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Ein Plädoyer für Respekt

Was war noch gleich der Holocaust?

Autor(en): Malin Klinski am Donnerstag, 19. Januar 2017
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Quelle: Yolocaust.de|Shahak Shapira

Ein Bild wie es täglich am Holocaust-Denkmal in Berlin aufgenommen wird

In Zeiten von Social Media gibt es beim Konzipieren des perfekten Fotos scheinbar keine Tabus mehr. Darunter müssen moralische Grenzen leiden.

Es zählt nur ob das Bild außergewöhnlich ist und Neid erweckt, möglichst viele Shares, Likes und Kommentare sammelt. Ganze Armeen bewaffnet mit Selfie-Sticks schieben sich durch Museen auf der Suche nach dem perfekten Winkel, um sich zusammen mit da Vincis Mona Lisa abzubilden.


Selfies mit Mona Lisa; Quelle:designobserver

Hashtags, der Yolocaust und neue Parolen für die AfD

Gedenkstätten wie das 9/11 Denkmal „Ground Zero“ in New York City oder das Holocaust Denkmal in Berlin werden täglich zu Orten der Selbstinszenierung auserkoren. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas ist 2005 eingeweiht worden und erinnert an die Gräueltaten der NS-Zeit. AfD Politiker wie Björn Höcke tragen dazu bei, dass das Bewusstsein für die Bedeutung des Ortes verschwindet. Diese Woche trat er mit folgenden hetzerischen Worten an seine Zuhörerschaft: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Solche Aussagen bleiben glücklicherweise nicht ohne Reaktion. Der jüdische Satiriker Shahak Shapira sorgt zur Zeit mit seiner Webseite yolocaust.de für Aufregung. Er hat Bilder die Menschen in Yoga-Posen oder beim Turnen auf den Gedenksteinen zeigen bearbeitet und statt dem tatsächlichen Holocaustmahnmal historische Bilder eingefügt. Die Selfie-Poser stehen plötzlich in einem Konzentrationslager und zwei junge Männer die als Hashtag unter ihr Instagram Bild „Jumping on Dead Jews“ geschrieben haben, springen nun tatsächlich auf Leichenberge. YOLO – das steht für „you only live once“, du lebst nur einmal.


Shahak Shapira bearbeitet Social Media Bilder auf seiner satirischen Webseite yolocaust.de

Und täglich grüßt das Murmeltier – darf Satire das?

Im Gespräch mit jetzt.de fragt sich Shahak Shapira, ob jemand ernsthaft auf die Idee kommen würde Bilder von Yoga Posen auf Friedhofs-Grabsteinen im Netz zu teilen. Wenn das nicht der Fall ist, wieso dann auf den symbolischen Grabsteinen die Gräber von Millionen ermordeter Juden repräsentieren? Er hat Familienmitglieder die in Konzentrationslagern vergast wurden. Gegenüber jetzt.de sagt Shapira die Erinnerungskultur sei für die Deutschen ein politischer Kompass. Er würde dabei helfen, dass Deutschland auf der richtigen Seite der Geschichte bleibt und nicht zu dem wird was es nicht werden möchte. Die Bilder auf yolocaust.de sind erschreckend. Gerade deswegen übermitteln sie aber die richtige Botschaft: der Völkermord an den Juden darf nicht in Vergessenheit geraten und ein Selfie vor Ort ist nicht der richtige Weg um sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die Resonanz in den Medien ist schon jetzt groß, es gibt viel Zuspruch, aber es wird auch Kritik laut. Darf man Opfer der Schoah für Satirezwecke verwenden?

Warum wir für FKK Urlaub nicht nach Angkor Wat fahren

Nicht nur Gedenkstätten sondern auch sakrale Orte wie die heilige Tempelstadt Angkor Wat im Königreich Kambodscha die vom 9. bis ins 12. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebte werden durch obszöne Bilder entweiht. Die Wände in Angkor Wat sind voller filigraner Ornamente, die Architektur heiligt der Philosophie des Hinduismus und Buddhismus. Über 2 Millionen Touristen besuchen jährlich den beeindruckenden Tempelkomplex, viele wollen ihr Erlebnis in den sozialen Netzwerken teilen. Das ist weiter nicht schlimm, die Bilder zeigen jedoch seit Jahren immer wieder nackte Touristen die vor Tempeln und Statuen posieren. Das führte zu wütenden und verständnislosen Reaktionen in ganz Kambodscha. Was ist es was Menschen dazu bringt sich auf so obszöne Weise an heiligen Orten zu verewigen? Eine Mutprobe oder ein besonders radikaler Schrei nach Aufmerksamkeit? Auch in Machu Picchu in Peru oder auf dem heiligen Berg Kinabalu in Malaysia wird der Trend der schamlosen Selbstdarstellung zelebriert.


Bilder wie dieses bei Machu Picchu werden auf dem Twitter Account Naked at Monuments geteilt

Mehr mitnehmen als ein neues Profilbild

Reisen bedeutet offen dafür zu sein zu lernen wie andere Menschen denken und leben. Ihre Geschichte, Religion und Lebensweise zu verstehen. Im Indonesischen gibt es den Begriff Malu, was gleichzeitig Scham, Ehre und Verlegenheit bedeutet. Es bezeichnet jedoch auch eine zentrale kulturelle Idee: Man sollte sich so verhalten, dass das soziale Umfeld in jeder Situation berücksichtigt wird und man nicht negativ auffällt. Egal in welcher Kultur, im Umgang mit einander ist es in unserem mediatisierten Zeitalter wichtiger denn je anderen Menschen Respekt zu zeigen. Wenn der Respekt nur darin besteht sich über die Orte und deren Bedeutung zu informieren und sich dementsprechend zu verhalten, ist das nicht zu viel verlangt. Dann lächelt Mona Lisa mit Sicherheit auch weiter für viele, viele Selfies.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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M94.5 präsentiert
Donnerstag, 18. Oktober, 18 Uhr
M218 LMU Hauptgebäude
 
Munich Rocks!
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Freitag, Samstag: 19./20. Oktober
 
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