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Tandemspringen in Thalmässing - Ein Selbstversuch

Ein Sprung ins Nichts

Autor(en): Susanne Petersohn am Montag, 4. April 2011
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In der Antike war es der junge Ikarus, der sich Flügel baute, um zur Sonne zu gelangen. Heute kann man bequem und billig fliegen - M94.5-Redakteurin Susanne Petersohn stürzte trotzdem aus 4000 Metern in die Tiefe.

Ein Springer saust vom Himmel. „Sollte der vor der Landung nicht ein bisschen bremsen?“, frage ich mich. Er kann sich kaum auf den Beinen halten, läuft, um noch das Gleichgewicht zu behalten, beginnt zu rennen. Der Schirm überholt ihn, er fällt, wird hinterhergezogen. Nach zehn Metern bleibt er liegen. Langsam sinken die Stoffmassen des Schirmes auf den Boden, der Gelandete bleibt liegen.

Der Sturz überrascht nicht nur mich: Auch andere Erstspringer gucken verwirrt um sich. Ich laufe zur Anmeldung und erkundige mich bei der netten Dame hinter der Theke nach dem Gestürzten. Ihr Name ist Anne, sie lacht: „Das ist nur einer der Tandem-Master. Sowas passiert immer mal wieder. Ist nicht schlimm. Dem hat's nur der Helm auf die Nase geknallt“. „Na toll“, denke ich mir und zu meiner Vorfreude mischt sich ein mulmiges Gefühl.

Vorbereitungen

Ich setze mich zu den anderen auf den Hof, um meinen Bogen auszufüllen. Die aufgezählten Verletzungsmöglichkeiten machen mich nervös. Aber wie sagte schon van Gogh? „Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?" Und schließlich kenne ich „Risiken und Nebenwirkungen“ schon vom Arzt.

Das Wetter ist perfekt: Unter strahlend blauem Himmel sitzen die Leute in der Sonne und unterhalten sich. Musik dröhnt über den Hof. Immer wieder schweifen die Blicke Richtung Himmel, wo regelmäßig ein brummendes Flugzeug oder ein bunter Schirm auftaucht.

Auf geht’s!

„Gruppe neun kann sich zum Aufbruch bereit machen. Der Flug startet bald!“, tönt Annes Stimme über die Lautsprecher in den Hof. Das verschwunden geglaubte Kribbeln breitet sich wieder in meiner Magengrube aus.

Mit etwa zehn anderen Springern laufe ich zum Landeplatz und warte auf unser Flugzeug -eine Pilatus Porter.  Während sie landet, erklärt Claus: „Bleib bloß dicht an meiner linken Seite, der Propeller vorne kann lebensgefährlich sein." Wieder das Kribbeln. Diesmal etwas stärker als vorher. „Egal - no risk no fun“, sage ich mir und klettere zu den anderen in den Bauch der Pilatus Porta.

Der Flug

Wir sitzen dicht aneinandergequetscht. Dann heben wir ab. Alles wackelt. Durch das Fenster beobachte ich, wie die Flugschule, die Felder, Wiesen und Autos immer kleiner werden. „Wir sind jetzt auf 1000 Metern Höhe, dort drüben kannst Du die Alpen sehen, hast einen perfekten Tag erwischt“, brüllt Claus mir von hinten ins Ohr. Ich lächele und schau in die Tiefe. Dann stelle ich fest, dass wir noch dreimal so hoch steigen werden.

Die Tür geht auf. Fest an Claus geschnürt blicke ich in die Tiefe. Schon stürzt sich der erste Springer hinunter. Der nächste und der nächste. Oh oh, jetzt bin ich bald dran! Vielleicht sollte ich einfach hier sitzen bleiben. Ein Rundflug ist doch auch ganz nett ... Aber nichts da, Claus rutscht auf die Knie und zieht mich mit. Das rechte Bein stellt er auf das Trittbrett außerhalb des Flugzeuges. „Alles klar? Lächele noch einmal dem Piloten zu, es geht los!“

Der Sprung ins Nichts

Schon werde ich nach unten gerissen. Mein Herz bleibt stehen, ich halte die Luft an und kneife die Augen zu. Mit 200 Stundenkilometern rase ich der Erde entgegen. Dann merke ich, wie ich laut und anhaltend „Juchuuuu!“ schreie. Ein grandioses Gefühl. 54 Sekunden freier Fall.

Claus klopft mir auf die Schulter. Das ist das Zeichen. Ich löse meinen Klammergriff vom Gurt und strecke die Arme aus. Dann öffne ich die Augen: Hammer. Ich fliege!

Schweben

„Gut, das wars schon!“ Claus öffnet den Hauptschirm, der öffnet sich etwa 1500 Meter über der Erde und die Geschwindigkeit reduziert sich ruckartig. Zum zweiten Mal an diesem Tag habe ich das Gefühl, dass mein Herz aussetzt.

„Nimm die Brille ab und guck Dir die Landschaft an“, sagt Claus ruhig und ich bin überrascht: Kein dröhnender Wind mehr um mich, wir schweben und könnten uns sogar im Flüsterton unterhalten. Ich sehe die Alpen, die Felder, Wiesen, Straßen, Autos und Häuser. Alles ist klein und atemberaubend schön. Unsere Geschwindigkeit hat sich jetzt auf etwa 20 Kilometer pro Stunde reduziert.

Ich darf sogar lenken, so spüre die Kraft des Schirmes in meiner Hand. „Jetzt noch die Todesspirale“, meint Claus und zieht kräftig an der rechten Lenkschnur. Wir drehen uns um uns selbst, ich muss lachen.

Landung

Schließlich kommt der Boden näher und näher. „Oh nein, das darf nicht aufhören“, sage ich zu Claus, aber es hilft nichts. Langsam sinken wir auf den Boden. „Heb die Beine an, wir landen.“ Ich gehorche, dann spüre ich den Boden unter meinen Füßen. Das Abenteuer ist zu Ende.

Ich blicke um mich: Überall strahlende Augen. Kaum einer der Gesprungenen kann sich das Honigkuchenpferdchen-Lächeln verkneifen.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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M94.5 präsentiert
Donnerstag, 18. Oktober, 18 Uhr
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