Diskussionen über Freihandelsabkommen
Streitpunkt TTIP
Die Angst vor dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU mit Amerika greift zurzeit um sich. Doch was sind die Fakten des Abkommens?
Chlorhühnchen und Genmais - die Angst vor dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU mit Amerika greift in den letzten Monaten um sich.
Zahlreiche Bündnisse und Petitionslisten gegen das Abkommen haben sich - auch abseits bekannter Globalisierungsgegner - formiert. Doch was ist dran an der Angst? Und wo beginnt die Angstmache?
Annegret Liepold hat auf amerikanischer und europäischer Seite nach Fakten zum geplanten Freihandelsabkommen gesucht - soweit sich die überhaupt schon finden lassen.
Die US-Regierung sieht die Vorteile
Das Investitionsgesetz stellt die Konzerne gegenüber Regierungen also besser, zumindest sagen das TTIP-Gegner. Aber sieht das die US- Regierung auch so?
Mehr Innovation, mehr Investition, mehr Arbeitsplätze, steigendes Wirtschaftswachstum und sinkende Preise – es klingt beinahe nach der endgültigen Umsetzung des amerikanischen Traums, nach dem wirtschaftlichen Schlaraffenland, was der US-Außenbotschafter John Emerson uns Europäern bei einer Rede im Münchner Amerika Haus mit der Umsetzung des Freihandelsabkommens verspricht.
Reine Ironie und bloße Worthülsen angesichts der Tatsache, dass die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, kurz TTIP, in den vergangenen Monaten vor allem die Angst gesät hat, dass unsere hart erkämpften Standards im Bereich Umwelt- und Verbraucherschutz bald Geschichte sind? Dass in Kürze Schiedsgerichte Recht für Konzerne schaffen und Regierungen am Ende die Zeche zahlen?
Wo findet man Wahrheiten zwischen den beiden Extremen, beziehungsweise gibt es die überhaupt?
Anhebung oder Absenkung der Standards?
Einer der Wahrheiten kennen könnte ist Daniel Caspary, CDU-Abgeordneter des Europaparlaments und Gründer der offenen Diskussionsplattform „Friends of TTIP“. Sein Ziel ist es, die negative Stimmungsmache gegenüber dem geplanten Abkommen richtig zu stellen, seien doch, wie er sagt, die Kritiker des Abkommens gerade „unredlich unterwegs“.
Sind die Angst vor Hormonfleisch und Chlorhühnchen also nur Phantasmen? Laut Caspary ja, könnte doch ein solches Abkommen, wie er betont, „garantieren, dass solche Dinge auch in Zukunft nicht auf unseren Markt kommen“.
Und so falsch liegt Caspary auf den ersten Blick gar nicht, zielt doch das Abkommen vor allem darauf ab, technische Normen anzugleichen. Das heißt beispielsweise, man versucht Autos so zu bauen, dass sie gleichzeitig auf dem europäischen und dem amerikanischen Markt verkauft werden können, ohne dass vorher noch aufwendig die Blinker oder andere Details ausgetauscht werden müssten.
Das Umweltinstitut München ist skeptisch
Aber ob man TTIP als Wundermittel betrachten sollte, dass sogar noch dabei hilft die Standards anzuheben, wie Caspary andeutet? Die Kritiker von Ttip lassen sich da nicht so leicht überzeugen. Auch nicht Karl Bär, Referent für Agrarpolitik am Umweltinstitut in München. Zwar, so gibt er zu, könne man internationale Abkommen schaffen, die helfen würden Standards im Bereich Umweltschutz oder Arbeitsrecht
Im positiven Sinne anzugleichen. Nur, so Karl Bär: „ Abkommen, die solche Ziele verfolgen wären von der Grundidee schon ganz andere Abkommen, als diese Freihandelsabkommen, die momentan verhandelt werden. Das was momentan läuft ist vor allem im Interesse und im Einfluss von Firmen, die im internationalen Handel viel Geld verdienen.“
Die (intransparente) Rolle der Konzerne
Weil die Rolle der transnationalen Konzerne bei den Verhandlungen zu dominant und intransparent ist, hat sich das Umweltinstitut dem Bündnis „TTIP unfairhandelbar“ angeschlossen. Dort setzen sich verschiedenste Nichtregierungsorganisationen für einen sofortigen und kompromisslosen Stopp er Verhandlungen ein. Die Dominanz der Konzerne spiegelt sich vor allem im ursprünglich vorgesehenen Investitionsgesetz wieder. Dieses würde Konzernen ermöglichen gegen Regierungen zu klagen, wenn diese beispielsweisen Umweltstandards so erhöhen, dass für die Unternehmen ein Wettbewerbsnachteil entsteht. Klagen könnten Unternehmen bei dafür einberufenen, nicht-öffentlichen Schiedsgerichten und gerade die sieht Karl Bär problematisch, stünden doch die Schiedsgerichte strukturell meistens auf der Seite der Konzerne, weil die Richter meist Staranwälte für Handelsrecht seien und „mit den Konzernen die sie dann vertreten oder gegen die sie handeln schon irgendwie verbandelt“.
Steht das Schiedsurteil erstmal, so besteht keine Möglichkeit zum Einspruch.
Was für viele Deutsche unvorstellbar erscheint, ist für die Amerikaner normal. Dieser Eindruck verstärkt sich zumindest, wenn man den US-Außenbotschafter John Emerson zur Frage nach dem Investitionsgesetz glauben schenken will. Dieser fand die Diskussion um die Investitionsklausel „überraschend“, sei sie doch Standard in so vielen Abkommen. Der einzige Einspruch den er gelten lassen will: „Warum brauchen wir das, wenn wir zwischen den zwei meist reguliertesten Wirtschaften der Welt verhandeln?“
Größte Angriffsfläche bietet die Intransparenz
Inwieweit und in welcher Form das Investitionsgesetz letztendlich im Abkommen stehen wird, ist noch unklar. Wie so vieles was das Freihandelsabkommen betrifft. Und gerade das – die fehlende Transparenz – ist auch sein größtes Problem und Angriffspunkt der meisten Kritiker. Wer neben der EU-Kommission, die mit einem Mandat der EU-Nationalstaaten ausgestattet wurde, und Vertretern der US-Regierung noch alles an den Verhandlungen mit reden kann, ist unbekannt. Über was im Detail verhandelt wird, bleibt Geheimnis.
Dass die EU, anders als die USA, ihre Verhandlungsstrategie nicht offen legt, findet EU-Parlamentarier Caspary jedoch absolut in Ordnung, ja unumgänglich in internationalen Verhandlungen. Das Interesse vieler Bürger an den Verhandlungen scheint er nicht so recht zu verstehen: „Für die Öffentlichkeit ist doch jetzt nicht irgendein Zwischenstand relevant Sondern für die Öffentlichkeit ist doch am Ende relevant, was steht am Ende in dem Text drin. Und dieser endgültige Text, der wird natürlich der Öffentlichkeit präsentiert.“
Und dann? Dann bleibt immer noch genug Zeit um Einspruch zu erheben. Das betonen sowohl John Emerson als auch Daniel Caspary.
Lohnt sich der ganze Ärger?
Bleibt letztendlich die Frage, ob denn das Freihandelsabkommen die paradiesischen Versprechungen der politischen Vertreter überhaupt einhalten kann. Aussagen darüber zu treffen ist äußert schwierig. Eine Studie der EU-Kommission spricht von 0,5% Wirtschaftswachstum innerhalb von 10 Jahren. Eine recht überschaubare Zahl angesichts des aufgestauten Unmuts und der Größe der Protestbewegung.