Home > Störfunk > Playlist Störfunk am Samstag, 4. Juni 2011
Hans Kulisch und die Suche nach dem ungehörten Klang

Playlist Störfunk am Samstag, 4. Juni 2011

Mit dem Wiener Plattenspieler und Musikjournalist Hans Kulisch auf der Suche nach dem ungehörten Klang und der Entdeckung neuer Phänomene namens "Glocal" und "Aleatoric Djing"
Mirror People - Night Impact (Worship Remix)
Toro Y Moi - New Beat (Fare Soldi "CantaTu" Remix)
Blood Orange - Sutphin Boulevard
Cloud Control - The Rolling Stones
Casa del Mirto - Poison
The Rapture - Sister Saviour
Lorcan Mak - Acid House (Get Nuts Remix)
Get Nuts - Sticky Boots
Hans Kulisch - VDJ Mix RoughnDirtyAleatoricStyle
Ryukyu Underground - Thirteenth Moon
Von Spar - Irgendwas von Seite A


Ein Gespräch mit Hans Kulisch - Wiener Plattenspieler, Musikjournalist (SKUG) und Promoter globaler Musik - über die Zukunft elektronischer Musik und neue Phänomene namens Glocal und Aleatoric Djing.

Dein Verhältnis zur Musik?

Hans Kulisch: Prinzipiell ist es so, dass ich Spezialist bin für globale Musik im weitesten Sinne. Hin und wieder arbeite ich auch als Musikjournalist, dazu bin ich seit 24 Jahren als DJ unterwegs, um globale Musik zu promoten - egal woher sie kommt.
Egal obs mongolischer Hiphop ist, afrikanischer Rumba oder was auch immer. Die Verbindung dieser authentischen oder autochthonen Musikszenen, die es überall gibt, mit Elektronik, die es jetzt auch überall gibt, durch die neuen Produktionstechniken, ist sehr interessant. In jedem Kontinent, in jedem Land wird mit cheapest Produktionsmitteln egal ob PCs oder gecrackter Software gearbeitet. Jeder auf der Welt produziert elektronische Musik oder kann das. Die Demokratisierung der Produktionsmittel hat einfach mit sich gebracht, dass jeder Musik produzieren kann. Wie überall gibt’s dann natürlich viel Mist und viel mehr zum Durchhören, aber es gibt viele Juwelen, weil natürlich überall auf der Welt irgendwer sagt: Ok, ich komm vom Salsa und verbinde das jetzt mit Dancehall, und der kommt jetzt und sagt, hey Dubstep ist der neueste Schrei und wir vermischen das jetzt mit indischen und malaysischen Dingen.

Wie kommst du auf neue Musik? Übers Internet oder durchs Reisen?

Übers Internet. Du brauchst an sich überhaupt nicht mehr reisen, Internet alleine reicht prinzipiell. Man muss nur schauen wo man sucht. Das ganze ist eigentlich eine Internetkultur mittlerweile. Was ja das spannende ist. Nach dem Niedergang der Plattenfirmen - obwohl es ja noch immer viele gibt und mehr Vinyl produziert wird denn je - spielt sich das ganze im Internet ab. Es ist billiger, du kannst produzieren, sofort veröffentlichen und sofort am Abend spielen.

Wie legst du auf?

Nur CDs. Ich hab deshalb mit CDs angefangen, weil ich spezielle CD-Player gekauft hab, relativ früh, bevor es die gibt, dies eh jetzt überall gibt, die einfach die Loop-Funktion haben, aber ich hab sogar welche daheim wo ich Samplen kann. Du kannst einfach verschiedene Dinge machen: Du kannst es zerteilen, du kannst es neu remixen. Ok, heute geht das noch besser mit digitaler Software wie Traktor oder Serato. Prinzipiell verwende ich auch eine CD wie eine Sample-CD. Wenn ich den CUE-Punkt setze auf irgendeinen Ton, kann ich den ja pitchen, auch die Tonhöhe pitchen - also wie ein Keyboard, da kann ich auch Melodien spielen. Auf Youtube gibt’s hunderttausend Tutorials für alles und das geht auch beim Djing und dann wird’s spannend und interessant.
Ich bin jetzt nicht hier der große Künstler, sondern es geht darum die Leute zu unterhalten. Das ist mein Job. Ich bin Dienstleister. Du bist an sich dazu da, dass die Leute glücklich sind, wenn sie abends heimgehen.


Wo muss man das „Neue“ suchen?

