"Three Strikes Out" für ACTA
Drei Ausschüsse im EU-Parlament haben das umstrittene Handelsabkommen ACTA abgelehnt. Das könnte das Ende von ACTA sein.
Drei Ausschüsse im EU-Parlament haben das Handesabkommen ACTA abgelehnt. Das könnte zum Ende des umstrittenen Abkommens führen.
"Three Strikes Out für ACTA", witzelten Twitter-Nutzer heute Nachmittag. Sie beziehen sich damit auf ein französisches Gesetz zum Schutz des Urheberrechts, das es erlaubt, beim dritten Vergehen den Internetzugang zu sperren. Und sehen im heutigen Abstimmungsergebnis einen wichtigen Schritt. Unter Internetnutzern ist das Abkommen verhasst.
Verhandlungen ohne Beteiligung der Öffentlichkeit
So hatte sich das wohl kaum einer der Staats- und Regierungschefs vorgestellt, die 2008 an den ersten Verhandlungen zu ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) teilnahmen. Die Idee: Durch internationale Standards sollen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen umfassender bekämpft werden. Die Verhandlungen fanden mit wenig öffentlicher Aufmerksamkeit statt. Reporter ohne Grenzen kritisierte, die Öffentlichkeit sei ausgeschlossen und eine demokratische Debatte sei verhindert worden. Den Politikern scheint das Problem kaum bewusst gewesen zu sein; ACTA wurde beschlossen, unterzeichnet, und sollte so bald wie möglich auch ratifiziert werden.
Bürgerproteste begleiten Ratifizierungsprozess
Als dann die Ratifizierung des Abkommen näherrückte, also die Zustimmung der Parlamente zu dem Abgekommen gefragt war, kam es überraschend zu Massenprotesten in ganz Europa. Insbesondere in Polen gingen Zehntausende auf die Straßen, Ministerpräsident Tusk musste eine Kehrtwende vornehmen und sich gegen ACTA aussprechen. Die Ratifizierung wurde gestoppt. Tusk schlug dem EU-Parlament vor, das Abkommen abzulehnen, obwohl er zuvor als Befürworter galt.
Allein in Deutschland demonstrierten mehr als 100.000 Menschen. Am Ende stoppten auch Deutschland, Tschechien, Litauen, die Niederlande, die Slowakei, Bulgarien und Österreich die Ratifizierung. Dabei gab die österreichische Regierung bekannt, auf eine endgültige Entscheidung des EU-Parlaments zu warten.
Schnelle Reaktionen auf Staatenebene
Das Kalkül ist einfach: im Nationalen Kontext ergibt sich eine unangenehme Debatte, die wichtige Stimmen kosten kann. Das Problem nach Europa zu verschieben, bietet sich an - dann kann man immer noch auf Brüssel verweisen. Die EU ist ohnehin die wichtigste Ebene für ein Abkommen wie ACTA, denn sie umfasst einen Großteil der teilnehmenden Staaten.
So schnell die nationalen Regierungen auf die Proteste reagierten, so langsam handelte nun die EU. Immerhin ist sie nicht direkt abhängig vom Wohlwollen der Wählerschaft. Erst Anfang Mai erklärte EU-Kommissarin Neelie Kroes, es sei wahrscheinlich, dass das Vertragswerk nicht in Kraft treten werde. Ein erster Teilerfolg für Gegner des Abkommens.
Kritiker sehen Rechtsstaatlichkeit in Gefahr
Diese kritisieren, dass ACTA zu allgemeine Regeln formuliere, deren Auslegung frei sei. Dadurch gebe es Missbrauchsmöglichkeiten. Da die Parlamente nicht in die Verhandlungen eingebunden wurden und Rechtsverletzungen an der Justiz vorbei verfolgt werden könnten, sei die Rechtsstaatlichkeit gefährdet.
Den Argumenten der Kritiker schlossen sich nun der Industrieausschuss, der Rechtsausschuss und der Bürgerrechtsausschuss des EU-Parlaments an. Ska Keller, die handelspolitische Sprecherin der Grünen im EU-Parlament, erklärte, die Konservativen hätten "Tomaten auf den Augen, wenn sie nicht erkennen wollen, dass ACTA die Grundfreiheiten in Europa und den Zugang zu Medikamenten in Entwicklungsländern einschränkt."
Endgültige Entscheidung im Juli
Das ist aber maximal ein Teilerfolg. Als nächstes wird der Ausschuss für Internationalen Handel abstimmen. Dieser ist direkt für ACTA zuständig und gilt damit als besonders wichtig in der Debatte.
Letztlich sprechen die Ausschüsse aber nur Empfehlungen aus - entscheiden werden die EU-Parlamentarier selbst Anfang Juli. Und da wird sich dann entscheiden, wie ernst sie Massenproteste und Bedenken der Zivilgesellschaft nehmen.
