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London Burning

Autor(en): Vincenzo Hiemer am Dienstag, 9. August 2011
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Brennende Autos, eingeworfene Scheiben, geplünderte Geschäfte. Gewalt gegen Polizeibeamte. Die Jugendgewalt in England eskaliert. Doch was sind die Hintergründe? Jedes Jahr pilgern Tausende von Touristen nach London. Sie wollen sich verzaubern lassen von dem leicht angestaubten Charme der Hauptstadt des ehemaligen British Empire. Als weltweiter Finanzknotenpunkt und als Kulturmetropole zieht die Stadt an der Themse auch einen stetigen Strom von Zuwanderern an. Abseits von all dem Glamour und den knallroten Doppeldeckerbussen existiert eine andere Welt. In den Stadtteilen, die nie auf Postkarten abgebildet werden, ist das Leben grau in grau.

Ein hausgemachtes Problem

Viertel wie Tottenham sind bereits seit Jahren Pulverfässer. Religionen, Ethnien und Sprachen aus der ganzen Welt – das Erbe eines einst weltumspannenden Reichs. Hier wird deutlich wie weit der Begriff „commonwealth“ von der Realität entfernt ist. Der Wohlstand ist nie bei allen Untertanen der Queen angekommen. Jobs gibt es kaum, vor allem nicht für die Jugendlichen. Viele leben von der Kriminalität.

Als dann im Zuge der letzten Finanzkrise der englische Haushalt in Schieflage geriet, war es zu großen Teilen die Unterschicht, die die Suppe auszulöffeln hatte. Während es für den Bankensektor milliardenschwere Finanzspritzen gab, wurden Sozialausgaben gekürzt.  Die ohnehin schon schlechte Stimmung verwandelte sich in Wut.

Spirale der Gewalt

Und diese Wut entlädt sich jetzt in brachialer Gewalt. Der Tod des 29jährigen Familienvaters Mark Duggan, der am vergangenen Donnerstag durch eine Polizeikugel starb, war der Funken, an dem sich die brodelnde Mischung aus Frustration und Perspektivlosigkeit entzündete. Unter die marodierenden Jugendlichen aus den Armenvierteln mischten sich außerdem Mitglieder krimineller Banden. Diese sahen eine Möglichkeit, sich schnell und anonym in der Masse zu bereichern. Das Plündern von Juweliern und Elektromärkten wurde so zu einem regelrechten Trend.

Der wütende Mob zog eine Schneise der Verwüstung durch die Stadt. Die Einwohner der Stadt sind entsetzt; vor allem als die Unruhen sich immer weiter ausbreiteten. Die Psychologin Esther Flanagan lebt im Zentrum Londons. Sie hat die Eskalation hautnah miterlebt:

"Ich konnte die Gewalt direkt in meiner Straße sehen. Es war genau wie in Tottenham. Da waren große Gruppen von Jugendlichen. Sie waren vermummt, bewarfen Polizeiautos mit Gegenständen und machten Ärger. Während ich die Gewalt vor meiner Wohnung sah, berichteten mir Freunde über Facebook und SMS von dem, was im Rest der Stadt passiert ist."

Kein Ende in Sicht

Viele Londoner sind verärgert über die Hilflosigkeit der Polizei. Offenbar war man auf einen so geballten Ausbruch der Gewalt nicht vorbereitet. „[Die Jugendlichen] sehen im Fernsehen und bei den sozialen Netzwerken, dass den Randalierern nichts passiert. Die Polizei nimmt ja gar nicht so viele Leute fest, also denken sie, sie können tun was sie wollen und kriegen keine Strafe dafür," ärgert sich Esther Flanagan.

Die Exzesse griffen in der Nacht zum Dienstag auch auf andere Landesteile über. In Städten wie Birmingham, Liverpool oder Bristol spielten sich ähnliche Szenen ab wie in London. Um die Situation zu beruhigen wurde der nationale Sicherheitsrat Englands einberufen. Premierminister David Cameron brach dafür extra seinen Urlaub in der Toskana ab. Von Seiten der Bevölkerung wird der Ruf nach größerer Härte gegenüber den Gewalttätern und Plünderern laut. Damit lassen sich die Unruhen zwar schnellstmöglich beenden, die offenen Wunden, die innerhalb der englischen Gesellschaft klaffen, heilen so aber nicht.
Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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