Feldhandball – vergessen und gestorben
Früher kamen über 90.000 Zuschauer, heute ist Feldhandball vergessen. Dabei hat Deutschland eine große Vergangenheit auf dem großen Handball-Feld. Der Ansbacher Erwin Porzner feierte die deutschen Erfolge mit – aus der bayerischen Provinz.
Groß werden die Augen, die Münder gehen auf. Erzählt Christoph Kolodziej dem Handball-Nachwuchs vom Feldhandball, wird es still. „Die jungen Spieler wissen gar nichts davon, die sind immer ganz überrascht“, sagt der Landestrainer des Bayerischen Handball-Verbands. „Es ist aber eine gute Erfahrung, auch bei Lehrgängen.“ Als Teil der Handball-Ausbildung holt Kolodziej die Spieler im Sommer aus der Halle – auf dem weichen Untergrund verbessern sie ihre Balance und ihre Beweglichkeit.
„Das beugt auch Verletzungen vor. Auf dem Hallenboden passiert viel schneller etwas. Außerdem tut es ihnen gut, mal aus ihrer gewohnten Umgebung raus zu kommen“, sagt Kolodziej. Er selbst erinnert sich mit Wehmut an Feldhandball: „Ich habe noch die letzten beiden Jahre im Ligenbetrieb gespielt. Auf dem Großfeld hätte ich mehr erreicht.“
Bei Olympia 1972 zieht Hallenhandball vorbei
Bis 1971 gab es eine Feldhandball-Bundesliga, im Jahr darauf stellte der Deutsche Handball-Bund die Weichen in Richtung Halle. Bei den olympischen Spielen in München debütierte Hallenhandball im Programm – Feldhandball hatte keine Perspektive mehr. Vier Jahre lang spielte man noch in Turnierform um den Titel des Feldhandball-Meisters. Seitdem wissen junge Spieler meist gar nichts mehr von dem Sport.
In den 50er- und 60er-Jahren jedoch lockte der Feldhandball die Massen an: 55.000 Zuschauer kamen 1955 zum Länderspiel zwischen Deutschland und Norwegen ins Niedersachsenstadion in Hannover. Zwei Jahre später spielte die Bundesrepublik in Leipzig gegen die DDR in einem vollen Zentralstadion.
Weltmeister als Kapitän
Erwin Porzner erinnert sich gerne: „Da waren 93.000 Zuschauer und wir haben mit 19:14 gewonnen. Das war schon toll.“ Porzner ist mit 33 Länderspielen deutscher Rekordnationalspieler im Feldhandball. Zweimal holte er den Weltmeistertitel: 1959 mit einer gesamtdeutschen Mannschaft und 1966 als Kapitän der Bundesrepublik. Außerdem versetzte er den großen Vereinen in Deutschland regelmäßig einen Tritt und holte mit dem TSV Ansbach zweimal den Meistertitel.
Amtierender Weltmeister ist der Ansbacher bis heute: „Die DDR ist damals nur Zweiter geworden, deshalb haben die ganzen Ostblock-Länder gesagt, sie machen nicht mehr mit.“ Ohne die DDR, Rumänien und Polen hatte die Weltmeisterschaft ihren Sinn verloren.
„Der Feldhandball ist nicht tot“
Unmittelbar nach dem deutschen Titelgewinn 1966 hatte DHB-Präsident Otto Seeber noch verkündet: „Wir fühlen uns nach dem großartigen Verlauf der Spiele in Österreich verpflichtet, die achte Feldhandball-Weltmeisterschaft zu übernehmen. Der Feldhandball ist nicht tot.“
Heute gibt es Feldhandball nur noch als Spaß-Veranstaltung, zum Beispiel immer am zweiten Samstag im August auf dem Dachauer Volksfest. „Vor zwei, drei Jahren haben wir versucht, eine Initiative zu starten und Turniere mit Ehemaligen ins Leben zu rufen. Da gab es aber eine schlechte Resonanz“, sagt Christoph Kolodziej. Feldhandball ist vielleicht nicht tot, die Augen wird er aber nicht mehr aufmachen.