurden.
Nach Kenyattas Tod 1978 übernahm Daniel arap Moi die Macht. Nur vier Jahre später änderte er die Verfassung und schuf ein Einparteiensystem, das die Verfolgung der Opposition nunmehr juristisch legitimierte. Das schuf aber gleichzeitig eine zentralen Forderung der Opposition, die sie einte – nämlich die Forderung nach einer demokratischen Verfassung.
Die arap Moi-Ära wird oft mit dem Schlagwort "Präsidialdiktatur" beschieben – neben einer Dezentralisierung der Verwaltung, die wiederum eine Ethnisierung der Politik erleichterte, baute er vor allem die zentrale Macht des Präsidenten aus. Peter Oesterdiekhoff, Leiter des Büros der Friedrich Ebert Stiftung in Kenia, sieht den Konstitutionalismus als "das Motto der Oppositionsbewegung der 80er/90er Jahre".
Anfang der 90er wurden zwar auch andere Parteien zugelassen, aber diese verloren die Wahlen 1992 und 1997. Schuld daran waren sowohl eine Zersplitterung der Opposition als auch Wahlfälschung seitens der KANU.
In den 90ern fand eine Demokratisierung statt
Erst 2002 konnte die Opposition sich auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Mwai Kibaki als Kandidat der NARC, der New African Rainbow Coalition, gewann die Wahlen. Kibaki aber brach "das große Versprechen der NARC-Regierung 2002, innerhalb von hundert Tagen" eine neue Verfassung zu schaffen, so Oesterdiekhoff.
Laut ihm wurde 2005 über einen von reaktionären Kräften "verfälschten" Verfassungsentwurf abgestimmt, der abgelehnt wurde und dazu führte, dass Raila Odingas Orange Democratic Movement, ODM, sich aus der Regierung löste.
Dies habe dann zu den Wahlen 2007 geführt, "ohne neue Verfassung, aber mit verfeindeten, ehemaligen Koalitionspartnern". Daraus könne man auch die Enttäuschung herleiten, die sich in Protesten entlud – immerhin hatte man, 5 Jahre nach dem Sieg der Opposition, immer noch keine neue Verfassung, und die neue Regierung aus den Reihen der ehemaligen Opposition nutzte ähnliche Methoden wie die Diktatoren vor ihr, um an der Macht zu bleiben.
Bei den nun folgenden Protesten gab es zwei Entwicklungen. Auf der einen Seite verselbstständigten sich die Proteste, auf der anderen wurden Gewalttaten von einzelnen Politikern gelenkt. Vor allem auf Letzteres richtet sich nun der Fokus der Internationalen Gemeinschaft, Letztere werden bei einem möglichen Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag thematisiert werden.
Es besteht die Gefahr einer erneuten Eskalation
Bisher wurde lediglich der Anklage stattgegeben, die eigentliche Verhandlung kann noch durch ein Berufungsverfahren verzögert werden. Oesterdiekhoff sieht nun die Gefahr, dass zwei der mutmaßlichen Drahtzieher der Proteste, William Ruto und Uhuru Kenyatta, der mit dem Gründervater Jomo Kenyatta verwandt ist, eine Allianz bei den kommenden Wahlen bilden, um Odinga zu verhindern und einen eigenen Kandidaten an die Macht zu bringen. Da beide vor allem Unterstützung ihrer eigenen Ethnie haben, könnten sie die Konflikte entlang ethnischer Linien aufheizen und es könnte zu Gewalt kommen.
Diese ethnischen Konfliktlinien sind allgemein eines der Hauptprobleme Kenias, dem mit der Verfassung begegnet werden soll. Bislang verschärften vor allem Bevorzugungen einzelner Ethnien durch die jeweiligen Machthaber die Konflikte. Mit der Verfassungsreform sollen nun mehr lokale, regionale Verwaltungsstrukturen entstehen, die die Interessen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen besser wiederspiegeln sollen.
In einem Land, in dem es mehrere Separationsbewegungen gibt, und Parteien, die sich mehr über Ethnien und einzelne Personen definieren als über eine gemeinsame ideologische Basis, in einem solchen Land scheint die Überwindung ethnischer Konflikte eines der wichtigsten Themen zu sein. Egal, ob wirtschaftliche, sicherheitspolitische oder soziale Probleme bekämpft werden sollen, solange die Spaltung vorangetrieben und nicht bekämpft wird, wird man wenig Erfolg haben.
Die Vergessenen Themen hört ihr jeden Mittwoch in der Hörbar um kurz nach 17 Uhr.
Wenn es eine Regel gibt für politische Machtkämpfe, dann die, dass sie deutlich früher anfangen, als man denkt. Das gilt auch für Kenia. Will man die Empörung über die Wahlen 2007 verstehen, dann muss man weiter zurückschauen. Zum Beispiel in die Zeit der Unabhängigkeitserklärung.
Der Dezember 1963 ist für Kenia so wichtig, wie er mit dem Namen Jomo Kenyatta verbunden ist. An diesem Tag erlangte Kenia, bis dahin britische Kolonie, die Unabhängigkeit. Einer der Hauptakteure war der erste Präsident Kenias, Jomo Kenyatta, der auch als Gründervater gilt.
