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Flüchtlinge in München

München sagte „Willkommen“

Autor(en): Florian Reil am Freitag, 2. September 2016
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Quelle: M94.5/Reil

"Willkommen": Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof

Anfang September 2015: Täglich kamen in München bis zu Zehntausende Flüchtlinge an. Wir waren damals vor Ort, jetzt blicken wir zurück.

Vor einem Jahr schaute die ganze Welt nach München. Damals berichteten Medien von der Münchner Willkommenskultur am Hauptbahnhof. Jetzt blicken wir zurück, wie die Ankunft der Flüchtlinge am 6. September 2015 ablief: 

Es sind die Züge der Hoffnung, die stündlich am Münchner Hauptbahnhof ankommen. Die „Trains of Hope“. Hunderte Menschen an Bord hoffen auf eine bessere Zukunft: in Frieden, in Sicherheit und auf Gastfreundschaft in Deutschland. Geflohen sind sie vor Terror, Gewalt, Bürgerkrieg, Verfolgung und Mord. Monatelang waren sie unterwegs: In Booten, in LKWs, zu Fuß und in Zügen.

Mit Verspätung in ein neues Leben

Die Polizei räumt den Bahnsteig. Alle müssen hinter die Absperrungen. "Achtung an Gleis 26. Einfahrt ÖBB Railjet aus Wien", schallt die Durchsage. Alle haben auf diesen Zug gewartet. Er kommt aber 30 Minuten zu spät. Es herrscht Ausnahmezustand am Nordflügel von Münchens Hauptbahnhof, dem Starnberger Bahnhof. 


Gleis 26 am Münchner Hauptbahnhof.  "Train of hope" aus Österreich.  (Foto: M94.5/Florian Reil)

Geschäftsleute, Urlauber und Hunderte Flüchtlinge steigen aus dem österreichischen Zug aus. Unter Applaus und "Welcome"-Rufen haben die Flüchtlinge München erreicht. Sie werden zum Starnberger Flügelbahnhof gelotst. Unterwegs winken sie den Pressevertretern aus aller Welt und vielen Münchnern hinter den Absperrungen.


Viele Münchner winken den Flüchtlingen im einfahrenden Zug zu.  (Foto: M94.5/Florian Reil)

Es passiert aber auch, dass Passagiere, die keine Flüchtlinge sind, zum Registrierungszentrum gebracht werden. So ist es Anath auch gegangen. Sie saß mit den Flüchtlingen im Zug aus Wien. 


Anath kam mit dem Zug aus Wien nach München. Mit an Bord Hunderte Flüchtlinge aus Ungarn. „Beim Aussteigen war das sehr ergreifend für mich.“ (Foto: M94.5/Florian Reil) 

„Es war ergreifend und sehr schön“, sagt Anath über die Stimmung im Zug. „Am Ende waren viele aber eher genervt, sie waren ja auch schon über 14 Tage in Zügen unterwegs.“ Sie erzählt weiter: „Die Flüchtlinge waren müde und erschöpft.“ Für die Freude darüber, endlich in Deutschland zu sein, habe vielen einfach die Kraft gefehlt. 

Ein Flüchtling fragte sie, wie er nach Duisburg kommt. Er wollte, dass Anath ihm hilft, ein Ticket zu kaufen. Sie begleitete ihn aus dem Zug. Die Polizei hielt sie auch für eine Geflohene. „Ich habe ja auch einen Rucksack, wie einige Flüchtlinge“, sagt sie und lacht. An der Registrierungsstelle der Polizei bemerken die Beamten: Kein Flüchtling. Sie wird aus der Sperrzone gebracht. Die Polizei entschuldigt sich für das Missverständnis.

„Ich bin wahnsinnig stolz auf München“

Für die Flüchtlinge geht es durch eine Gasse von Helfern. Dort bekommen sie Getränke und Lebensmittel. Auch gespendete Kleidung reichen dutzende Helfer den Flüchtlingen.

Am Bahnhofsvorplatz stehen mehrere Zelte. In denen wird jeder Flüchtling ärztlich untersucht und versorgt. Nach den Checks geht es wieder vorbei an vielen jubelnden Münchnern. 


