30 Flüchtlinge protestieren am Sendlinger-Tor-Platz für ein Bleiberecht
Flüchtlinge im Hungerstreik
Etwa 30 Flüchtlinge befinden sich seit Samstag im Hungerstreik. Oberbürgermeister Dieter Reiter hat sie am Sendlinger-Tor-Platz besucht.
Etwa 30 Flüchtlinge befinden sich seit Samstag im Hungerstreik. Oberbürgermeister Dieter Reiter hat sie am Sendlinger-Tor-Platz besucht.
Die Bäume am Sendlinger-Tor-Platz haben kaum noch Blätter, es ist kalt, der Winter naht. Eine Gruppe von 30 Flüchtlingen hat hier ein großes, grünes Zelt aufgeschlagen, darunter liegen sie in Schlafsäcken und Decken. Seit Samstag haben sie nichts gegessen und die Nächte hier verbracht, um gegen die deutsche Flüchtlingspolitik zu protestieren und auf ihre eigene, missliche Situation aufmerksam zu machen.
Adele Ahmed ist einer von ihnen. Er ist am Wochenende aus Nordrhein-Westfalen angereist, um hier ein Zeichen zu setzen: „Wir wollen Teil dieser Gesellschaft sein, aber wir werden ignoriert. Wenn die Lokführer streiken möchten, legen sie die Arbeit nieder. Doch welche Mittel haben wir?“
Flüchtlinge fordern Bleiberecht und kritisieren Gemeinschaftsunterkünfte
Organisiert wurde der Hungerstreik von „refugee struggle for freedom“, einem Flüchtlingsnetzwerk, das in der Vergangenheit schon in Dingolfing und vor dem Brandenburger Tor zum Hungerstreik aufgerufen hatte. Die meisten der protestierenden Flüchtlinge kommen aus Afrika und dem Nahen Osten. Hauptkritikpunkte der Gruppe sind die Lager- und die Residenzpflicht. Die sogenannte Lagerpflicht sieht vor, dass Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in den Lagern bleiben müssen, die Residenzpflicht verbietet es ihnen, dass sie einen von der Behörde zugewiesenen Bereich verlassen.
Die Residenzpflicht wurde im September vom Bundesrat zwar gelockert, sodass Flüchtlinge nun nach dem vierten Monat auch Freunde außerhalb des zugewiesenen Bereichs besuchen dürfen. Für Adele sind dennoch beide Vorschriften falsch: „Die Lager sind Gefängnisse, die Residenzpflicht ist Sklaverei.“ Aus diesem Grund hat die Gruppe am Samstagnachmittag einen offenen Brief an Bayerns Sozialministerin Emilia Müller und Innenminister Joachim Hermann gerichtet, um stärker in die Gesellschaft eingegliedert zu werden, vor allem leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt zu bekommen.
Münchner sind gespalten
Zahlreiche Passanten am Sendlinger-Tor-Platz beobachten den Streik. Einige von ihnen spenden Geld, eine Frau bringt Decken, ein Mann ein paar Flaschen Wasser. Sie sprechen mit den Flüchtlingen, fragen sie, wie es ihnen geht und wie sie ihnen helfen können. Doch es gibt auch Kritik, einige Passanten halten den Hungerstreik für das falsche Signal, die aktuelle Flüchtlingspolitik für angemessen.
Zeitweise gibt es zwischen Unterstützern und Gegnern der Flüchtlinge heftige Wortgefechte. Unter den Beobachtern sind auch Chef des Kreisverwaltungsreferats Wilfried Blume-Beyerle und die Stadträte Marian Offmann und Thomas Schmidt von der CSU, der „sich vor Ort einmal selbst informieren möchte, was los ist“.
Reiter möchte Flüchtlinge in der Bayernkaserne unterbringen
Gegen 13:30 Uhr trifft schließlich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ein. Am Vormittag hat er bereits einen Krisenstab einberufen, nun nimmt er sich eine halbe Stunde Zeit, um mit den Flüchtlingen auf Englisch zu sprechen. Er hört sich ihre Probleme an, stellt immer wieder Fragen und bietet schließlich kurzfristige Hilfe an: Geben die Flüchtlinge den Hungerstreik auf, wird er sich um eine Unterbringung in der Bayernkaserne bemühen. Außerdem soll ein Treffen von Flüchtlingen, der bayerischen Staatsregierung und Flüchtlingsverbänden stattfinden.
Er appelliert an die Flüchtlinge, den Streik nun zu beenden: „Politische Arbeit braucht Zeit. Ich kann verstehen, dass sie wenig Geduld haben, aber trotzdem muss es jetzt zunächst Gespräche mit Vertretern von Ländern und Bund geben, ob es möglich ist, den Flüchtlingen noch besser zu helfen, als es derzeit der Fall ist.“