Wie die meisten ehemaligen Kolonien bestand Kenia aus verschiedenen Stammesgebieten mit mehreren Ethnien, die sich kaum verbunden fühlten. Der junge Staat stand also vor dem Problem, ein nationalstaatliches Gebilde zu legitimieren und zu festigen. Unter Kenyatta wurde dieser Staat nun zentralistisch; die Regierungspartei Kenya African National Union (KANU) baute ihren Einfluss aus, und zentrale Positionen besetzte Kenyatta mit Vertrauten.
Zentralismus vs Regionalismus
Um seine Kontrolle über den Staat zu festigen wurde ein Zentralismus ausgebaut, der ethnische Spannungen verschärfte, vor allem, da durch Klientelpolitik einzelne Ethnien bevorzugt wurden.
Nach Kenyattas Tod 1978 übernahm Daniel arap Moi die Macht. Nur vier Jahre später änderte er die Verfassung und schuf ein Einparteiensystem, das die Verfolgung der Opposition nunmehr juristisch legitimierte. Das schuf aber gleichzeitig eine zentralen Forderung der Opposition, die sie einte – nämlich die Forderung nach einer demokratischen Verfassung.
Die arap Moi-Ära wird oft mit dem Schlagwort "Präsidialdiktatur" beschieben – neben einer Dezentralisierung der Verwaltung, die wiederum eine Ethnisierung der Politik erleichterte, baute er vor allem die zentrale Macht des Präsidenten aus. Peter Oesterdiekhoff, Leiter des Büros der Friedrich Ebert Stiftung in Kenia, sieht den Konstitutionalismus als "das Motto der Oppositionsbewegung der 80er/90er Jahre".
Anfang der 90er wurden zwar auch andere Parteien zugelassen, aber diese verloren die Wahlen 1992 und 1997. Schuld daran waren sowohl eine Zersplitterung der Opposition als auch Wahlfälschung seitens der KANU.
In den 90ern fand eine Demokratisierung statt
Erst 2002 konnte die Opposition sich auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Mwai Kibaki als Kandidat der NARC, der New African Rainbow Coalition, gewann die Wahlen. Kibaki aber brach "das große Versprechen der NARC-Regierung 2002, innerhalb von hundert Tagen" eine neue Verfassung zu schaffen, so Oesterdiekhoff.
Laut ihm wurde 2005 über einen von reaktionären Kräften "verfälschten" Verfassungsentwurf abgestimmt, der abgelehnt wurde und dazu führte, dass Raila Odingas Orange Democratic Movement, ODM, sich aus der Regierung löste.
Dies habe dann zu den Wahlen 2007 geführt, "ohne neue Verfassung, aber mit verfeindeten, ehemaligen Koalitionspartnern". Daraus könne man auch die Enttäuschung herleiten, die sich in Protesten entlud – immerhin hatte man, 5 Jahre nach dem Sieg der Opposition, immer noch keine neue Verfassung, und die neue Regierung aus den Reihen der ehemaligen Opposition nutzte ähnliche Methoden wie die Diktatoren vor ihr, um an der Macht zu bleiben.
Bei den nun folgenden Protesten gab es zwei Entwicklungen. Auf der einen Seite verselbstständigten sich die Proteste, auf der anderen wurden Gewalttaten von einzelnen Politikern gelenkt. Vor allem auf Letzteres richtet sich nun der Fokus der Internationalen Gemeinschaft, Letztere werden bei einem möglichen Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag thematisiert werden.
Es besteht die Gefahr einer erneuten Eskalation
Bisher wurde lediglich der Anklage stattgegeben, die eigentliche Verhandlung kann noch durch ein Berufungsverfahren verzögert werden. Oesterdiekhoff sieht nun die Gefahr, dass zwei der mutmaßlichen Drahtzieher der Proteste, William Ruto und Uhuru Kenyatta, der mit dem Gründervater Jomo Kenyatta verwandt ist, eine Allianz bei den kommenden Wahlen bilden, um Odinga zu verhindern und einen eigenen Kandidaten an die Macht zu bringen. Da beide vor allem Unterstützung ihrer eigenen Ethnie haben, könnten sie die Konflikte entlang ethnischer Linien aufheizen und es könnte zu Gewalt kommen.
Diese ethnischen Konfliktlinien sind allgemein eines der Hauptprobleme Kenias, dem mit der Verfassung begegnet werden soll. Bislang verschärften vor allem Bevorzugungen einzelner Ethnien durch die jeweiligen Machthaber die Konflikte. Mit der Verfassungsreform sollen nun mehr lokale, regionale Verwaltungsstrukturen entstehen, die die Interessen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen besser wiederspiegeln sollen.
In einem Land, in dem es mehrere Separationsbewegungen gibt, und Parteien, die sich mehr über Ethnien und einzelne Personen definieren als über eine gemeinsame ideologische Basis, in einem solchen Land scheint die Überwindung ethnischer Konflikte eines der wichtigsten Themen zu sein. Egal, ob wirtschaftliche, sicherheitspolitische oder soziale Probleme bekämpft werden sollen, solange die Spaltung vorangetrieben und nicht bekämpft wird, wird man wenig Erfolg haben.
Die Vergessenen Themen hört ihr jeden Mittwoch in der Hörbar um kurz nach 17 Uhr.