Pressefreiheit auf dem Rückzug
Von wegen "frei"
2016 setzt sich der Abwertstrend der weltweiten Pressefreiheit weiter fort. Doch was sind die Gründe für diese Entwicklung? Wer sind die größten Gewinner und Verlierer?
Wer am dritten Mai einen Blick in den Kiosk seines Vertrauens wirft, dürfte überrascht sein, denn über 30 deutsche Tageszeichnungen erscheinen mit identischem Titelbild. Was auf den ersten Blick wie die prunkvolle Decke aus einem Festsaal des Schlosses Versailles anmutet, erscheint bei genauerem Hinsehen als ein hochaktuelles Kunstwerk. Zu sehen sind Gitterstäbe aus Twittervögeln, Handschellen und Stinkefingern sowie Überwachungskameras, die jeden Winkel des Bildes erfassen. „Die Kunst der Freiheit“ des chinesischen Künstlers und Aktivisten Ai Weiwei soll am internationalen Tag der Pressefreiheit dazu mahnen, dieses elementare Grundrecht zu schützen und die bis heute weltweit sehr schlechten Arbeitsbedingungen für Journalisten nicht aus den Augen zu verlieren. Diesem Ziel hat sich auch Reporter ohne Grenzen verschrieben und veröffentlicht daher jährlich einen Report zur weltweiten Lage der Pressefreiheit.
Die deutschen Qualitätszeitungen setzen ein Zeichen zum #WPFD2016 Also, viele. @fr @faznet @Echo_Online @aiww pic.twitter.com/IhDkbp91r1
— AlexanderGemeinhardt (@afgemeinhardt) May 3, 2016
Pressefreiheit weltweit unter Beschuss
Die seit Jahren negative Entwicklung der weltweiten Pressefreiheit hält weiter an. Dies geht aus dem aktuellen Bericht von Reporter ohne Grenzen hervor. So nehmen Repressionen gegen Journalisten auf allen Kontinenten zu. Dies beinhaltet bespielsweise die Zerstörung von Produktionstechnik wie Druckerpressen und Redaktionsräumen, aber auch physische Gewalt gegen Journalisten steht in vielen Regionen der Erde immer noch auf der Tagesordnung. Allein im Jahr 2016 wurden 13 Medienschaffende in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit ermordet, 322 sitzen in Haft. Zwar beschränken sich solch extreme Formen der Repression meist auf Asien, Afrika und Südamerika, doch auch in den USA und Europa ist die Pressefreiheit nicht unantastbar. Hier sind es vor allen Dingen strukturelle Defizite, die journalistische Arbeit behindern. So gefährdet die zunehmende Konzentration von Medien in privaten Händen die Meinungsvielfalt. Hinzu kommen verschärfte Antiterrorgesetze, die die juristischen Rahmenbedingungen für Journalisten immer enger setzen. All diese Faktoren tragen zu einem dramatischen Absinken des globalen Pressefreiheitsindikators um 13,6% bei.
Die größten Gewinner und Verlierer des letzten Jahres
Auch Deutschland verliert an Boden
Deutschland rutscht im Vergleich zum Vorjahr im Pressefreiheits-Ranking um vier Positionen ab und steht auf nun Platz 16. Reporter ohne Grenzen begründet dies mit der steigenden Zahl tätlicher Gewalttaten gegenüber Journalisten auf rechtsextremen Kungebungen, wie die der Pegida und ihrer regionalen Ableger. Insgesamt kam es in der Bundesrepublik 2015 zu 39 bekannten Fällen von Angriffen, Drohungen und Beleidigungen gegenüber Medienvertretern.
Doch auch das im Oktober letzten Jahres verabschiedete Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung steht in der Kritik, Berufsgeheimnisträger wie Ärzte oder Journalisten nicht ausreichend vor dem Zugriff staatlicher Behörden zu schützen.
Einen besonders spektakulären Versuch kritische Berichterstattung zu verhindern, gab es im Sommer 2015 als die Bundesstaatsanwaltschaft erstmals seit der Spiegel-Affäre vor über fünfzig Jahren Ermittlungen wegen Landesverrats gegen Journalisten aufnahm. Die Betreiber des Blogs netzpolitik hatten vertrauliche Dokumente zum Ausbau der Internetüberwachung durch deutsche Geheimdienste öffentlich gemacht. Zwar wurde der Vorwurf gegen die beiden Aktivisten unter dem hohen öffentlichen Druck bald fallen gelassen, das Verfahren gegen ihre unbekannten Informanten hingegen läuft noch immer.