Refugee Law Clinic
Wie man die Asylprobleme löst
Asyl-Diskussion bei der Münchner Refugee Law Clinic in der Hochschule für Philosophie.
Mit oder ohne Dublin? Über diesen Aspekt streiten momentan die Beteiligten bei der Asylpolitik in der EU. Auch auf einem Podium in München. Die Positionen im Überblick.
179.037 Asylanträge wurden im ersten Halbjahr 2015 in Deutschland gestellt. Das ist zwar noch weit unter den Zahlen der frühen 1990er Jahre, doch auch ein Vielfaches der Zahlen der vergangenen Jahre. Bis zu 450.000 Anträge sollen es bis Jahresende werden, schätzt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - das wäre dann neuer Rekord. Bislang gab es 1992 am meisten Asylanträge in Deutschland: knapp über 438.000.
Bei einer Podiumsdiskussion der Münchner Refugee Law Clinic, einer Gruppe von hauptsächlich Jurastudenten, die kostenlose Rechtsberatung für Asylbewerber anbietet, wurde daher viel diskutiert: Über die Vor- und Nachteile des Dublinsystems, den Umgang mit nationalistischen und rechtsradikalen Strömungen und den sogenannten "sicheren Herkunftsstaaten". Hier ein Überblick, dazu Video-Interviews mit zwei Politikern.
Der Vorsitzende der bayerischen JuSos im M94.5-Gespräch: Tobias Afsali.
Dublin-Verordnung
Wenn es Dublin nicht gebe, könnten die Asylbewerber ungehindert über Italien und Österreich nach Deutschland oder weiter nach Nordeuropa reisen, sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete und innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion Stephan Mayer. Sie könnten sich dann das Land aussuchen, in dem sie ihren Asylantrag stellen würden. "Das würde jeglichen Anreiz für die Peripherieländer nehmen, stärker zu kontrollieren", sagt Mayer. Er findet: "Wenn Europa einen Sinn hat, dann doch jetzt, wenn wir Solidarität zeigen bei der Flüchtlingspolitik." Es sei falsch, Dublin grundsätzlich in Frage zu stellen, eine verbindliche Quote hält er nicht für sinnvoll.
Für Tobias Afsali von den JuSos Bayern gehört Dublin abgeschafft: "Man muss ein System schaffen, dass die Menschen, die zu uns kommen, gerecht an alle Lände verteilt." Es solle zudem berücksichtigen, wo schon Menschen mit gleicher Herkunft leben, vielleicht sogar Familienangehörige. Wichtig ist Afsali, "dass man aufhört, sich die Karten zuzuspielen und die Menschen einfach hin- und herschiebt, ohne Sinn und Zweck."
"Krasse Krise"
Die Grünen-Abgeordnete im Europaparlament Ska Keller sieht das genauso. Für sie sind ausschlaggebende Verteilungsgründe: Familienbeziehung, Communityanbindung, Sprache und Qualifikationen, die in einem Land vielleicht mehr gebraucht werden. Sie hofft auf einen "Fitness-Test" für Dublin, den ihr die EU-Kommission für 2016 versprochen hätte. "Das wird noch ein langer Kampf und Krampf", sagt sie.
Über einen Notverteilungsmechanismus für Italien und Griechenland wird gerade gestritten. Die EU habe 500 Millionen Einwohner "und wir schaffen's nicht, 40.000 Menschen umzusiedeln - das ist ein Armutszeugnis", findet Ska Keller. Viele Staaten argumentierten: Sie hätten bereits so viele Flüchtlinge aufgenommen. "Aber wir haben halt auch ne krasse Krise in direkter Nachbarschaft", sagt die Grünen-Abgeordnete.
Einig waren sich alle: Es muss einfacher werden, legal in die EU zu kommen. Zwar gebe es über 50 Aufenthaltstitel in Deutschland, etwa die relativ offene Blue Card für Fachkräfte, die wenigsten Flüchtlinge würden sie aber kennen.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer im Gespräch mit M94.5
Nationalismus und Rechtsradikalismus
Pegida, Freital, Tröglitz - sie alle sind Schlagworte eines steigenden Nationalismus und teilweise rechtsradikaler Aktionen in Deutschland. CSU-Politiker Stephan Mayer findet: Man sollte mit den Bürgern reden. "Die Bevölkerung birgt hier teilweise irrationale Ängste in sich, die muss man ernst nehmen."
Der Vorsitzende der JuSos Bayern Tobias Afsali findet das falsch: Man solle diese Menschen nicht verharmlosend "Asylgegner" nennen, "sondern als das bezeichnen, was sie sind: Und das ist nämlich leider 'Rassistinnen und Rassisten'." Ihre Ängste vor Überfremdung oder Islamisierungen seien nicht real, real sei aber, dass diese Menschen "keinen Bock drauf haben, dass es Ausländer in Deutschland gibt."
Sichere Balkanstaaten
45,94 Prozent der Asylanträge in Deutschland im ersten Halbjahr 2015 kamen aus den Staaten des Weltbalkan (Kosovo, Albanien, Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegovina und Montenegro).
Die Bürger differenzierten klar zwischen Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak, die wirklich Asylanspruch hätten, und Asylbewerbern aus Südosteuropa, findet Stephan Mayer (CSU). Es gebe kaum anerkannte Asybewerber aus den sechs westlichen Balkanstaaten, sagt er - das sei ein Zeichen, dass es dort keine politische Verfolgung gebe.
"Es gibt für uns keine Armutsflüchtlinge", sagt Tobias Afsali (SPD). Für die Menschen, die herkommen, habe man zu sorgen, findet er. Die Politik habe den Balkan als sicheres Herkunftsgebiet erklärt, dadurch sei die Zahl der positiven Asylbescheide zurückgegangen, mit denen jetzt wieder argumentiert werde - ein Zirkelschluss, findet Afsali.
Ska Keller (Grüne) wies darauf hin, dass in anderen EU-Staaten die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus dem Westbalkan deutlich höher sei, als in Deutschland. In Belgien läge sie beispielsweise bei etwa 20 Prozent. Außerdem findet sie: "Sichere Herkunftsländer bringen's nicht. Die sparen nur ein paar Minuten im Gespräch."