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Mythen hinterfragt

Antike Ammenmärchen

Autor(en): Elsbeth Föger am Samstag, 9. August 2014
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Quelle: © Jerry(Jerry7171)

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Von Blut- und Fressorgien bis zu blütenweißen Statuen... Drei populäre Mythen über das Altertum und die Wahrheit dahinter.

Von Blut- und Fressorgien bis zu blütenweißen Statuen... Drei populäre Mythen des Altertums und die Wahrheit dahinter.

Breifresser statt Luxusgourmets

Gefüllte Wachteln, Speckdatteln und Haselmäuse in Honig: Um das zu beschreiben, was bei speisenden Römern im Film auf den Tisch kommt, reicht das Wort „dekadent“ meist kaum aus. Und hat sich einer davon mal wirklich den Bauch zu voll geschlagen, sorgt auf der Leinwand gleich ein Sklave dafür, dass bald wieder Neues im Magen Platz findet – entweder mit Brechmitteln oder zur Not mit einem Finger im Hals.
Fakt ist: Dieses Bild geht auf nur zwei historische Quellen zurück – auf die Autoren Seneca und Plinius. Sie wetterten gerne gegen solchen Tafelluxus. Allerdings: Bei Tisch haben die beiden selbst ordentlich geprasst. „Das stellt ihre Glaubwürdigkeit stark in Frage und entwertet die Aussage ziemlich“, meint Althistoriker Dr. Werner Tietz. Repräsentativ ist dieses Bild für die römische Bevölkerung auf keinen Fall, schließlich zählten 90% zur Landbevölkerung. Dort fiel das Mahl meist viel karger aus. In der Mittagspause löffelte man auf dem Feld einen Getreidebrei – die Puls. Grund genug für die Griechen, die Römer abfällig „Breifresser“ zu nennen.

Tafelluxus gab es aber in der römischen Antike natürlich trotzdem. Für Wohlhabende war die Esskultur auch eine Bühne, um den eigenen Reichtum zu inszenieren. Wer sich bestimmte Trend-Nahrungsmittel leisten konnte, stellte das stolz zur Schau: Besonders kostspielig waren etwa Goldbrassen. Für die Fische gab man gerne mal so viel aus, wie ein Arbeiter in hundert Tagen verdiente. Auch das Wildschwein stand nicht nur bei Asterix und Obelix, sondern auch bei den Römern auf der Speisekarte. Dabei lagen aber längst nicht alle zu Tisch: Traditionsbewusste Römer konnten mit dieser griechischen Sitte nichts anfangen.

Gewalt-Klischees statt echtem Horror

In den Berichten antiker Chronisten geht es oft so grausam zu, dass selbst hartgesottene Saw-Fans noch aufhorchen. Ausgeklügelte Foltertaktiken gefällig? So manch antiker Zeitgenosse soll den besiegten Feind gehäutet oder ihm geschmolzenes Gold in die Kehle gegossen haben. Auch abgeschnittene Nasen oder am Spieß gebratene Märtyrer waren an der Tagesordnung.

Zumindest, wenn man diese Überlieferung für bare Münze nimmt. Denn vieles davon ist Quatsch, sagt Dr. Martin Zimmermann. So ließ Caligula seinen Gegner angeblich erst dann töten, als ihn der Geruch seines verfaulenden Hirns störte: „Das ist medizinisch-pathologisch natürlich überhaupt nicht möglich“, so der Althistoriker. Dass es solche Überlieferungen mit der Wahrheit nicht so genau nahmen, muss auch antiken Lesern bewusst gewesen sein: Schließlich wurde die Tradition der Gewaltbilder zu einer regelrechten literarischen Konvention.

Die antike Historiographie war tendenziöser und emotionaler als die heutige Geschichtsschreibung: Sie wollte die Affekte des Lesers ansprechen. Gebetsmühlenartig kamen dabei diesen Muster zum Einsatz: Nero soll seine schwangere Frau etwa durch einen Bauchtritt getötet haben – dasselbe erzählt man sich aber auch von einigen anderen Herrschern. Eine typische Tyrannentopik, die mit der Realität wohl oft nur wenig zu tun hatte. Oft stammten die Geschichtsschreiber auch aus der Senatorenschicht: Wer durch Kaiser politisch entmündigt worden war, rächte sich, indem er für die Nachwelt ein besonders düsteres Bild des Herrschers zeichnete.

Bunte Farbenwelt statt edlem Weiß

Wen es im Museum in die Antikesammlung verschlägt, der ist sich meist sicher: Wie schön waren doch die unschuldig weißen Statuen! Leider ist das völlig falsch. „Die Marmorstatuen waren oft nicht so weiß, wie sie sich uns überliefert haben“, sagt Althistorikerin Dr. Denise Reitzenstein. Im Lauf der Zeit ist nur die Farbe abgegangen: Die Skulpturen waren ursprünglich oft knallbunt und zum Teil recht schrill gefasst. Vom leuchtenden Rotton bis zum kräftigen Blau reichte die Farbpalette.

Die Ausstellung „Bunte Götter“ zeigt das ganz plastisch: Sie rekonstruiert antike Statuen mit der richtigen Farbgebung. Ein Bogenschütze aus einem griechischen Tempel, den man bisher nur in Weiß kannte, bekennt dann plötzlich Farbe: Seine Hose leuchtet in bunten Rautenmustern und er trägt eine farbige Kopfbedeckung.

Die Farben gewannen antike Zeitgenossen oft aus der Natur. Erden aus Bergwerken dienten etwa als roter Farbstoff, Ruß verwendete man für schwarze Farbe. Und sogar künstliche Farben gab es: Das Ägyptisch-Blau stellte man in einem sehr komplizierten Prozess her: Man erhitzte Kalk und Kupferoxid, Quarz und Soda auf etwa 1000 Grad. Die Klassizisten um Winckelmann & Co. hätten sich bei einer solch bunten Diagnose wohl im Grab umgedreht: Im 18. Jahrhundert war man von den Statuen begeistert – weil man sie fälschlich für weiß hielt.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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