Dokumentation über Syrien
Süchtig nach Jihad!
Hubertus Koch wollte einen Film über eine Spendenaktion in Syrien drehen. Doch die Ereignisse machten ihn fertig. Und das soll auch jeder sehen.
Rund 60 Millionen Menschen sind auf der Flucht vor Krieg, Hunger und Katastrophen. Diese Zahl veröffentlichte vor Kurzem das UNO Flüchtlingshilfswerk (UNHCR). Der traurige Spitzenreiter des Berichts: das Bürgerkriegsland Syrien. Doch nur ein kleiner Teil der Menschen schafft es überhaupt erst ins Ausland, kaum jemand schafft es bis nach Europa. Die meisten sind Flüchtlinge in ihrem eigenen Land. Sie leben in Zeltstädten, leiden an Hunger und der ständigen Gefahr vor der nächsten Autobombe. All diese Menschen erscheinen uns so weit weg.
Helfen, wo andere wegschauen
Hubertus Koch will das ändern. Mit Bachelorabschluss und viel Idealismus in der Tasche wollte er in Syrien eine Dokumentation drehen, investigativen Journalismus betreiben. Sein Plan: die Hilfsaktion der Familie Dahi zu porträtieren. Die Eltern stammen selbst aus Syrien und konnten das Leid in der Heimat nicht mehr mit ansehen. Aus einer Kuscheltiersammelaktion entwickelte sich schnell ein großangelegtes Hilfsprojekt und inzwischen leisten Vater Mahmoud und die Töchtern Sherin und Yasmin die Arbeit, die große Hilfsorganisationen eigentlich tun sollten. Das Hilfsprojekt Spendahilfe umfasst inzwischen ein Waisenhaus, eine Frauenwerkstatt, einen Kindergarten und ein Schulprojekt. All das wollte Hubertus Koch porträtieren. Angekommen in Syrien merkte er schnell, dass sein eigentlicher Plan so gar nicht funktionierte.
"Syrien ist kein verdammtes Seminar"
Das vermittelt uns Hubertus, Hubi genannt, schon zu Anfang der Doku. Denn obwohl der 25-Jährige sich so gut vorbereitet hat, treffen ihn die Ereignisse im Flüchtlingslager Bab Al Salameh wie ein Schlag ins Gesicht. Die Menschen haben nichts, Kinder schauen einen mit großen Augen an, an ihren Gesichtern klebt der Schorf von früheren Verletzungen. Sie leben in ihrer eigenen Scheiße, und das leider nicht nur im übertragenen Sinne. Bei all dem Dreck ist es kein Wunder, dass sich die Wunden entzünden. Medizinisch ist das Lager gnadenlos unterversorgt. Für die Menschen vor Ort nicht die größte Sorge. Die Angst vor der nächsten Explosion verfolgt sie überall hin. Hubertus macht das fertig. "Hubi, Hubi, Hubi", schreien die Kinder von allen Seiten und wollen den großen blonden Mann genauer betrachten. Er ist eine Art Botschafter, das hat ihm Mahmoud Dahi schon zu Beginn der Reise vermittelt. Doch als er auf Saad, einen 10-Jährigen Kindersoldaten trifft, bricht er vollkommen zusammen. Saad zeigt, wie ein Krieg aus einem kleinen Jungen ganz schnell ein Killer macht. Aus dem Film über Spendahilfe wird ein Film über Hubi selbst. Ein Film, in dem er die Zustände in Syrien aufzeigt und was diese mit ihm machen.
Es ist kein bisschen besser geworden
Die Szenen in Hubertus Kochs Dokumentation „Süchtig nach Jihad“ sind inzwischen fast eineinhalb Jahre alt. Seit dem hat sich nicht viel geändert in Syrien, wenn überhaupt ist es schlimmer geworden, meint der Filmemacher. In den Nachrichten sieht man nicht viel von dem Leid des gebeutelten Landes. Ab und zu eine Meldung in den Nachrichten, wenn mal wieder besonders viele Menschen getötet wurden oder die IS eine Stadt erobert hat. Das will Hubertus Koch ändern und tingelt mit seinem Film durch kleine Kinos, Bürgersäle und Schulen. Er will die Menschen erreichen, die den Spiegel nicht abonniert haben und auch nicht jeden Tag pünktlich um acht vor der Tagesschau sitzen. Seinen Film hat er auf Youtube allen zugänglich gemacht, damit er auch wirklich alle erreicht. Denn die Ereignisse in Syrien machen einen fertig, und dass sollen alle wissen.
Mehr zur Familie Dahi und ihrer Verein Spendahilfe findet ihr hier. Wer helfen will, kann zum Beispiel von syrischen Flüchtlingen gefertigte Puppen gegen eine kleine Spende erwerben. Die Puppen werden in der Frauenwerkstatt, die Spendahilfe ins Leben gerufen hat, gefertigt.