Mariam und Charlotte begrüßen die Flüchtlinge am Bahnhofsvorplatz mit ihren Schildern. (Foto: M94.5/Florian Reil)

Der Applaus und der Jubel für die Flüchtlinge lässt keine Sekunde nach. Auch Mariam und Charlotte stehen vor dem Hauptbahnhof. Auf zwei selbst gemalten Schildern steht: "Refugees welcome". „Wir wollen helfen, wo wir können", sagen sie. Wenn neue Flüchtlinge den Bahnhof verlassen, applaudieren die beiden auch und halten ihre Schilder in die Luft. Alleine sind sie nicht. Knapp Hundert Menschen stehen an den Absperrungen und heißen die Flüchtlinge willkommen. „Ich bin wahnsinnig stolz auf München", sagt Charlotte über die Solidarität in der Stadt. 

Die Spendenlager sind voll

Die Solidarität scheint nicht enden zu wollen. Der Info-Stand der ehrenamtlichen Helfer wird regelrecht überrannt von Anfragen und Angeboten zu helfen. Polizei und Stadt haben reagiert. Eine eigene Homepage soll die Hilfe koordinieren. Auf www.willkommen-in-muenchen.de gibt es Informationen, was benötigt wird und wo man es hinbringen kann. Sach- und Geldspenden werden auch am Hauptbahnhof keine mehr angenommen. Zu voll sind die Lager schon. 

Auch Helfer gibt es in Überschuss. Die Listen, in die man sich als Helfer eintragen kann, sind lang. Gleichzeitig sollen nur ein paar Dutzend arbeiten, damit sich die Helfer nicht selbst gegenseitig stören. Alles ist organisiert: Es werden Schichtpläne erstellt und Wartelisten geschrieben. 

Vom Flüchtling zum Helfer

„Ich weiß, wie es sich anfühlt, hier neu zu sein", sagt der 17-jährige Ibrahim. Nach seiner Flucht aus dem Irak konnte er kein Deutsch und kannte das Land nicht. Ihm ging es damals genauso wie den Flüchtlingen heute. Sie fliehen aus dem Irak wegen des Krieges. Wie Ibrahim damals. „Das habe ich alles selbst miterlebt.“

Die größten Fragen, die sich die Flüchtlinge jetzt stellen sind: Wo werden wir wohnen? Was machen wir mit unseren Kindern? Wo können wir schlafen? Auch die Familie von Ibrahim hat sich diese Fragen vor sechs Jahren gestellt. 

Vergangene Woche Montag fragte er die Helfer am Hauptbahnhof: „Braucht ihr Hilfe?". Die Antwort war: „Ja, dringend!" Ibrahim erklärte den ankommenden Flüchtlingen dann, was jetzt passiert, wohin sie gehen müssen. Er begleitete sie zur medizinischen Untersuchung. Sein Vorteil: Er spricht dieselbe Sprache wie einige Flüchtlinge. Am Wochenende gibt es wieder zu viele Helfer. Auch Ibrahim steht auf der Warteliste, um helfen zu können. 


Münchner begrüßen einen Flüchtling. Der wartet auf seine Weiterfahrt und dankt Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Foto: M94.5/Florian Reil)


Willkommens-Geschenk: Flüchtlingskinder bekommen Süßigkeiten und Kuscheltiere geschenkt. (Foto: M94.5/Florian Reil)

Die Flüchtlinge warten derweil am Bahnhofsvorplatz auf die Weiterreise. Mit S-Bahnen und Bussen werden sie in drei Auffanglanger in München gebracht. Von dort werden sie auf Unterkünfte in ganz Deutschland verteilt. 


Fahrt in eine bessere Zukunft: Erschöpfte, aber zufriedene Flüchtlinge winken aus einem Bus den Münchnern zu. (Foto: M94.5/Florian Reil) 

Bei einigen Flüchtlinge fließen Tränen: Sie freuen sich über die große Hilfsbereitschaft in München. Und darüber, dass sie es endlich nach Deutschland geschafft haben.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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