NSU-Prozess
Zwei Jahre und kein Ende
Seit genau zwei Jahren nun läuft der NSU-Prozess in München. Doch auch nach 202 Prozesstagen fehlen einige wichtige Informationen.
Ismail Yozgat wirft sich auf den Boden. Es ist still geworden im Gerichtssaal. Der Schuss hätte ihn treffen können. Stattdessen wurde sein Sohn Opfer des NSU. Seine Stimme versagt während er den 6. April 2006 aus seiner Sicht schildert. Am nächsten Tag hätte gefeiert werden sollen, denn es war sein Geburtstag. Halit Yozgat wollte ihm eine Werkzeugkiste schenken. Eben diese suchte Ismail Yozgat mit seiner Frau in der Innenstadt von Kassel aus, deshalb vertrat sein Sohn ihn im Internetcafe. Um 17 Uhr wollte er ihn ablösen, den Laden betraten jedoch andere und als er kurz nach fünf eintraf fand er seinen Sohn, regungslos am Bodenliegend und blutverschmiert. So regungslos, wie nun auch Ismail Yozgat im Gerichtssaal liegt.
Solche erschütternde Darstellungen von Angehörigen der Opfer erlebt Der SZ-Journalist Tanjev Schultz seit Beginn des NSU-Prozesses. Er verfolgt jeden Verhandlungstag und berichtete darüber zuletzt am 23. April beim „NSU-Report“ an der Hochschule für Politik.
Yozgat ist einer der 520 Zeugen im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht. Die Akten umfassen bereits über 100.000 Seiten, doch noch immer sind die Taten des Nationalistischen Untergrundes ungeklärt. 40 Sachverständige wurden befragt. Kosten in Höhe von 40 Millionen Euro haben sich angehäuft. Seit genau zwei Jahren läuft dieser Prozess, doch ein Ende scheint nicht in Sicht zu sein.
202 Tage Schweigen
Seit dem 6. Mai 2013, seit 202 Prozesstagen nun schweigt die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. So auch in solchen Situationen. Sie würde sich komplett abschotten und verschließen, meint Schultz. Emotionslos würde sie das Geschehen verfolgen. Doch der Prozess scheine sie zu belasten, weshalb auch nun nur mehr an zwei statt an drei Tagen verhandelt wird. Obwohl sie sich einem Psychiater anvertraut haben soll, vermutet Schultz, dass sie weiter im Prozess schweigen wird. So, wie es auch die Strategie ihres Verteidigertrios Heer, Stahl und Sturm von Anfang an gewesen sei. Gerade dieses Schweigen sei schuld an dem langen Verfahren, so Schultz. Immer wieder werde sie in Verhandlungen angefleht etwas zu sagen, doch sie schweige.
Zehn Morde werden ihr, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die beide Selbstmord begingen, vorgeworfen. Zusammen mit vier weiteren Angeklagten muss sie sich vor dem Münchner Gericht verantworten. Aber nicht nur die Angehörigen der Mordopfer sondern auch der Opfer des Sprengstoffanschlags und des Nagelbombenattentats in Köln müssen diese Tage immer wieder durchleben und können sie nicht verarbeiten. Vergessen werden sollen sie nicht, die Opfer. Deswegen fordert auch Ismail Yozgat die Umbenennung der Holländischen Straße in die Halit-Straße, eben jener Straße in der sein Sohn zur Welt kam und wo er mit nur 21 Jahren starb.