Bild: Norbert Schramm/CC-BY-SA 3.0 auf golem.de
"Three Strikes Out für ACTA", witzelten Twitter-Nutzer heute Nachmittag. Sie beziehen sich damit auf ein französisches Gesetz zum Schutz des Urheberrechts, das es erlaubt, beim dritten Vergehen den Internetzugang zu sperren. Und sehen im heutigen Abstimmungsergebnis einen wichtigen Schritt. Unter Internetnutzern ist das Abkommen verhasst.
Verhandlungen ohne Beteiligung der Öffentlichkeit
So hatte sich das wohl kaum einer der Staats- und Regierungschefs vorgestellt, die 2008 an den ersten Verhandlungen zu ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) teilnahmen. Die Idee: Durch internationale Standards sollen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen umfassender bekämpft werden. Die Verhandlungen fanden mit wenig öffentlicher Aufmerksamkeit statt. Reporter ohne Grenzen kritisierte, die Öffentlichkeit sei ausgeschlossen und eine demokratische Debatte sei verhindert worden. Den Politikern scheint das Problem kaum bewusst gewesen zu sein; ACTA wurde beschlossen, unterzeichnet, und sollte so bald wie möglich auch ratifiziert werden.
Bürgerproteste begleiten Ratifizierungsprozess
Als dann die Ratifizierung des Abkommen näherrückte, also die Zustimmung der Parlamente zu dem Abgekommen gefragt war, kam es überraschend zu Massenprotesten in ganz Europa. Insbesondere in Polen gingen Zehntausende auf die Straßen, Ministerpräsident Tusk musste eine Kehrtwende vornehmen und sich gegen ACTA aussprechen. Die Ratifizierung wurde gestoppt. Tusk schlug dem EU-Parlament vor, das Abkommen abzulehnen, obwohl er zuvor als Befürworter galt.
Allein in Deutschland demonstrierten mehr als 100.000 Menschen. Am Ende stoppten auch Deutschland, Tschechien, Litauen, die Niederlande, die Slowakei, Bulgarien und Österreich die Ratifizierung. Dabei gab die österreichische Regierung bekannt, auf eine endgültige Entscheidung des EU-Parlaments zu warten.
Schnelle Reaktionen auf Staatenebene
Das Kalkül ist einfach: im Nationalen Kontext ergibt sich eine unangenehme Debatte, die wichtige Stimmen kosten kann. Das Problem nach Europa zu verschieben, bietet sich an - dann kann man immer noch auf Brüssel verweisen. Die EU ist ohnehin die wichtigste Ebene für ein Abkommen wie ACTA, denn sie umfasst einen Großteil der teilnehmenden Staaten.
So schnell die nationalen Regierungen auf die Proteste reagierten, so langsam handelte nun die EU. Immerhin ist sie nicht direkt abhängig vom Wohlwollen der Wählerschaft. Erst Anfang Mai erklärte EU-Kommissarin Neelie Kroes, es sei wahrscheinlich, dass das Vertragswerk nicht in Kraft treten werde. Ein erster Teilerfolg für Gegner des Abkommens.
Kritiker sehen Rechtsstaatlichkeit in Gefahr
Diese kritisieren, dass ACTA zu allgemeine Regeln formuliere, deren Auslegung frei sei. Dadurch gebe es Missbrauchsmöglichkeiten. Da die Parlamente nicht in die Verhandlungen eingebunden wurden und Rechtsverletzungen an der Justiz vorbei verfolgt werden könnten, sei die Rechtsstaatlichkeit gefährdet.
Den Argumenten der Kritiker schlossen sich nun der Industrieausschuss, der Rechtsausschuss und der Bürgerrechtsausschuss des EU-Parlaments an. Ska Keller, die handelspolitische Sprecherin der Grünen im EU-Parlament, erklärte, die Konservativen hätten "Tomaten auf den Augen, wenn sie nicht erkennen wollen, dass ACTA die Grundfreiheiten in Europa und den Zugang zu Medikamenten in Entwicklungsländern einschränkt."
Endgültige Entscheidung im Juli
Das ist aber maximal ein Teilerfolg. Als nächstes wird der Ausschuss für Internationalen Handel abstimmen. Dieser ist direkt für ACTA zuständig und gilt damit als besonders wichtig in der Debatte.
Letztlich sprechen die Ausschüsse aber nur Empfehlungen aus - entscheiden werden die EU-Parlamentarier selbst Anfang Juli. Und da wird sich dann entscheiden, wie ernst sie Massenproteste und Bedenken der Zivilgesellschaft nehmen.
Bild: Norbert Schramm/CC-BY-SA 3.0 auf golem.de