Pressefreiheit im Balkan-Staat
Montenegro: Journalisten in Gefahr
Chefredakteure der größten Tageszeitungen berichten von Zensur, Verfolgung und Mord.
Journalisten unter Druck. Pressefreiheit in Gefahr. Schlagzeilen, wie man sie im Zusammenhang mit der Berichterstattung in autoritär regierten Ländern wie China und Russland gewohnt ist. Weniger im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen Zwergstaaten wie Montenegro. Auch hier werden Journalisten im eigenen Land massiv unter Druck gesetzt, verfolgt und sogar getötet. Nicht ohne Grund belegt Montenegro in der diesjährigen Rangliste der Pressefreiheit den 113. Platz - noch hinter Libyen und Uganda.
Montenegro - gerade mal so groß wie Schleswig-Holstein und mit seinen 650.000 Einwohnern ein Land, über das es sich im Ausland kaum zu berichten lohnt. Dieser Schluss lässt sich zumindest ziehen, wenn man sich die deutsche Berichterstattung über das Land ansieht. „Montenegro ist ein kleines Land und nicht im Licht der Öffentlichkeit. Das heißt weder die Politik auf europäischer oder auch bundesdeutscher Ebene interessiert sich wirklich für die Vorgänge in Montenegro“, so Wolfgang Stöckel, Vorsitzender des Bayerischen Journalisten-Verbandes. Das zu ändern war der Anspruch einer Podiumsdiskussion zu welcher der Verband geladen hatte: Chefredakteure der drei wichtigsten oppositionellen Tages- und Wochenzeitungen Montenegros sind angereist, um über die Arbeitssituation in ihrer Heimat zu berichteten. Der Tonus: Wer unabhängig und kritisch über das sogenannte „System Djukanovic“ schreibt, wird als Staatsfeind gesehen und als solcher behandelt.
Prügelattacken auf offener Straße
Milo Djukanovic ist seit über zwanzig Jahren führender Kopf in der Regierung Montenegros. Als Ministerpräsident steht er seit Ende 2012 an der Spitze jenes Apparates, der sich durch gezielte Einschüchterung und Verfolgung von Oppositionellen den Machterhalt sichert.
Milka Mijovic, Chefredakteurin des Wochenmagazins „Monitor“, berichtet über die Gewalt, die ihre Kollegen am eigenen Leib erfahren haben: „Mehrere unserer Kollegen sind physisch attackiert worden. Der Gründer und Chefredakteur der Tageszeitung „Dan“ wurde auf offener Straße ermordet, der hier anwesende Zeljko Ivanovic wurde an einer Jahresfeier seiner Zeitung „Vijesti" schwer verprügelt. Bis heute wissen wir nicht offiziell, wer das befohlen hat, wer dafür verantwortlich ist. Die montenegrinische Justiz ist in diesem Punkt ziemlich untätig.“
Djukanovic lässt kritische Zeitungen finanziell ausbluten
Djukanovic lasse kritische Zeitungen finanziell ausbluten, indem er sie mit Klagen überzieht oder neue Tageszeitungen gründen lässt, die zu Dumpingpreisen verkauft werden. Mladen Milutinovic, Nachfolger des ermordeten Chefredakteurs der Tageszeitung „Dan“, beschreibt den wirtschaftlichen Druck: „In ganz Südosteuropa, besonders in Montenegro, ist der Staat der Hauptarbeitgeber. Wenn der Staat sechzig Prozent der Arbeitsplätze vergibt und dann beschließt, in unseren Zeitungen keine Arbeitsannoncen zu veröffentlichen, dann bedeutet das einen direkten Angriff auf uns. Die Menschen sind so gezwungen, andere Zeitungen zu kaufen. Das benutzt man als Druckmittel gegen uns.“
Eine Audioaufnahme könnte die Regierung unter Druck setzen
Jahrzehntelang kritisierte Zeljko Ivanovic, Chefredakteur der Tageszeitung „Vijesti“, offen das Regime und seine Machterhaltungsstrategien. Auch nach der Prügelattacke auf ihn, schreibt seine Zeitung weiterhin über Wahlmanipulationen und korrupte Machenschaften der Regierung. Bisher aber fehlten ihm und seinen Kollegen konkrete Beweise, die sich vor Gericht verwenden ließen. Bis jetzt. Ivanovic erzählt von einer Audioaufnahme, die, sollte sie veröffentlicht werden, die Regierung ihrerseits unter Druck setzen könnte: „Auf diesen Aufnahmen sind Stimmen von führenden Funktionären der regierenden Partei und vom Premierminister persönlich zu hören, die ihm konkret berichten, wie sie Menschen von Wahllisten gestrichen haben. Wie sie europäische Fonds für etwas völlig anderes investiert haben, wie den Stimmenkauf von Wählern. Diese Aufnahme stellt nun ein unüberbrückbares Problem für das ganze Regime dar.“
„Die deutschen Medien sind unsere Lebensversicherung“
Das Regime Djukanovic habe direkt vor den Wahlen letztes Jahr gezielt Arbeitsplätze nur an Parteimitglieder vergeben. Keine Mitgliedskarte – kein Job. Auch bei sozialen Hilfen in Krisensituationen greift dieses Prinzip. Die deutschen Medien und ihre Berichterstattung über Montenegro werden bei den einheimischen Journalisten hoch geschätzt. Nicht nur als Maßstab für professionellen und freien Journalismus, sondern viel wichtiger, als Druckmittel gegen die Repressionen, meint Mladen Milutinovic: „Die Medien aus Deutschland sind für uns quasi die allerwichtigsten Freunde. Je mehr sie nämlich über uns berichten, desto einfacher wird unsere Lage. Weil Djukanovic das alles hört und liest und er Angst davor hat. Daher ist es unsere allerwichtigste Lebensversicherung, dass mehr über unsere Lage geschrieben wird.“