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Otto Dov Kulka bekommt den Geschwister-Scholl-Preis

Ein Kind in der Metropole des Todes

Otto Dov Kulka
Quelle: M94.5

Otto Dov Kulka

Lange hat sich Otto Dov Kulka als Wissenschaftler mit dem Holocaust beschäftigt, nun erstmals als Zeitzeuge. Dafür bekommt er den Geschwister-Scholl-Preis.

Lange hat sich Otto Dov Kulka nur als Wissenschaftler mit dem Holocaust beschäftigt, nun erstmals als Zeitzeuge. Dafür bekommt er 2013 den Geschwister-Scholl-Preis, der zum 34. Mal in Gedenken an Hans und Sophie Scholl verliehen wird.

 

„Diese unzähligen Betonpfosten, man konnte sie fast noch stolz und aufrecht stehen sehen, wie in der Nacht in der unser Zug einrollte, jener Nacht, die von Ketten von Lichtern erhellt wurde, die kurz über unsere Gesichter huschten, als wir in diesen Korridor des Lichts gelangten, den erleuchteten Korridor der Metropole des Todes.“

So beschreibt Otto Dov Kulka den Moment, als er 1943 mit seiner Familie in das Vernichtungslager Auschwitz einfährt, in seinem Buch „Landschaften der Metropole des Todes“. Dafür bekommt er den Geschwister-Scholl-Preis.

 

In dem Buch beschreibt Otto Dov Kulka seine Erinnerungen an die Zeit in Auschwitz. Als Zehnjähriger wurden er und seine Familie, tschechoslowakische Juden, 1943 deportiert. Allerdings nicht in die normalen Baracken, sie blieben zusammen in den Familienlager in Sichtweite der Rampe und der Krematorien. Die Mutter wurde 1945 ermordet, Otto Dov Kulka und sein Vater überlebten. Der Vater wurde in Israel Historiker und forschte an der Aufarbeitung des Holocaust mit.

 

Otto Dov Kulka studierte in Israel zunächst Philosophie, trat dann aber auch in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Professor für jüdische Geschichte an der hebräischen Universität in Jerusalem. Obwohl inzwischen emeritiert, gehört er immer noch zu den wichtigsten israelischen Holocaustforschern, beispielsweise als Herausgeber der Quellenedition „Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933 –1945“.

 

"Fragmente der Erinnerung"

 

Lange Zeit hatte Otto Dov Kulka nur die wissenschaftliche Perspektive auf den Holocaust, den er wegen des „absoluten Endes“, das die Täter im Sinn gehabt hätten, lieber „Endlösung“ nennt. Erst als er in den 1990er Jahren an Krebs erkrankte und der Arzt ihm nur noch wenige Jahre gab, beschloss Kulka aus seinen Tagebucheinträgen ein Buch zu machen. Den Krebs hat er inzwischen besiegt, das Buch vollendete er trotzdem. Allerdings will er es nicht als Augenzeugenbericht gedeutet wissen, schreibt er im Vorwort, „sondern als die Betrachtung eines Menschen in seinen späten Fünfzigern und Sechzigern, der jene Fragmente der Erinnerung und der Vorstellungskraft in seinen Gedanken hin und her wendet, die aus der Welt des staunenden Kindes von zehn bis elf Jahren, das ich damals war, geblieben sind.“

 

Das Buch ist im Februar erschienen und traf auf große positive Resonanz. Der britische Historiker Ian Kershaw nannte es „eines der bemerkenswertesten Zeugnisse der Unmenschlichkeit, das ich kenne.“ Die Jury des Geschwister-Scholl-Preises begründete in ihrer Entscheidung, dass Kulka es durch seine Erinnerungsbilder schaffe, beim Leser die „Wahrnehmung der Vergangenheit zu verändern und somit neue Impulse für die Gegenwart zu geben.“ Das Buch sei allerdings nicht als reines Erinnerungsbuch zu verstehen, sondern zeige vielmehr Grenzen des Verstehens und der schmerzlichen Auseinandersetzung mit dem eigenen Gedächtnis auf.

 

Der Geschwister-Scholl-Preis wird jedes Jahr vom Börsenverein des deutschen Buchhandels und der Stadt München vergeben. Er soll aktuelle Bücher ehren, die bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut fördern und Impulse für verantwortliches Handeln in der Gegenwart geben. Zu den letzten Preisträgern gehörten Andreas Huckele, Liao Yiwu und Joachim Gauck.

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