Gegen das Vergessen
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Zum 74. Gedenktag der Reichspogromnacht erinnern wir uns an das Geschehene und München als Aufrufort.
Zum 74. Gedenktag der Reichspogromnacht erinnern wir uns an das Geschehene und München als Aufrufort.
Text: Julia Röhl
Audio-Beitrag: Amelie Menzel
Am 7. November 1938 begeht Herschel Grynszpan ein Attentat auf Ernst Eduard vom Rath. Der siebzehnjährige polnische Jude, der in Paris lebt, schießt auf den NSDAP angehörigen Legationssekretär in der Deutschen Botschaft, nachdem er von der Abschiebung seiner Familie erfahren hat. Als Hitler und Goebbels von diesem Ereignis erfahren, wird dies von der NSDAP als Anlass für die Bekräftigung ihrer antisemitischen Haltung genommen. Vom 9. auf dem 10. November 1938 stecken SA-Männer über 7000 Synagogen, Kaufhäuser und Privathäuser in Brand und plündern diese. In Folge der Reichspogromnacht werden fast alle jüdischen Organisationen aufgelöst und die jüdische Presse verboten. Des Weiteren gtbt es etwa 400 Tote, und über 26.000 männliche Juden werden in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen verschleppt.
München – der Ausgangspunkt der Schreckensnacht
Eingeleitet wurde die Reichskristallnacht von Propagandaminister Josef Goebbels. Die NSDAP-Führerschaft traf sich am Abend des 9. Novembers 1938 im Alten Rathaus in München anlässlich des gescheiterten Hitlerputsches 1923. Dort hielt Goebbels nach Zustimmung Hitlers seine Hetzrede gegen die jüdische Bevölkerung. Er erklärte, dass die Partei antijüdische Aktionen zwar nicht organisieren dürfe, aber nicht behindern werde. Daraufhin gaben Münchner SA-Führer die Befehle an ihre Stäbe und Mannschaften durch. Ein jüdischer Bürger wurde in München in der folgenden Nacht getötet.
Im Jahr 2008, anlässlich des 70. Jahrestages der Reichskristallnacht, wurden erstmals die Namen aller 4587 jüdischen Opfer verlesen, die in der Zeit des Nationalsozialismus in München gestorben sind. Heute, zum 74. Gedenktag, soll die Namensverlesung an die 86 Münchnerinnen und Münchner erinnern, die im Zuge der Räumung des Israelitischen Krankenheims im Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert wurden.
Erinnern und nicht vergessen
Auch heute noch hat jeder 5. Deutsche antisemitische Vorurteile. Umso wichtiger ist es, die Vergangenheit nicht zu vergessen. Tibor Shalev Schlosser, Generalkonsul des Staates Israel, denkt jedoch, dass mittlerweile zu viel vergessen wird. Er erzählt, dass vor mehr als 20 Jahren alle Zeitungen mit dieser Geschichte voll gewesen wären und es für alle unheimlich wichtig gewesen wäre. Heute würden die meisten das Thema eher verschweigen.
Doch wie kann es sein, dass so ein großes Thema, das den Tod mehrerer tausend Menschen zur Folge hatte, nicht umfangreicher thematisiert wird? Tibor Shalev Schlosser ist der Meinung, dass es Teil unserer und besonders der jüdischen Geschichte sei, jedoch dieses Thema immer weiter diskutiert werden müsse, um daraus auch eine Lehre für die Jugend zu ziehen. Auch Aarno Buck, Pressereferent der israelischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern, ist ähnlicher Auffassung: „Man muss schon auch berücksichtigen, dass die zeitliche Distanz länger wird und dadurch natürlich die Aufmerksamkeit schwindet.“ Doch das sollte eigentlich keine Entschuldigung sein, dieses Ereignis zu „übergehen“. Wie Aaron Buck weiter erläutert, werde der 9. November die jüdische Bevölkerung ewig an die Nacht von 1938 erinnern. Gerade, weil es immer noch einen Teil der Bevölkerung besonders betrifft, sollte man diesem Tag eigentlich die angemessene Aufmerksamkeit entgegen bringen.
M94.5 ist Teil des Aus- und Fortbildungskanals (afk) www.afk.de