Ich bin der Meinung, dass die meisten Leute sehr konservativ sind im Musikgeschmack - und das gilt mittlerweile fast weltweit. Es gibt verschiedene Statistiken bei Spotify und anderen und da sind immer noch Radiohead auf Nummer 1. Elektronik genauso. Da wird ein Sven Väth oder ein Tiesto bei den DJ-Charts oben gelistet in den englischen DJ-Magazinen. Die sind beliebt und spielen weltweit. In Stadien vor 50 000 Leuten.
Das "Neue", was ich suche, ist das wo das indigene oder authentische lokale mit dem globalen sich mischt. Also das „Glocal“. Mir geht’s um die Mischung, dass man auch andere Töne hört. Es ist einfach eine andere Geschichte, wenn man über solchen Beats einen Bläsersatz aus dem Balkan hört oder eine Cumbia-Zieharmonika. Und dann nachher den Dubstep-Beat. Weils einfach nett ist, wenn du auf einmal diese kolumbianische Zieharmonika hast, die lokale Geschichte. Jeder, der lateinamerikanische Musik liebt, hat Bezug dazu - aber jeder andere, der Dubstep liebt, hat auch Bezug dazu. Also hab ich als DJ beide gepackt. Das schließt niemanden aus. Das ist quasi eine Demokratisierungsgeschichte; jeder kann mit. Sonst ist es ja oft eher ausschließend.


Was bedeutet Aleatoric Djing?

Würfeln. Alea ist auf lateinisch der Würfel. Alea iacta est, der Würfel ist gefallen. Das hab ich erfunden aus dem Grund, weil ich zuviele Platten zugeschickt bekomme, für die ich keine Zeit hab sie anzuhören. Ich spiel ja im Rhiz, eine Avantgarde-Bar in Wien, und die sind dort ja eh alles gewohnt. Vom Noise bis Country kannst du dort alles spielen. Da kann man experimentieren. Am Anfang des Abends spiele ich da immer als aleatoric dj, weil ich mir gedacht hab, dass es doch spannend wäre aufzulegen, ohne den ganzen DJ-Mist im Kopf - „du musst ein Set präparieren, du musst die bpm kennen, und wenn du die Harmonien kennst, ist es noch besser; harmonic mixing ist überhaupt der letzte Schrei“ - ok, forget it! Ich kenn nicht einmal die Nummer, die ich spiel - das ist viel lustiger. Ich mach die CD auf, leg irgendeine Nummer ein und verwend sie dann wie eine Sample-CD. Wenn der Track schlecht ist oder ich mir denk, ouh das ist aber langweilig - gähn! - dann mach ich einen Loop draus und misch ihn mit nem andern Loop oder versuch irgendwas nettes zu tun damit oder brich ihn einfach ab.

Fazit nach einer dreiviertelstunde kurzweiligem Gespräch über die künftigen Wege elektronischer Musik:
Eine Fusion aus lokalen, autochthonen Klängen und globalen Beatz und Klangstrukturen, glocal genannt, wird uns blühen.
Durch die Aufsplitterung der Klänge und neues Zusammenwürfeln wird es zur Mischung, zum Aleatoric Djing kommen.
Auch dank zweier Demokratisierungsbewegungen: Der Demokratisierung der Produktionsmittel - Internetzugang und gecrackte Software für alle - und die Demokratisierung der Hörergewohnheiten, indem Plattenspieler und Musikjournalisten jeden mitnehmen, die Klanggrenzen brechen und die Splitter vermischen, auf dass eines nachmittags der Indiehipster zu schunkelnder Volksmusik tanzt, wenn ein Breakbeat drunter liegt und eine Baile Funk Stimme drüber stöhnt.
Und bitte nicht als Ethnoklumpert bezeichnen!



llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll.li/post... →

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

mehr
M94.5 präsentiert
Donnerstag, 18. Oktober, 18 Uhr
M218 LMU Hauptgebäude
 
Munich Rocks!
Donnerstag, 18. Oktober 2018
 
Freitag, Samstag: 19./20. Oktober
 
Neuhauser Musiknacht
Samstag, 27. Oktober 2018
M94.5 Bühne @ Freiheizhalle

 

mehr
M94.5 auf Youtube

Der M94.5-Newsletter
Du willst regelmäßig News von M94.5? Dann musst nur deine E-Mail-Adresse angeben! Keine Angst, wir spamen deinen Posteingang auch nicht voll.
 
 
Die afk Familie